Vom Bähnler zum bedeutenden Heimatforscher
17.09.2021 Baselbiet, GelterkindenZum 100. Geburtstag von Fritz Klaus (1921–1984)
Zu den um 1950 aktiv gewordenen Baselbieter Regionalhistorikern gehörte der in Gelterkinden aufgewachsene Fritz Klaus. Zu seinen wichtigsten Beiträgen zählten eine Heimatkunde für die Schule und eine grossartige Quellenedition. Er wäre ...
Zum 100. Geburtstag von Fritz Klaus (1921–1984)
Zu den um 1950 aktiv gewordenen Baselbieter Regionalhistorikern gehörte der in Gelterkinden aufgewachsene Fritz Klaus. Zu seinen wichtigsten Beiträgen zählten eine Heimatkunde für die Schule und eine grossartige Quellenedition. Er wäre morgen Samstag 100 Jahre alt geworden.
Dominik Wunderlin
Wie oft schon war der Sohn beruflich in die Fussstapfen des Vaters getreten, und doch kam es dann letztlich anders. Auch bei Fritz Klaus hat schliesslich das Herz entschieden, wenn auch die Eltern dafür zunächst wenig Verständnis zeigten.
Zur Welt gekommen war Fritz Johannes Klaus als Bürger von Itingen am 18. September 1921 in Frenkendorf. Dort hatte der Vater am Schalter der Bahnstation gestanden. Aber bereits im nachfolgenden Jahr zog man weiter, an die Rebgasse in Gelterkinden, unweit des Bahnhofs, wo ein Haus mit grossem Garten feil gewesen war. Der Kaufentscheid stand direkt in Zusammenhang mit dem Entschluss des Vaters, bewusst auf dienstliche Beförderungen zu verzichten, um die schliesslich fünf Kinder zählende Familie vor dem ständigen Domizilwechsel zu verschonen.
Am eigenen Leib erlebte dies dann aber Fritz Klaus, der sich zur grossen Freude seiner Eltern 1941 entschloss, eine Stationslehre bei den SBB anzutreten und zwei Jahre später mit dem Wahlfähigkeitszeugnis auch abzuschliessen: In dieser Zeit wurde der Stationslehrling auf nicht weniger als acht Stationen und Bahnhöfen eingesetzt. Mit der 1943 erfolgten Beförderung zum Beamten standen dem jungen Bähnler die Türen nun weit offen.
Grosses Interesse an Geschichte
Doch bevor Fritz Klaus die Lehre bei den SBB angefangen hatte, war er auf einem ganz anderen Pfad unterwegs: Auf Rat eines Nachbarknaben ging er nämlich in die legendäre Bezirksschule Böckten und büffelte dort auch Latein. Darauf besuchte er das Basler Realgymnasium, das er 1941 mit dem Maturzeugnis verliess.
Schon in der Zeit als Gymnasiast hatte er erkannt, dass die von seinem Vater mit Begeisterung erzählten Ereignisse früherer Zeiten sein grosses Interesse und seine Neugier an Geschichte und Heimatliebe angefacht hatten. So war es kein Zufall, dass der Mittelschüler bald selbst mit kritischem Geiste zu forschen begann und bereits mit gut 17 Jahren in der «Volksstimme» erste kurze Abhandlungen zur Lokal- und Regionalgeschichte veröffentlichen konnte, so zur Posamenterei, zum Marktwesen und zu den alten Gelterkinder Strassenbrücken.
Der weitere Weg, nämlich die Aufnahme eines Universitätsstudiums, wäre nach der Matur logisch gewesen, doch wirtschaftliche Gründe bewogen ihn, zunächst zur Bahn zu gehen und erst 1944 – dann zur Enttäuschung seiner Eltern – die Weiche doch noch umzustellen und an der Universität Basel ein Studium der Geschichte, Deutsch und Französisch aufzunehmen. Zum Verbessern seiner Französisch-Kenntnisse kehrte er zwar kurz nach Kriegsende nochmals kurz in den Dienst der SBB zurück: Er arbeitete während dreier Monate auf dem damals grossen Bahnhof von Porrentruy. Dort wurde er am 1. August 1945 Zeuge des ersten Zuges, der von Frankreich her in die Schweiz einfuhr. Selbstverständlich wurde dieses historische Ereignis rasch Gegenstand eines Zeitungsartikels!
Drei Jahre später hatte Fritz Klaus dann erstmals die Möglichkeit, eine kleine Forschungsarbeit in einem Buch gedruckt zu sehen: Seine beim bedeutenden Geschichtsprofessor Edgar Bonjour geschriebene Seminararbeit «Baselland und die Bundesverfassung von 1848» fand in gekürzter Fassung Aufnahme in Band IV (1948) des «Baselbieter Heimatbuchs». Gründer und Hauptredaktor dieses noch immer periodisch erscheinenden Sammelwerks war der Historiker und Heimatforscher Paul Suter, mit dem ihn fortan eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte und ihm den entscheidenden Schritt in den damals noch überschaubaren Kreis akademisch gebildeter Baselbieter Historiker und Landeskundler ermöglichte.
