Waschbären unter uns
07.04.2021 Böckten, Sissach, NaturDavid Thommen
Es war am 19. Februar um 2.45 Uhr, als sich die an einem Baum befestigte, infrarotgesteuerte Nachtsichtkamera im Garten eines Hauses in Böckten einschaltete: Gefilmt wurde auf dem Grundstück nahe der Ergolz ein Waschbär. Das putzige Tier ist zu ...
David Thommen
Es war am 19. Februar um 2.45 Uhr, als sich die an einem Baum befestigte, infrarotgesteuerte Nachtsichtkamera im Garten eines Hauses in Böckten einschaltete: Gefilmt wurde auf dem Grundstück nahe der Ergolz ein Waschbär. Das putzige Tier ist zu sehen, wie es mit der Schnauze dicht über dem Boden über den Rasen trottet. https://youtu.be/QTzU3q5Fg6E\"">https://youtu.be/QTzU3q5Fg6E\" id=\"watch-url\" target=\"_blank\">https://youtu.be/QTzU3q5Fg6E
Den Weg zu besagtem Baum habe der schwarzmaskierte Räuber wohl eingeschlagen, weil er es auf das Vogelfutter auf dem Baum abgesehen hatte, vermutet die Kamerabesitzerin. Gerechnet hat sie nicht mit diesem Gast – es war ein Zufallstreffer. Die Nachtsichtkamera installierte sie lediglich aus «Gwunder». Sie wollte wissen, welche tierischen Besucher sich bei Dunkelheit in ihrem Garten herumtreiben. Immerhin habe sie überraschenderweise auch schon Gämsen in der Nähe beobachtet.
Vermehrt Sichtungen
Offenbar regelmässig kann zudem ein Waschbär im nahen Sissach beobachtet werden. Dort ist er jeweils mitten im Siedlungsgebiet in der Nähe der Unteren Fabrik auf Beutezug.
Waschbären im Baselbiet? Der Baselbieter Jagdverwalter Holger Stockhaus zeigt sich gegenüber der «Volksstimme» nur halbwegs überrascht über die Beobachtungen: «Waschbärensichtungen haben bei uns in den vergangenen zwei Jahren zugenommen.» Bereits früher – in den frühen Nullerjahren – wurden hier einzelne Waschbären beobachtet, doch danach herrschte für lange Zeit Ruhe.
Stockhaus ist alles andere als erfreut: «Kann sich der Waschbär hier etablieren, wird das sehr negative Auswirkungen auf die heimische Fauna haben», sagt er. Auf dem Speiseplan des ausgewachsen fünf bis zehn Kilogramm schweren Kleinbären stehen nicht zuletzt Amphibien oder Reptilien, auch den Vögeln setzt er zu, denn er räumt bevorzugt Nester aus: «Wo es Waschbären hat, können seine Beutetiere lokal ausgerottet werden.» Zudem sei der Eindringling ein Nahrungskonkurrent zu den heimischen Kleinraubtieren wie Marder oder Wiesel, sagt Stockhaus. Natürliche Feinde hat der Waschbär hierzulande nicht. Bei Gefahr ist er rasch auf einem Baum – überdies ist er wehrhaft.
Und dringe der Kleinbär ins Siedlungsgebiet ein, werde er auch für die Menschen zur Plage: «Er ist wenig scheu, plündert Abfallsäcke und räumt in den Dachstöcken bevorzugt die Dämmung aus.» Gerne soll er Katzentürchen nutzen, um in Häuser einzudringen. Spätestens wenn man einen im Haus habe, sei man wahrscheinlich kein grosser Waschbärenfreund mehr, sagt Stockhaus.
Problem in Deutschland
Dass sich der ursprünglich in Amerika heimische Waschbär dank hoher Reproduktionsrate seit Jahrzehnten in Deutschland ausbreitet, ist bekannt. Dort wurden schon 1935 die ersten Exemplare für die Pelzzucht importiert, worauf einzelnen Tieren die Flucht gelang. Andere wurden während der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg vermutlich absichtlich ausgewildert. Möglicherweise finde die Einwanderung in die Nordwestschweiz nun aus Richtung Deutschland statt, sagt Stockhaus. Geklärt ist dies jedoch nicht. Denn Sichtungen gebe es aus allen Schweizer Landesteilen mit Ausnahme des Tessins.
Tatsache ist allerdings, dass Deutschland mittlerweile ein grösseres Waschbärenproblem hat. Stockhaus veranschaulicht dies anhand der Jagdstatistik des nördlichen Nachbarlandes: Vor zehn Jahren wurden noch rund 50 000 Exemplare abgeschossen, im vergangenen Jahr waren es bereits 200 000. Auch in der Schweiz sind die Eindringlinge zum Abschuss freigegeben: «Klar, die Jäger sind etwas im Dilemma, da Waschbären auf den ersten Blick wirklich herzige Tiere sind. Lässt man sie sich aber vermehren, werden wir grosse Probleme bekommen.»
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