«Auch mit 65 Prozent noch bei den Leuten»
23.11.2021 Baselbiet, Nusshof, Finanzen, Gemeinden, Bezirk Sissach
Christian Horisberger
Die Situation Nusshofs erinnert stark an jene in Seltisberg vor einem Jahr: Auch dort war die Not gross, an einer erheblichen Steuererhöhung führte für den Gemeinderat nichts vorbei. Herr Wirz, haben Sie wirklich alle anderen ...
Christian Horisberger
Die Situation Nusshofs erinnert stark an jene in Seltisberg vor einem Jahr: Auch dort war die Not gross, an einer erheblichen Steuererhöhung führte für den Gemeinderat nichts vorbei. Herr Wirz, haben Sie wirklich alle anderen Möglichkeiten bereits ausgeschöpft?
Rolf Wirz: Die Steuererhöhung ist ein Teil der Strategie und der Massnahmen zur Gesundung der Finanzen von Nusshof. Wir haben auch Einsparungen vorgenommen, wobei der Spielraum dort sehr klein ist. Wir rechnen auch mit höheren Steuereinnahmen durch Neuzuzüger, denn aktuell entstehen einige zusätzliche Wohneinheiten. Weitere Massnahmen sind in Diskussion, aber noch nicht spruchreif.
Als Seltisberg vor einem Jahr den Steuerfuss um 7 Prozent anheben wollte, herrschte allseitiges Kopfschütteln. Zu 3 Prozent konnten sich die Stimmbürger durchringen. Weshalb sollte es dem Nusshöfer Gemeinderat besser gehen?
Nusshof ist nicht Seltisberg und umgekehrt. Wir werden ausführlich begründen, wie die Situation ist und wie wir versuchen, sie zu ändern. Auch mit 65 Prozent Steuerfuss wäre Nusshof immer noch bei den Leuten. Zudem zahlen wir Gemeinderäte selber ja auch mehr Steuern und finden das auch nicht lustig.
Was haben Sie mit der Ankündigung im Gemeindeblatt losgetreten? Wie sind die Reaktionen bisher ausgefallen?
Ich habe seit meinem Amtsantritt immer wieder sehr transparent über die prekäre Finanzlage informiert, weil bereits damals das Eigenkapital negativ war. Bisher habe ich keine negativen Reaktionen erhalten. Der Gemeinderat kann ja nichts dafür, dass die Ausgaben für das Gesundheitswesen oder für die Bildung stetig gestiegen sind. Was man auch sehen muss, ist, dass wir in Nusshof unbezahlbare Werte haben wie Ruhe, Aussicht, Natur, man ist schnell auf der Autobahn und die Sicherheitslage ist sehr hoch. Das sollte auch etwas wert sein.
Die grossen Kostentreiber sind und Gesundheit, beides kann die Gemeinde selber nicht beeinflussen. Stellt sich die Frage, ob die Steuererhöhung überhaupt nachhaltig wäre?
Ich bin überzeugt, dass wir es zusammen mit weiteren Massnahmen hinbekommen werden. Dann bin ich der Erste, der dann auch wieder eine Senkung des Steuersatzes beantragen wird.
2019 wollte der Nusshöfer Gemeinderat die Steuern bereits um 3 Prozent erhöhen – und scheiterte. Wie hatten Sie abgestimmt?
Ich war nicht an dieser Gemeindeversammlung. Man muss auch sagen, dass die Finanzlage heute noch einmal schlechter ist als damals. Aber es wäre schon sinnvoll gewesen, die Steuererhöhung zu beschliessen.
Geben Sie es zu: 8 Prozent zu beantragen ist Taktik. Sie wären mit 4 Prozent bereits zufrieden.
Nein, das bringt einfach zu wenig.
Sie begründen die Steuererhöhung unter anderem damit, dass der Kanton fordert, den Bilanzfehlbetrag von einer Viertelmillion Franken innert 5 Jahren auszugleichen. Was geschieht, wenn nicht?
Dann setzt der Kanton eine Steuererhöhung durch.
Haben Kleinstdörfer wie Nusshof überhaupt noch eine Zukunft als eigenständige Gemeinden?
Wir haben in Nusshof immer noch sehr gute Steuerzahlerinnen und -zahler. Wir haben die vierthöchste Steuerkraft pro Kopf im ganzen Bezirk Sissach. Darum erhalten wir vergleichsweise wenig Finanzausgleich. Das Problem ist einfach, dass im Moment unsere fixen Kosten höher sind als unsere Einnahmen. Eine Fusion wäre sicher eine Möglichkeit oder auch Kooperationen in verschiedenen Bereichen, ich bin da offen. Man muss einfach sehen, dass eine Fusion für ein kleines Dorf auch den Verlust von Identität und Autonomie bedeutet. Die Wege werden auch für die Einwohnerinnen und Einwohner nicht kürzer. Die Frage ist, was das einem wert ist.
Falls nichts an einer Fusion vorbeiführen sollte – mit wem würden Sie sich am liebsten zusammentun?
Ich kann mir da vieles vorstellen, wobei das geografisch sicher passen muss. Wintersingen oder Sissach – beides wäre vorstellbar.