Um 1950 und noch lange danach verdienten praktisch alle, die sich mit Lokal- und Kulturgeschichte befassten, ihr Brot als Pädagogen. Erwähnt seien in kleiner Auswahl Eduard Strübin, Ernst Martin, Hans Buser, Fritz Grieder, Gustav Müller, René Salathé, Peter Suter und Paul Suter. Und dazu trat nun auch Fritz Klaus, der mit dem Erwerb des Lehrerdiploms 1949 eine Stelle an der Knabenrealschule «auf Burg» in Liestal antrat und sich dort dann auch bis 1979 vor allem am Progymnasium als hervorragender Lehrer zeigte. Daneben war er über viele Jahre auch Fachexperte an den Realschulen von Gelterkinden, Oberdorf und Pratteln.
Kurz nach Stellenantritt wurde Fritz Klaus in Liestal auch wohnhaft. Im Burgquartier baute er ein Haus mit grossem Garten, der ein gutes Stück weit auch der Selbstversorgung diente. Mit Rosmarie Hofer gründete er 1949 auch eine Familie, der nach und nach sechs Kinder entsprangen. Das jüngste starb allerdings bereits früh. Dass alle Kinder später einen Sozialberuf erlernten, war für die Eltern eine grosse Freude.
Dass Frau und Kinder ihn oft nur von hinten sahen, bedauerte er später ausdrücklich. Aber der Wunsch und das Bedürfnis, zusätzlich zur Arbeit an der Schule immer wieder auch historische Arbeiten zu schreiben und Material für den Unterricht zu liefern, konnte er nicht unterdrücken.
Vieles schrieb er im Auftrag. So recherchierte er für Erich Gruners «Die Schweizerische Bundesversammlung 1848–1919» die 17 Biografien der Baselbieter Stände- und Nationalräte, und es entstanden kleine, aber fundierte geschichtliche Beiträge für gedruckte Handreichungen von Kanton, Gemeinden und touristischen Organisationen. In den 1960er-Jahren hörte man ihn öfters auch in Schulfunksendungen und ab 1966 in den ersten «Lokalsendungen» auf UKW. Im Vorfeld der Wiedervereinigungsabstimmung von 1969 vertrat er unmissverständlich das Anliegen, das Bewusstsein für die Baselbieter Geschichte auch am Radio zu fördern.
Obwohl ihm die Zeit am Mikrofon wichtig gewesen war, das geschriebene Wort hatte für ihn letztlich doch den grösseren Stellenwert. So betreute er Projekte wie die Heimatkunden von Liestal und von Ziefen. Ausserdem verfasste er weitere Beiträge für das «Baselbieter Heimatbuch» und trat als Aktuar der «Gesellschaft für Baselbieter Heimatforschung» (heute «Gesellschaft für Regionalforschung Baselland») regelmässig in den «Baselbieter Heimatblättern» in Erscheinung.
Grosse Beachtung fanden die Bildbände «Baselland zwischen Strom und Berg» und «Basel-Landschaft: Porträt eines jungen Kantons», hier mit den Fotos des Herausgebers Ludwig Bernauer. Nimmt man diese Werke heute in die Hand, so wird rasch deutlich, dass hier ein Mann am Werk gewesen war, der zwar seine Heimat stark liebt, aber nie überschwänglich wird und sein Wissen in schnörkelloser Sprache vermittelt.
Das Titanenwerk
Sein guter Stil wurde gleichermassen erkennbar im Lese- und Arbeitsbuch «Unser Kanton», das unter seiner Federführung auf das 150-Jahre-Kantonsjubiläum als Lehrmittel für den Heimatkunde-Unterricht herausgegeben wurde. Hier zeigte sich der Heimatkundler von der besten Seite, der sich dann aber noch mit dem im gleichen Jahr 1982 erschienenen ersten Band mit sorgfältig ausgewählten Quellen zur Kantonsgeschichte übertreffen sollte. Damit gelang Fritz Klaus, ein exakt zwanzig Jahre zuvor formuliertes Manko zu beheben: Er hatte nämlich 1962 in den «Basellandschaftlichen Schulnachrichten» festgestellt, dass der «Unterricht in der Geschichte unserer engeren Heimat so mühsam und unergiebig» sei, weil eine Quellensammlung fehlte.
