«Zugang zur Impfung soll möglichst einfach sein»
08.10.2021 Baselbiet, Gesundheit, GesellschaftDr. Karl Birthistle vom Kantonsärztlichen Dienst im Gespräch
Der Kanton startet nach den Herbstferien im gesamten Kanton eine neue Impfstrategie. Neu wird per mobile Stationen direkt an den Schulen geimpft. Die Gründe für diese Entscheidungen erklärt Dr. Karl ...
Dr. Karl Birthistle vom Kantonsärztlichen Dienst im Gespräch
Der Kanton startet nach den Herbstferien im gesamten Kanton eine neue Impfstrategie. Neu wird per mobile Stationen direkt an den Schulen geimpft. Die Gründe für diese Entscheidungen erklärt Dr. Karl Birthistle, der beim Kantonsärztlichen Dienst Baselland arbeitet.
Lisa Zumbrunn
Herr Birthistle, auf Ende September hat das Baselbieter Amt für Gesundheit eine Covid-19-Impfempfehlung für Jugendliche ab 12 Jahren kommuniziert. Zudem ist nach den Herbstferien eine Impfung vor Ort an den Schulen geplant. Warum dieser Entscheid?
Karl Birthistle: Seit Ende Juni ist die Impfung auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren möglich. Nun wurde diese Empfehlung ausgeweitet. Da inzwischen weltweit mehrere Millionen Kinder und Jugendliche geimpft wurden, können Nutzen und Risiko der Impfung für diese Altersgruppe neu beurteilt werden. Nach sorgfältiger Untersuchung dieser neuen wissenschaftlichen Beobachtungen und Daten wurde eingeschätzt, dass die Vorteile der Impfung gegenüber dem Risiko von sehr seltenen Impfnebenwirkungen überwiegen. Darum empfehlen wir die Impfung nun allen Kindern und Jugendlichen ab 12 Jahren.
Warum reicht es nicht, die Impfung in den kantonalen Zentren und in Arztpraxen anzubieten? Eine Person, die sich impfen lassen will, hat doch jetzt schon viele Möglichkeiten, sich impfen zu lassen.
Wir bieten eine geografische und zeitliche Auswahl an, um Menschen den Zugang zur Impfung möglichst einfach zu machen. Es ist auch niederschwellig, weil man sich nicht anmelden muss und die Impfung vor Ort stattfindet. Wichtig ist, dass das Angebot freiwillig ist und es im Entscheid jedes Einzelnen liegt, ob er oder sie sich impfen lassen möchte. Ein Impfentscheid ist daher sorgfältig abzuwägen. Jugendlichen und Eltern, die unsicher sind, ob sie sich beziehungsweise ihr Kind impfen lassen sollen, empfehlen wir, sich von ihrer Ärztin, ihrem Arzt beraten zu lassen.
Sind mobile Impfangebote also erfolgreich?
Am meisten Leute lassen sich immer noch im Impfzentrum in Muttenz impfen. Dort sind auch die grössten Kapazitäten. Unser Motto ist aber: «Jede Impfung zählt», egal, wo sie verabreicht wurde. Das Programm der mobilen Teams erachten wir als sehr erfolgreich, da es ein zusätzliches, niederschwelliges Angebot für Personen darstellt, die nicht in ein Impfzentrum, in eine Apotheke oder in eine Arztpraxis gehen möchten.
Warum empfiehlt sich eine Impfung für Jugendliche?
Laut BAG wird Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren die Impfung empfohlen, um sich gegen häufig milde und sehr selten schwere Covid-19-Erkrankungen zu schützen. Ausserdem können dadurch negative soziale und psychische Auswirkungen sowie die Folgen häufiger Exposition in der Schule oder Freizeit vermieden werden.
Für bis 16-Jährige ist die Einwilligung der Eltern erforderlich. Danach können die Jugendlichen frei entscheiden. Warum hat sich der Kanton für diese Altersgrenze entschieden?
Über 16-Jährige können der Impfung zustimmen. Nicht urteilsfähige Jugendliche benötigen das Einverständnis der Erziehungsberechtigten, bevor sie geimpft werden dürfen. Vor der Impfung ist der mutmassliche Wille der nicht urteilsfähigen Person herauszufinden.
Wie sehen Sie die generelle Impflage im Kanton? Sind Sie zufrieden mit den Zahlen?
Wir sind recht zufrieden mit den Zahlen. Trotzdem hoffen wir, dass noch mehr Personen den Sinn der Impfung erkennen und für sich eine persönliche Risikoabwägung vornehmen. Sie ist, zusammen mit den Hygiene- und Verhaltensregeln, zurzeit die beste Strategie zur Eindämmung des Coronavirus. Aktuelle Daten weisen darauf hin, dass die Übertragung des Coronavirus auf andere Menschen nach vollständiger Impfung reduziert ist. Aber: Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Der Entscheid, sich impfen zu lassen, soll freiwillig bleiben.
Plant das Amt für Gesundheit weitere Aktionen, welche die Impfungen vorantreiben sollen?
Wir sind mit mobilen Impfteams demnächst in Gemeinden vor Ort, wo man sich dann unkompliziert ohne Anmeldung impfen lassen kann. So hatten wir zum Beispiel Mitte September am Markt in Therwil einen Informationsstand zur Impfung. Wir haben das auch in Pratteln angeboten. Unter anderem haben wir dort auch mit dem Türkisch-Islamischen Sozial- und Kulturverein beider Basel zusammengearbeitet.
Warum entschieden Sie sich in diesem Fall für die Zusammenarbeit mit einem privaten Verein?
Es ging darum, auf direktem Weg die fremdsprachige, ausländische Bevölkerung mit den Informationen zu erreichen. Der Verein war auch bei den Übersetzungen behilflich.
Zur Person
zli. Dr. Karl Birthistle arbeitet beim Kantonsärztlichen Dienst in der Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion und ist für den Fachdienst Medizin zuständig. Der Arzt ist spezialisiert auf Klinische Virologie. In Zentrum seiner 30-jährigen Karriere standen die Bereiche Impfstoffe und Virologie.