«Viele Gäste fühlen sich sicherer»
14.09.2021 Baselbiet, Gesundheit, KulturKulturchefin rät ab, Veranstaltungen wegen Zertifikat zu stornieren
Die Obere Fabrik hält an ihrem Programm fest. Gut so, findet Esther Roth, Leiterin von «kulturelles.bl». Wenn Veranstalter ihre Anlässe wegen der Zertifikatspflicht absagen, würden sie den Kunstschaffenden schaden – ...
Kulturchefin rät ab, Veranstaltungen wegen Zertifikat zu stornieren
Die Obere Fabrik hält an ihrem Programm fest. Gut so, findet Esther Roth, Leiterin von «kulturelles.bl». Wenn Veranstalter ihre Anlässe wegen der Zertifikatspflicht absagen, würden sie den Kunstschaffenden schaden – ebenso sich selber.
Sebastian Schanzer
Die Obere Fabrik in Sissach hält an ihrem Programm fest. Geplante öffentliche Veranstaltungen sollen nicht gestrichen werden. Das hat der Vorstand des Vereins «SissachLive» am vergangenen Freitag beschlossen. Im Vorfeld hatte Andrea Saladin, Vorstandsmitglied und Verantwortliche für das künstlerische Programm, gegenüber der «Volksstimme» Bedenken geäussert: Mit der Zertifikatspflicht drohe ein bedeutender Rückgang der Einnahmen, weil sich viele Gäste nicht impfen oder testen lassen wollten und den Veranstaltungen folglich fernbleiben würden. Sogar ein bereits engagierter Künstler gab bekannt, unter den derzeitigen Auflagen nicht auftreten zu wollen. Saladin befürchtete gar einen Imageverlust der Institution unter dem impf- und massnahmenskeptischen Teil der Kundschaft, sollte der Betrieb mit der Zertifikatspflicht wie geplant weitergeführt werden.
Der Vorstand habe nun in Absprache mit den Kulturschaffenden beschlossen, am Programm festzuhalten, so Saladin auf Anfrage. Dennoch könne es aus unterschiedlichen Gründen zu Absagen kommen. Das Publikum solle sich jeweils auf der Website von «SissachLive» über das aktuelle Programm informieren.
«Falsch verstandene Solidarität»
Bei vielen Kulturfans sowie Kulturschaffenden dürfte dieser Beschluss für Aufatmen sorgen. In einem Leserbrief (siehe Seite 6) stellt Georg Zerwann, Sänger und Pianist der Rothenflüher «Simply Blues Gang» fest: «Die Menschen wollen wieder Live-Musik hören, ins Kino und Theater gehen und all das erleben, was lange nicht möglich war.» Und weiter: «Sollten die Befürworter der 3G-Regelung aus falsch verstandener Solidarität zur anderen Fraktion auf die endlich wieder möglichen Veranstaltungen verzichten? Wo bleibt da das Verständnis der Impfgegner für den mindestens ebenso grossen anderen Teil der Bevölkerung?»
Auch Esther Roth, Leiterin von «kulturelles. bl», der kantonalen Stelle zur Förderung von Kultur, empfiehlt Veranstaltern, nun ihre Anlässe durchzuführen. «Künstlerinnen und Künstler leben von den Auftritten. Ihnen ist nicht gedient, wenn ihnen diese Möglichkeit genommen wird.» Komme hinzu, dass der Kanton Baselland noch mindestens bis Ende Jahr Ausfallentschädigungen an Kulturunternehmen und an Kulturschaffende in der Höhe von 80 Prozent der entstandenen Schäden für verschobene und in reduziertem Umfang durchgeführte Veranstaltungen leiste. «Wenn Veranstaltungen jedoch aufgrund der Zertifikatspflicht abgesagt werden, besteht kein Anrecht auf Ausfallentschädigung, da es kein Veranstaltungsverbot mehr gibt.»
Entsprechend seien ihr aktuell auch keine Veranstalterinnen und Veranstalter bekannt, die aufgrund der Zertifikatspflicht ganz auf Anlässe verzichten würden. Im Gegenteil: «Die Kulturszene kommt wieder in Schwung. Es herrscht durchaus eine Aufbruchstimmung», so Roth.
Beim Publikum sei gleichwohl eine gewisse Verunsicherung festzustellen. Nach verschiedenen aufeinanderfolgenden Entscheiden durch den Bundesrat müsse dieses wieder einen Umgang mit der veränderten Situation finden. Roth: «Es ist daher nicht eindeutig, ob die Zertifikatspflicht zu Einbussen gegenüber den letzten Wochen führt oder ob es die Tatsache ist, dass das Publikum nicht genau weiss, welche Veranstaltung nun wie durchgeführt wird.» Grundsätzlich führe eine schlechte Planungssicherheit aber zu weniger Publikum und weniger Ticketverkäufen. «Viele Besucherinnen und Besucher werden sich nun aber sicherer fühlen und vielleicht erst recht zu Veranstaltungen gehen.»