Bier und Guggenmusik aus der Konserve
23.02.2021 Bezirk Sissach, Fasnacht, SissachEinige Hundert feierten in der Begegnungszone Fasnacht
Statt wie üblich Tausende lockte Frau Fasnacht am Sonntag wenige Hundert Personen ins Sissacher Zentrum. Die Polizeipräsenz war hoch, die Stimmung blieb friedlich.
Christian Horisberger
Dieses ...
Einige Hundert feierten in der Begegnungszone Fasnacht
Statt wie üblich Tausende lockte Frau Fasnacht am Sonntag wenige Hundert Personen ins Sissacher Zentrum. Die Polizeipräsenz war hoch, die Stimmung blieb friedlich.
Christian Horisberger
Dieses «Corona-Fivepack» brachte die Fasnacht 2021 auf den Punkt: Drei junge Männer und zwei Frauen zogen am Sonntagnachmittag durch die Begegnungszone. Auf dem Kopf trugen sie einen Kronkorken, vor dem Mund eine gelb-weisse Maske. Zusammengehalten wurde das versammlungskonforme Fünfergrüppchen von einem Corona-«Bierkarton». Wenigstens ein bisschen ausgelassen sein und dennoch die Auflagen der Behörden erfüllen: So wurde in Sissach der abgesagten Fasnacht gedacht.
300 bis 400 Frauen, Männer und Kinder jeden Alters hatte das prächtige Wetter am Fasnachtssonntag ins Dorfzentrum gelockt. Einige wohl aus Trotz, manche aus Neugier, die meisten aber, weil sie sich von Corona nicht alles nehmen lassen wollten. Von einem «kleinen Schritt zurück in die Normalität» sprachen drei Mittzwanziger in «zivil», die es sich an einem sonnigen Plätzchen vor dem Coop gemütlich gemacht hatten. Bierdosen und Guggenmusik aus der Konserve hatten sie mitgebracht. «Wir können ja nicht aufhören zu leben», sagte einer der drei und blinzelte in die strahlende Sonne.
Zu neunt waren aus Läufelfingen Aktive der Wisebärg-Heuer und der Hiicher Waggis angereist. In Kostümen vergangener Jahre machten sie es sich auf ausgeliehenen Beizenstühlen coronakonform bequem: vier von ihnen vor dem Restaurant Sternen, die fünf anderen auf der gegenüberliegenden Strassenseite. «Wir halten uns an die Regeln und wollen niemanden provozieren und auch gegen nichts protestieren», hielt einer der Läufelfinger fest. «Aber wir vermissen die Fasnacht. Das wollen wir hier zeigen.» Der grosse Biervorrat deutete darauf hin, dass sie sich dafür reichlich Zeit reserviert hatten.
«Fondue-Reduit»
Beim Dorfbrunnen hatte eine andere Gruppe ihr «Fondue-Reduit» eingerichtet. Eine spontane Aktion dreier Freunde, wie Benedikt Inniger sagte. An einem normalen Fasnachtssonntag hätte der Zunzger Konfetti vom Wagen der Zunzger Luckies Rueche in die Menge geworfen. Als Ersatz baute das Trio ein Wägeli mit Stauraum fürs Fondue-Zubehör sowie Zutaten für einen alkoholisierten «Grünen Frosch» und zog am Sonntag nach Sissach. Um den geforderten Sicherheitsabstand zu gewährleisten, sperrten die Zunzger das Plätzchen um ihr Fonduewägelchen mit Seilen ab und wiesen mit Plakaten auf die Abstandsvorschriften hin. Gewiss war dieses Fondue mit einer Prise Sarkasmus gewürzt, aber nicht nur: «Wir halten die Vorgaben ein, in der Hoffnung, dass wir die Coronakrise bald überstanden haben und nächstes Jahr wieder richtig Fasnacht machen können», sagte Inniger. Ausserdem hoffe er, dass die Situation hier in Sissach nicht ausarte wie zuvor in Einsiedeln.
Damit dies nicht passiert, war die Polizei vom Vormittag bis zum späteren Abend mit einem stattlichen Aufgebot vor Ort. Wie viele Einsatzkräfte in Bereitschaft waren, verriet die Polizei nicht, doch man sei «stark genug unterwegs», hiess es. In ihren orangen Westen stachen die Polizistinnen und Polizisten aus der Menge heraus, ob sie nun durch die Begegnungszone patrouillierten oder den Anwesenden beim Feiern zuschauten.
Es sei eine undankbare Aufgabe, den Leuten die Fasnachtsfreude verderben zu müssen, sagte Beat Krattiger, der als Chef der Baselbieter Sicherheitspolizei vor Ort war. Die Einsatzkräfte hätten den Auftrag, die Mindestabstände und Maskentragpflicht durchzusetzen, ohne dabei «noch mehr Druck auf die Leitung» zu geben. Man gehe die Aufgabe «verhältnismässig» an, suche das Gespräch mit den Menschen, sagte er.
Polizei drückt beide Augen zu
Der Plan ging auf. Zumindest blieb die Stimmung stets friedlich und schlug nicht in Aggression um. Allerdings drückten die Beamten dafür oft beide Augen zu: Je mehr Alkohol floss, desto weniger wurden die Vorgaben befolgt. Die Menschentrauben wuchsen weit über das erlaubte Mass an und ausser den Polizeibeamten trug fast keiner mehr einen Nasen-Mund-Schutz – trotz entsprechender Pflicht in der Begegnungszone. Ermahnungen wurden dennoch selten ausgesprochen.
In einem am Sonntagabend versandten Communiqué hielt die Baselbieter Polizei fest, dass es bei den fasnächtlichen Aktivitäten im ganzen Kanton weitgehend ruhig geblieben sei. Einzig im Bereich der Maskentragpflicht seien Übertretungen festgestellt worden. Dennoch zog die Polizei ein positives Zwischenfazit: Die Gespräche mit der Bevölkerung seien durchwegs positiv verlaufen und die betroffenen Personen hätten für die Massnahmen grundsätzlich Verständnis. Die Zapfhähne schienen dies etwas anders gesehen zu haben: Am Bahnhof und an der «Wacht» hatte die Sissacher Wagenclique Transparente angebracht: «D’Fasnecht stirbt nie!», hiess es auf dem einen, «Z’vil isch z’vil» auf dem anderen. Zudem soll die Clique für den guerillamässigen Konfetti-Segen in der Begegnungszone verantwortlich gewesen sein. Die Fasnachtsgesellschaft Sissach hatte ihre Mitglieder um Zurückhaltung ersucht.
Fondue im Bauch, Bier im Blut
Die Sissacher Behörden überliessen die Begegnungszone am Sonntag der Polizei. Gemeindepräsident Peter Buser, selber ein eingefleischter Fasnächtler, hat sich nur am Mittag kurz im Dorf blicken lassen, um den «Glöggeliwagä» zu kaufen. Bildungsminister Gieri Blumenthal spazierte am Nachmittag durchs Ortszentrum, um einen Eindruck zu erhalten, was sich abspielt, wie er sagte. Was er antraf, nahm er mit Zufriedenheit zur Kenntnis: Die Polizei markiert Präsenz, die Lage ist ruhig.
Und so sollte es bleiben, bis es die Feiernden nach dem Eindunkeln wieder in ihre Täler zog: die Zunzger mit dem Fondue im Bauch, das Corona-Fivepack noch immer vollzählig im Karton und die Läufelfinger mit einigem Bier im Blut. Einer von ihnen bilanzierte: «Das war keine Fasnacht. Aber wir haben es genossen.»