«Er ist Richtung Ziegen spaziert»
25.11.2021 Baselbiet, Zeglingen, Landwirtschaft, Bezirk Sissach, Natur
Raja Breig
Am Montag bot sich dem Zeglinger Gemeindepräsidenten und Landwirt auf dem Hof Fluhberg, Fredi Rickenbacher, ein wundersames Spektakel: Er wurde Zeuge der Rückkehr des Wolfs ins Baselbiet, schaute dem Raubtier aus lediglich zehn Metern Entfernung in ...
Raja Breig
Am Montag bot sich dem Zeglinger Gemeindepräsidenten und Landwirt auf dem Hof Fluhberg, Fredi Rickenbacher, ein wundersames Spektakel: Er wurde Zeuge der Rückkehr des Wolfs ins Baselbiet, schaute dem Raubtier aus lediglich zehn Metern Entfernung in die Augen.
Rickenbacher und seine Frau waren gemütlich am Frühstücken, als ihnen um circa neun Uhr etwas Verdächtiges auffiel: Die Ziegen meckerten und das Bellen des Hundes klang ein wenig anders als normalerweise. Laut Frau Rickenbacher war es ein bekanntes Bellen: «So bellt er, wenn er das Gefühl hat, in Gefahr zu sein. Wenn Pferde vorbeikommen, klingt es ähnlich, vor denen fürchtet er sich nämlich auch.»
Als Reaktion auf das ungewöhnliche Bellen begab sich Fredi Rickenbacher augenblicklich zum Balkon, um die Lage abzuchecken. Von dort aus erspähte er ein Tier, das vom Wald her die Wiese hinaufspazierte und sich seinem Ziegengehege näherte. «Ich hielt das Tier im ersten Moment für den Hund, der im Dorf vermisst wird», so Rickenbacher. Es sei ihm allerdings schnell bewusst geworden, dass es sich bei der Kreatur mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht um ein Haustier handelte. Als in ihm die Vermutung aufkam, er könnte einen Wolf vor sich haben, hat er sofort zur Kamera gegriffen und das Tier abgelichtet.
Scheu und lieb
«Der Wolf ist ganz gemütlich in Richtung unserer beiden Ziegen spaziert», schildert Fredi Rickenbacher seine Begegnung mit dem Raubtier. «Ich hatte genügend Zeit, um mehrere Fotos zu schiessen.» Angst um die Ziegen habe er keine gehabt. Sie seien bereits in ihrem Häuschen verschwunden gewesen, als der Wolf in ihre Nähe kam. Rickenbacher habe bloss den Hund festgebunden, um einen Konflikt zwischen Wolf und Hund zu vermeiden.
Nichtsdestotrotz sei ihm bei der Begegnung ein wenig mulmig zumute gewesen, vor allem bei der Vorstellung, dass seine Enkelkinder in diesem Moment auf der Wiese hätten spielen können. «Im Nachhinein läuft es mir kalt den Rücken hinunter», so Rickenbacher. Ausserdem gibt er zu, froh zu sein, dass er auf dem Balkon in Sicherheit gewesen ist: «Wäre ich in der Einfahrt gestanden, hätte ich mir für die Fotos wohl nicht so viel Zeit genommen.»
Keine Massenpanik
Die Begegnung mit dem Wolf dauerte nur gut eine bis zwei Minuten, dann machte das Tier rechtsumkehrt und verzog sich in Richtung Wald oberhalb des Hofs, immer noch relativ gemütlich schlendernd. Fredi Rickenbacher vermutet, dass der bellende Hund sowie er selbst mit seiner Kamera den Wolf wohl eingeschüchtert hätten. «Er sah eher scheu und lieb aus», findet Rickenbacher. Der Wolf habe wohl selbst auch nicht damit gerechnet, dass er da auf einmal vor einem Haus steht. Einen hungrigen Eindruck habe er nicht gemacht.
Nach der ungewöhnlichen Begegnung ist Fredi Rickenbacher umgehend mit dem Zeglinger Wildhüter in Kontakt getreten und hat ihm seine Fotos geschickt. Dieser hat wiederum Gabriel Sutter von der Jagdverwaltung informiert, der bestätigen liess, dass es sich bei dem Tier tatsächlich um einen Wolf handelte. Der Herdenschutzbeauftragte des Kantons hat zudem eine Warn-E-Mail an alle Baselbieter Bäuerinnen und Bauern versandt, damit sie ihre Tiere schnellstmöglich in Sicherheit bringen.
Panik ist unter den Baselbieter Landwirtinnen und Landwirten angesichts der Wolfsichtung nicht ausgebrochen. «Das liegt auch daran, dass die Tiere im Winter alle drinnen sind», so Fredi Rickenbacher. Im Sommer sähe die Lage wohl ein bisschen anders aus. Er selbst sieht die Sache gelassen: «Man muss den Wolf im Auge behalten, aber solange er nur durch die Gegend spaziert, gibt es keinen Grund, ihn einfach abzuschiessen.» Seine eigenen Ziegen und Hühner seien jedenfalls alle in Sicherheit.