«Kunst benötigt Raum, um sich zu entfalten»

Voller positiver Energie begrüsst Kitty Schaertlin in ihrem Atelier in Sissach die «Volksstimme». Die «Regionale 19» steht vor der Tür, welche die Sissacherin kuratiert. Am liebsten würde sie ein Buch über den chinesischen Teil ihrer Familiengeschichte schreiben.

Kristina Isler

«Volksstimme»: Frau Schaertlin, bald werden die verschiedenen Ausstellungsräume der «Regionale 19» eröffnet. Was erwartet die Besucher?
Kitty Schaertlin: Bei der «Regionalen» handelt es sich um verschiedene Vernissagen, die in Deutschland, Frankreich und der Schweiz stattfinden. Beteiligt an den Ausstellungen sind 19 Institutionen, die von rund 30 Kuratoren betreut werden. Die «Regionale 19» findet in diesem Jahr vom 22. November bis zum 6. Januar statt. Es stellen insgesamt 180 Kunstschaffende aus. Wichtig dabei ist, dass die jeweiligen Künstlerinnen und Künstler in irgendeiner Weise einen Bezug zum Dreiländereck haben.

Dahinter stehen viele intensive Vorbereitungsstunden. Wie läuft so ein Prozess ab?
Niggi Messerli, der Direktor der Kunsthalle Palazzo in Liestal, hat den Basler Künstler Urs Aeschbach und mich angefragt, ob wir die diesjährige Ausgabe kuratieren möchten. Nach unserer Zusage begann Ende Juli das Auswahlverfahren mit der Sichtung der rund 640 eingereichten Dossiers. Wir haben diese aufgeteilt, uns immer wieder zusammengesetzt und die Auswahl stetig verkleinert. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, Kunstschaffende direkt einzuladen. Da in jedem Dossier aber viel Arbeit steckt, war es uns sehr wichtig, nur Kunstschaffende auszuwählen, die eines eingereicht hatten. Nach der Auswahl gab es Atelierbesuche und Besprechungen. So entstand langsam unser Konzept, in welchen Räumen welche Werke ausgestellt werden sollen. Nun freuen wir uns auf die Eröffnung und hoffentlich viele inspirierende Momente.

Apropos inspierend: In Ihrem Atelier spürt man richtig den Schaffensdrang. Wie arbeitet die Künstlerin Kitty Schaertlin?
Mir ist es wichtig, genügend Zeit für ein Werk oder Kunstprojekt zu haben. Es muss ein Prozess entstehen, aus dem Ideen hervorgehen, die immer wieder verändert werden, bis am Ende die gefestigte Vorstellung des Werks entstanden ist. Dann beginnt die eigentliche Umsetzung dieser Idee.

Wie gehen Sie etwas Neues an? Gibt es Abläufe oder sogar Rituale, die Sie immer wieder vollziehen?
Nein. Es kommt immer darauf an, ob ich etwas alleine mache, im Rahmen eines Gesamtprojekts oder ob es sich um Auftragsarbeiten handelt. Am Anfang steht immer das Gespräch. Dann liefere ich Ideen, Skizzen, Modelle oder Entwürfe für ganze Projekte. Mein Kunstschaffen hat sich im Lauf der Jahre verändert. Veränderungen haben immer schon mein Leben geprägt und spielen auch in meiner Kunst eine grosse Rolle. Frauenthemen zum Beispiel sind mir immer schon wichtig gewesen und kommen jetzt auch in meinen Werken voll zum Tragen.

Haben Sie auch schon Anfragen abgelehnt?
Nein, grundsätzlich lehne ich keine Aufträge ab, sofern sie meiner Kunst entsprechen. Aber es kann natürlich sein, dass eine Zusammenarbeit nicht zustande kommt, weil man sich in der Art der Umsetzung nicht findet. Dies passiert allerdings nicht oft. Die Menschen, die mich beauftragen, kennen meine Kunst bereits und wissen, wie ich arbeite. Ein anderer Grund für eine Ablehnung kann sein, dass mir der Raum für eine Ausstellung nicht gefällt. Der Raum muss mich zu 100 Prozent überzeugen.

Viele Menschen betreiben Kunst als Ausgleich zum Berufsleben. Bei Ihnen ist sie Beruf. Wo finden Sie Ausgleich?
Meine Arbeit mit der Kunst ist sehr vielseitig. Der Wechsel zwischen Aufträgen, persönlichen Arbeiten oder sonstigen Projekten sorgt für Abwechslung. Die Kunst begleitet mich immer auch im Privatleben, was jedoch nicht bedeutet, dass ich nicht auch mal am Strand liegen kann und gar nichts tun.

Sie haben eine sehr spannende Familiengeschichte. Ihr Grossvater mütterlicherseits – ein Architekt aus China – wurde im Zuge der Kulturrevolution inhaftiert und auch Ihre Grossmutter wurde später festgenommen. Inwieweit beeinflussen Sie diese Geschichten in Ihrer Arbeit oder Ihrem Leben?
Mein chinesischer Grossvater beeinflusst meine Arbeiten und mein Privatleben vielleicht unbewusst. Zum Beispiel in meiner Stilrichtung der Reduktion und der klaren Strukturen. Die räumliche Präzision rührt vielleicht daher, dass mein Grossvater väterlicherseits Mathematiker war. Persönlich beschäftigt mich meine Familiengeschichte sehr. Es ist mein grosser Traum, den chinesischen Teil meiner Geschichte in einem Buchprojekt aufzuarbeiten.

Und wie sehen Ihre Pläne in beruflicher Hinsicht aus?
Da ist schon viel in Planung. Auf ein Projekt freue ich mich besonders: Im Mai nächsten Jahres wird eine einjährige Ausstellung mit verschiedenen Kunstwerken auf dem Schönthaltunnel, der Umfahrungsstrasse zwischen Liestal und Pratteln, eröffnet. Zu viel verraten möchte ich noch nicht, aber die eingereichten Ideen versprechen Grossartiges.

Zur Person

kri. Die 1961 in Freiburg im Breisgau geborene Kitty Schaertlin arbeitet seit 1994 als freischaffende Künstlerin. Zur Kunst fand sie bereits in ihren Jugendjahren, dank ihrer Grossmutter. Neben vielen persönlichen Werken arbeitet sie als Projektleiterin und Mitorganisatorin von Kunstprojekten. Mit dem Bildhauer Peter Thommen betreibt Schaertlin das Label «Kulturprojekte Schaertlin Thommen». Sie lebt und arbeitet in Sissach.

Ausgefragt | Kitty Schaertlin, Künstlerin, Sissach

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title