«Für einen Park brauchen wir die Hoheit»
03.09.2021 Baselbiet, Tenniken, Bezirk SissachDer Gemeinderat erläutert seine «Chilchacher»-Strategie vor kritischem Publikum
Die von der Stiftung Kirchengut beantragte Überführung des «Chilchachers» in eine Wohnzone sei chancenlos und der verlangte Preis von knapp 5 Millionen für den Kauf des Grundstücks völlig überrissen. ...
Der Gemeinderat erläutert seine «Chilchacher»-Strategie vor kritischem Publikum
Die von der Stiftung Kirchengut beantragte Überführung des «Chilchachers» in eine Wohnzone sei chancenlos und der verlangte Preis von knapp 5 Millionen für den Kauf des Grundstücks völlig überrissen. Zu diesem Schluss kommt ein Jurist, der am Infoabend vom Mittwoch der Tenniker Bevölkerung Rede und Antwort stand.
Sebastian Schanzer
Für den Basler Anwalt Heinrich Überwasser ist der Vorschlag des Gemeinderats, den «Chilchacher» in der Zone für öffentliche Werke und Anlagen (ÖWA) zu belassen, mutlos. Er ist von der Fondation Franz Weber beauftragt, gemeinsam mit dem «Komitee Chilchacher» dafür zu sorgen, dass die Pfarrmatte grün bleibt und ermunterte den Gemeinderat in einer Art Schlussplädoyer, dem Stimmvolk eine zweite Variante inklusive Auszonung vorzulegen. An diesem Infoabend der Gemeinde Tenniken zur Zukunft des «Chilchachers» befand sich am Mittwoch aber noch ein zweiter Fachmann – der auf Um-, Rück- und Abzonungen spezialisierte Jurist Jacques Butz aus Allschwil. Er berät den Gemeinderat in der Sache und lieferte Argumente, warum die Strategie des Gemeinderats durchaus klug sei.
Zur Erinnerung: Der Tenniker Gemeinderat hat Mitte August seinen Entwurf zur Erneuerung des Zonenplans zur Mitwirkung aufgelegt. Anders als vom Gemeinderat ursprünglich geplant, soll über die Wiese keine Zone mit Quartierplanpflicht gelegt werden. Der Widerstand aus der Bevölkerung habe diese Pläne verhindert. Vielmehr will der Gemeinderat an der bestehenden ÖWA-Zone festhalten. Lediglich die Zweckbestimmung soll sich ändern: statt «Reserve und Friedhof», soll neu «kirchliche Einrichtungen» und «Alterswohnungen» im Zonenplan stehen.
Was sind die Gedanken dahinter? Gemeindepräsidentin Sandra Bätscher nahm gemeinsam mit der Vertreterin des beauftragten Planungsbüros und dem beigezogenen Juristen ausführlich Stellung zu den Fragen der rund 40 Anwesenden. Die von der Stiftung Kirchengut beantragte Umzonung in eine Wohnzone hatte der Gemeinderat grundsätzlich ausgeschlossen. Dieses Begehren sei praktisch chancenlos, führte der Jurist Butz aus. Die Gemeinde verfüge noch über rund 3 Hektaren unbebautes Bauland. «Niemals würde der Regierungsrat unter diesen Umständen eine Einzonung von weiterem Bauland genehmigen», sagte er.
Gemeinderat scheut das Risiko
Eine Mutation in die Landwirtschaftsoder Grünzone, wie es das «Komitee Chilchacher» bisher forderte, berge hingegen die Gefahr, dass die Gemeinde die Besitzerin entschädigen müsse. Und Butz lieferte Zahlen: «Wir gehen von einem Preis von 50, maximal 80 Franken pro Quadratmeter aus.» Der Preis, den die Stiftung Kirchengut berechnet hat, sei «utopisch», weil die Möglichkeiten der Überbauung bereits jetzt durch den geltenden Zonenplan stark eingeschränkt seien. Wahrscheinlicher sei ohnehin, dass eine Entschädigung trotz Rückzonung entfalle, weil der Verbleib des «Chilchachers» in der ÖWA-Zone vor Gericht wohl als nicht mehr konform mit dem Raumplanungsgesetz angesehen würde. «Dennoch: Ob die Richter bei einer allfälligen Verhandlung ebenfalls zu diesem Schluss kommen, kann ich nicht garantieren», so der Allschwiler Jurist.
Der Gemeinderat hatte beschlossen, kein Risiko einzugehen, nicht zuletzt, weil das Land bei einer Rückzonung immer noch im Besitz der Stiftung bleiben würde. «Nur weil das Land ausgezont ist, heisst das noch lange nicht, dass wir dort Schrebergärten oder einen Park verwirklichen können», führte Bätscher aus. Dafür brauche man die Hoheit über das Land. «Wenn wir hingegen die ÖWA-Zone beibehalten, droht keine Entschädigungspflicht und eine Überbauung wäre mit der neuen Zweckbestimmung dennoch höchst unwahrscheinlich.» So bleibe das Land grün und künftige Generationen könnten die Situation bei der nächsten Zonenplanrevision in 25 Jahren neu beurteilen. «Und vielleicht passt die Stiftung den Kaufpreis von 5 Millionen Franken für das Grundstück ja doch noch an, wenn sie merkt, dass eine gewinnbringende Überbauung des ‹Chilchachers› so nicht möglich ist», so Bätscher.
Aufruf zur Beteiligung
Von einzelnen Votanten wurden in der Folge die vom Gemeinderat vorgeschlagenen Zweckbestimmungen «Alterswohnungen» und «kirchliche Einrichtungen» kritisiert. Zu Wort gemeldet haben sich vor allem die gleichmässig im Raum verteilten Mitglieder des «Komitee Chilchachers», Kaspar und Georg Geiger sowie Franziska Buonfrate, die Kirchenpflegepräsidentin. Der im Entwurf eingetragene Zweck würde es der Stiftung ja doch erlauben, Alterswohnungen bauen zu lassen, stellte ein Votant fest. «Und was sollen kirchliche Einrichtungen überhaupt sein? Will die Kirche ein neues Pfarrhaus bauen?» Gelächter.
Bätscher geriet in die Defensive: «Es ist ein Vorschlag, den wir vielleicht noch einmal überdenken müssen.» Umso wichtiger sei es, dass sich die Bevölkerung im Rahmen der Mitwirkung mit eigenen Vorschlägen einbringe. Allerdings, räumte der Jurist Butz ein, könne auch eine zu einschränkende Zweckbstimmung zu einer Entschädigungspflicht führen.
Zu kritischen Voten führte wie bereits am ersten Informationsabend vom Dienstag (siehe Bericht unten) auch das Vorgehen des Gemeinderats, die Frage nach der Zukunft des «Chilchachers» separat von der gesammten Revision des Zonenplans zu behandeln. Beides sei unzertrennlich miteinander verbunden, monierte Kaspar Geiger. Dominique Steiner vom beauftragten Planungsbüro konterte: Viele Menschen im Dorf erhielten wegen der Übergangsbestimmungen während der laufenden Planung keine Bewilligung für Bauvorhaben. «Nicht einmal für ein kleines Dachfenster.» Würde der Zonenplan wegen des «Chilchachers» abgelehnt, würde sich dieser Zustand um Jahre verlängern. «Das ist unhaltbar. Es sollen nicht alle bestraft werden wegen einer ‹kleinen umstrittenen Wiese›, so Steiner. Ein empörtes Raunen ging durch die Turnhalle. «Der ‹Chilchacher›, eine kleine Wiese?»