Are you digital?

Ich kann diese Frage nicht mehr hören. Ja natürlich bin ich digital! Ich besitze ein Handy, einen Mail-Account und wickle meine Bankgeschäfte online ab. Ach ja, einkaufen gehe ich auch mit Karte, wobei diese Self-Scanner … na ja, die sind mir zu digital. Ich setze natürlich voraus, dass meine Umgebung auch digital ist. Bahntickets? Konzerttickets? Schuhe? Online anfragen, Preise checken, bestellen und auspacken. Ja, ich bin digital! Das geht mit Lichtgeschwindigkeit.

Meine letzte Bestellung zum Beispiel, die habe ich auch online geordert. Ein Shirt aus den USA. Weit hinten im Westen dieses Landes. Ein paar wenige Klicks und das Teil lag innert vier Tagen in meinem Briefkasten. Genial! Viele Grüsse aus Kalifornien. Jetzt kommt ein defektes Teil aus meinem Kühlschrank zum Zug. Die Sucherei nach Typ und Typennummer ist mir dann doch zu anstrengend. Are you digital? In diesem Fall, nein! Aber ich bin mobil und fahre direkt zum Fachmann. Auge in Auge hat was, um dem digitalen Trend zu trotzen. Ich hätte gerne diese Abdeckung. Kein Problem, das haben wir gleich. Ich grinse und freue mich auf die gesparte Lieferfrist, denn ich werde das Teil sofort mit nach Hause nehmen. Hier ist es, ich kann es Ihnen bestellen. Hm, keines an Lager? Nein. Ok, bestellen Sie. Gerne. Wenn wir es an Lager haben, liefern wir in etwa einer Woche. Wie bitte? Wenn wir über den Hersteller bestellen, liefern wir in etwa 2 Wochen. Wie bitte? Digitalisierung scheint nicht überall angekommen zu sein. Was kostet das Teil? Weiss ich nicht. Hä? Mein Guter, schau in deinen Computer! Wir können keine Preise sehen. Aha, die verkaufen Produkte und haben für diese keine Preise. Spannend. Soll ich jetzt für Sie bestellen? Öhm, ja, aber wir wissen ja nicht, was es kostet. Ich kann nächste Woche anfragen. Ich bekomme einen digitalisierten Schub. Das dauert dann ja wieder …

Ich bestelle und biete dem Fachmann eine neue Chance, die Digitalisierung zu ignorieren und sich auf den Direktverkauf zu konzentrieren. Ich bräuchte dann noch einen Wasserfilter für meine Espressomaschine. Gerne, für welches Modell? Dieses da. Haben wir vor ein paar Wochen bei Ihnen direkt gekauft und mitgenommen. Oh, diesen Filter haben wir nicht an Lager. Aber ich kann ihn bestellen. Der Fachmann zuckt mit seinen hängenden Schultern. Wenn wir den Filter an Lager haben, liefern wir in etwa einer Woche. Wie bitte? Wenn wir jedoch über unseren Hersteller bestellen, liefern wir in etwa 2 Wochen.

Sitzt der Produzent im Ausland? Indien vielleicht? Nein, wo denken Sie hin! Das sind Schweizer Qualitätsprodukte. Die werden in der Schweiz hergestellt. Ach du grüne Neune! Ein weiterer digitaler Schub kommt auf mich zu. Was kostet denn dieser Filter? Der Fachmann lächelt gütig, wissend und voller Freude. Er haut in die Tasten und verkündet monoton, dass der Preis nicht ersichtlich ist. Er grinst jedoch vielversprechend. Ich frage gerne nach. Nächste Woche weiss ich es. Sie können dann anrufen und wir bestellen. Sofort!

Claude Lachat ist Schriftsteller, 54 Jahre alt und wohnhaft in Lauwil. Er arbeitet als Programmleiter von Tandem 50 plus Baselland.

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