Wenn ein Zürcher mit einem Baselbieter
09.11.2021 Baselbiet, Lauwil, Bezirk WaldenburgBrigitt Buser
Vergangene Woche endete eine weitere Ulmetaktion – zum ersten Mal mit Unterkunft in der neuen Hütte. Diesen «Luxus» durften auch Ueli Lanz aus Buus und Gerald Kohlas, aus Tann im Zürcher Oberland, mit zehn weiteren freiwilligen Helfern der Gruppe «Woche ...
Brigitt Buser
Vergangene Woche endete eine weitere Ulmetaktion – zum ersten Mal mit Unterkunft in der neuen Hütte. Diesen «Luxus» durften auch Ueli Lanz aus Buus und Gerald Kohlas, aus Tann im Zürcher Oberland, mit zehn weiteren freiwilligen Helfern der Gruppe «Woche 5» geniessen. Beide waren schon in den Anfangszeiten der Vogelzählaktionen mit dabei.
Ueli Lanz fuhr 1962 das erste Mal als 8-jähriger Bub mit seinem Vater von Liestal an einem sehr kalten Tag im Herbst mit dem Taxi auf die Ulmethöchi. Walter Lanz betrieb auf freiwilliger Basis eine Vogelauffangstation für Jungvögel und verletzte Vögel in Buus. «Beringt wurden damals während der Ulmetaktion die mit Netzen gefangenen Vögel vor einem Militärzelt, übernachtet wurde in der im letzten Spätherbst abgerissenen Hütte. Vor 1962 lief die Beringungsaktion übers Wochenende oder über ein bis zwei Wochen», weiss Lanz zu berichten.
Gerald Kohlas fand den Weg als 15-Jähriger durch ein Inserat in der Fachzeitschrift «Vögel der Heimat», Vorgänger des «Ornis», auf die Ulmethöchi, in dem Küchenhilfen, Vogelbeobachter und -beringer gesucht wurden. Obwohl er noch nie einen Vogel beringt hatte, meldete er sich mutig als Beringer. «Als ich dann aber genau in dem Moment auf der Ulmethöchi ankam, als zwei ins Netz geflogene Grünspechte furchtbar krähten, fragte ich mich schon, auf was ich mich hier nur einlasse …», erzählt der heutige Jugend-Naturschutzgruppenleiter in Rüti. Zum Glück wurden alle gut geschult. Da es damals in unserer Region an freiwilligen, versierten Helfern fehlte, kamen lange Zeit auch weitere Zürcher und ebenfalls Helfer aus dem Kanton Aargau und Genf zur Ulmetaktion.
Bis die beiden Vogelinteressierten dann endlich zusammen eine Woche mit Beringen verbringen konnten, dauerte es noch seine Zeit. Geri Kohlas setzte sogar einig Jahre aus, da sich seine Gruppe auflöste. Wenn auch nicht in derselben Gruppe ehrenamtlich arbeitend, entstand zwischen den beiden Familien bald eine intensive Freundschaft, wobei sie sich auch unter dem Jahr treffen – auch weil im Zürcher Oberland immer wieder ein verletzter Greifvogel gefunden wurde, der so schnell wie möglich in die Pflegestation nach Buus gebracht werden musste, die Ueli Lanz von seinem Vater übernommen und bis Ende 2010 weitergeführt hatte.
Als sich dann die Gruppe von Ueli Lanz altershalber neu konstituierte, war der Zürcher Oberländer wieder dabei. In diesem Jahr zum 22. Mal. Mit dabei sind neben Gerald Kohlas Frau Silvia, die für das leibliche Wohl der Gruppe zuständig ist, auch die mittlerweile erwachsenen Kohlas-Kinder sowie Kurt Lanz, der Bruder von Ueli Lanz.
Stress vermeiden
Während der sechs Wochen Ulmetaktion ist wöchentlich eine Gruppe von zehn bis zwölf Personen im Einsatz. Drei davon zählen die Vögel, die über die Netze fliegen. Darunter auch Schwärme hoch oben am Himmel. Wichtig für die Beobachter ist neben dem Feldstecher das Gehör, damit man die Tiere aufgrund ihrer Rufe besser zuordnen kann.
Drei weitere Helfer befreien die in den Netzen gefangenen Tiere raschestmöglich und bringen sie in Stoffsäckchen unter, wodurch sie sich rasch beruhigen. Von ausgebildeten Fachleuten wird der Ring angebracht, werden die Tiere vermessen, gewogen, Art, Alter und wenn möglich Geschlecht bestimmt. Die gesammelten Daten gehen an die Vogelwarte Sempach zur weiteren Verarbeitung.
Rotkehlchen lassen das Unterfangen ruhig über sich ergehen. Blaumeisen oder Eichelhäher hingegen reagieren eher aggressiv. Ein «Hick» im Finger ist hier nicht ausgeschlossen. Ob beim Lösen aus dem Netz oder beim anschliessenden Beringen, erste Priorität hat immer das Wohl des Tiers. Die restlichen Helfer sind zur Ablösung. Ein Ulmettag dauert nämlich von Sonnenauf- bis -untergang und endet im Normalfall mit einer Nachtkontrolle der Netze. Bei sehr schlechtem Wetter werden die Netze über Nacht geschlossen.
Grosser Andrang
Heute sind es vor allem Freiwillige aus unserer Region, die sich für die Ulmetaktion melden. «Oft müssen wir sogar einige Personen aufs nächste Jahr vertrösten, so zahlreich sind die Anfragen», erklärt Lanz. Alle Teilnehmer werden zu Beginn instruiert, damit sie auch den «kompliziertesten» Vogel problemlos aus dem Netz befreien können. Dies sind Meisen, da sich diese gerne in die Netze eindrehen. Kommen die Beringer mit ihrer Arbeit nicht nach, werden die Netze kurzzeitig geschlossen. Dies bedeutet «freien Flug» für die dann über den Bergsattel fliegenden Vögel.
100. Vogelart beringt
bbu. Am Montagmorgen, dem 18. Oktober flog die insgesamt 100. Vogelart ins Netz. Und erst noch ein Grossvogel! Dabei handelte es sich um eine Sumpfohreule. Diese ist teilweise tagaktiv und hat im Gegensatz zur Waldohreule nur rudimentäre Federohren, was ihr den englischen Artnamen «Short Eared Owl» eingebracht hat. Mit der äusseren schwarzen Augenumrandung, der gelben Iris und dem auffälligen Gesichtsschleier wirkt ihr Gesichtsausdruck übernächtigt. Durch ihre Tarnfärbung und Musterung des Gefieders ist die meist bodenbrütende Art in ihren bevorzugten Lebensräumen (Feucht- und Marschgebiete) kaum zu entdecken. Allgemein gilt die Sumpfohreule als wenig ortsgebunden. In Nordeuropa beheimatete Populationen sind Zugvögel und legen Zugstrecken von mehreren Tausend Kilometern zurück.
Laut Nicolas Strebel, Mitarbeiter der Vogelwarte Sempach, ist es sehr erstaunlich, dass diese Art auf der Ulmethöchi ins Netz ging. Sie gilt in der Schweiz als sehr seltener Durchzügler und Wintergast. Die nächsten Brutvorkommen sind mehrere Hundert Kilometer von der Schweiz entfernt und laut Vogelwarte Sempach konnten in der Schweiz nach 1939 auch keine Bruten mehr nachgewiesen werden.
Quelle: Vogelwarte Sempach