Als sich dann im Vorfeld des Kantonsjubiläums die Frage stellte, ob man die zweibändige «Viermännergeschichte» von 1932 nochmals auflegen sollte, entschied sich die Regierung glücklicherweise, auf ein Postulat vom damaligen Landrat Dr. Roger Blum einzutreten. Er hatte die Herausgabe einer Quellensammlung angeregt. Bald fand sich in der Person von Fritz Klaus auch ein Bearbeiter, der dafür mit Arbeitsbeginn 1979 vom Schuldienst freigestellt wurde. Nachdem Klaus sich für ein Konzept entschieden hatte, wo in mehr oder weniger langen Kapiteln in sinnvoller Ordnung sorgfältig ausgewählte Quellen vorgestellt werden sollten, begann er mit den Recherchen.
In der Folge sah man ihn dann fast täglich und wochenlang, ja monatelang im Lesesaal des Staatsarchivs sitzen. Es müssen geradezu Tonnen von Papier in Form von Zeitungsbänden, amtlichen Schriften, Protokollen und so weiter gewesen sein, die er für die geplante Publikation auf Eignung geprüft hatte, und immer war er auf der Suche, möglichst das aussagekräftigste Dokument für die Quellenbände vorzusehen.
Selbstverständlich konnte eine solche Titanenarbeit nur jemand leisten, der mit der Geschichte des Kantons bereits durch und durch vertraut ist, der aber auch weiss, was neben der hohen Politik auch noch prägend ist, wie etwa der Wandel in der Arbeitswelt, in der Technik, beim Verkehr, in der Freizeitgestaltung und so weiter.
Baselbieter Kulturpreisträger
Rechtzeitig auf das Kantonsjubiläum lag der erste Band vor und in Jahresschritten sollten dann die weiteren vier geplanten Bände erscheinen. Doch es sollte anders kommen: Der am 5. April 1984 im Schloss Ebenrain mit dem Basellandschaftlichen Kulturpreis geehrte Fritz Klaus verstarb am nachfolgenden 24. September an einem heimtückischen Leiden, das ihn schon längere Zeit verfolgt hatte. Aber bis wenige Tage vor seinem Tod arbeitete er an der Fertigstellung von Band 3, und er war auch schon eifrig an der Sichtung von Quellen für Band 4. Glücklicherweise blieb die Quellenedition kein Torso: Die Drucklegung von Band 3 besorgten seine alten Freunde Paul Suter und Edi Strübin, die Bände 4 und 5 wurden von Ruedi Epple im Sinne von Klaus erarbeitet und erschienen 1993 und 1998, gefolgt von einem hilfreichen Register.
Aus heutiger Sicht geniessen die Beiträge von Fritz Klaus zur Baselbieter Geschichts- und Heimatforschung weiterhin eine hohe Wertschätzung. Seine grösste Forschungsleistung ist zweifellos sein letztes Werk, die Quellenedition. Sie ist eine grossartige Schatzkiste, die nicht bloss viele Informationen zur Kantonsgeschichte liefert, sondern auch den Vorteil bietet, «die damaligen Menschen selbst zu Wort kommen» zu lassen und «einen unmittelbaren Einblick in das vielfältige Leben unserer Vorfahren» zu vermitteln. Fritz Klaus lieferte durchwegs O-Ton (oft aus der damaligen Tagespresse) und verzichtete auf Wertungen und Interpretationen – diese überlässt er den Leserinnen und Lesern. Auch dafür dürfen wir Fritz Klaus nicht nur im Jahr seines 100. Geburtstags, sondern mit Sicherheit noch weit in die Zukunft dankbar sein.
Der Verfasser dieses Beitrags begegnete Fritz Klaus u. a. in der Eigenschaft als bedeutend jüngerem Fachkollegen und damaligem Mitarbeiter der «Volksstimme»; er interviewte ihn vor der Kulturpreisverleihung und berichtete über den Festakt. Eine ausführlichere Würdigung mit Bibliografie findet sich im soeben erschienenen September-Heft 3 der «Baselbieter Heimatblätter».
Fritz Klaus-Hofer
Geboren am 18. September 1921 in Frenkendorf, gestorben am 24. September 1984 in Liestal. Bürger von Itingen.
1940–1943 Stationslehre bei den SBB, Abschluss mit Wahlfähigkeitsprüfung und Beförderung zum Stationsbeamten.
1944–1949 Studium an der Universität Basel (Geschichte, Deutsch, Französisch), Abschluss mit Lehrerdiplom.
1949–1979 Real-/Progymnasiallehrer im Burgschulhaus Liestal.
Ab 1979 Vom Regierungsrat beurlaubt zur Bearbeitung der kantonalen Heimatkunde und der Quellenedition.
Werke (Auswahl)
1959 Baselland zwischen Strom und Berg
1964 Chumm ins Baselbiet, ein illustrierter Führer
1970 Heimatkunde von Liestal
1982 Unser Kanton – ein heimatkundliches Lese- und Arbeitsbuch
1982 Basel-Landschaft: Porträt eines jungen Kantons
1982 ff. Basel-Landschaft in historischen Dokumenten (Bd. 1–3)