«Die Öffnung der Läden am 1. März ist gut, aber …»
26.02.2021 Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, SchweizAusgefragt mit Sabine Völlmin, Geschäftsstellenleiterin des Verbands Textilschweiz
Der Schweizer Textilfachhandel ist froh, dass der zweite Lockdown am 1. März 2021 zu Ende ist. Die Läden dürfen dann wieder öffnen. Doch es bleiben für die Branche gewichtige ...
Ausgefragt mit Sabine Völlmin, Geschäftsstellenleiterin des Verbands Textilschweiz
Der Schweizer Textilfachhandel ist froh, dass der zweite Lockdown am 1. März 2021 zu Ende ist. Die Läden dürfen dann wieder öffnen. Doch es bleiben für die Branche gewichtige Probleme.
Paul Aenishänslin
Frau Völlmin, wie sind Sie selbst bisher durch die Covid-Pandemie gekommen?
Sabine Völlmin: Eigentlich sehr gut. Dass ich mich kurz vor der Corona-Pandemie selbstständig gemacht habe, war allerdings nicht ganz einfach.
Sie sind Leiterin der Geschäftsstelle des Verbands «textilschweiz». Würden Sie uns bitte diesen Schweizer Branchenverband kurz vorstellen?
«textilschweiz» vertritt rund 5500 Textilfachgeschäfte in der Schweiz. Seit dem 1. Januar führe ich auch das Sekretariat des Verbands Wolle Schweiz. Wir informieren in dieser Zeit die Geschäfte immer zeitnah über die neuesten nationalen beziehungsweise kantonalen Entwicklungen und unterstützen die Geschäfte wo immer möglich.
Wie haben die Mitglieder von «textilschweiz» den ersten Lockdown von Mitte März bis Anfang Mai 2020 gemeistert?
Der erste Lockdown verhinderte den Verkauf der Frühjahrskollektion. Viele Geschäfte verfügen über keinen Onlineshop. Sie mussten also kreativ werden und versuchen, die Mode mit tollen Videos über Facebook usw. anzubieten. Somit konnten die Geschäfte wenigstens den Kontakt mit ihren Kunden aufrechterhalten.
Dann kam von Mai bis Dezember 2020 eine «normalere» Zeit mit Öffnung der Geschäfte, Schutzkonzepten der Branche und so weiter. War das wieder eine gute Zeit für Ihre Mitglieder?
Im Prinzip ja. Aber es muss regional beziehungsweise kantonal differenziert werden. So haben zum Beispiel Kantone der Romandie im Herbst 2020 die Restaurants wieder geschlossen. Dies hatte eine geringere Frequentation der Innenstädte und Einkaufsmeilen zur Folge, was auch einen geringeren Umsatz der Textilfachgeschäfte bewirkte.
Seit dem 18. Januar bis zum 27. Februar ist jetzt der zweite Lockdown für Ihre Mitglieder in Kraft. Wie hat dieser Ihre Mitglieder getroffen?
Auch hier gelten Aussagen nicht für all unsere Mitglieder. Der Kanton Aargau hat bereits vor Weihnachten, der Kanton Solothurn kurz nach Weihnachten die Geschäfte geschlossen. Unsere Mitglieder sind mit geringeren finanziellen Reserven ins Jahr 2021 gestartet und konnten auch den Winterausverkauf nicht durchführen. Im Februar wurde bereits die bestellte Frühjahrskollektion in die Fachgeschäfte geliefert, die bezahlt werden muss. Aber wovon, bei einem Umsatz von nahezu Null? Der Bund hat die Härtefallhilfe um Milliarden aufgestockt, doch bis ein Geschäft Geld effektiv auf dem Konto hat, kann es lange dauern.
Im Verlauf des zweiten Lockdowns mussten auch die Wollfachgeschäfte schliessen, grosse Ketten aber haben weiterhin Wolle verkauft. Wie haben Sie auf diese Ungleichbehandlung reagiert?
Wir haben die kantonalen Arbeitsinspektorate auf diesen Missstand aufmerksam gemacht. Aber in mehreren Fällen ist dann doch nichts passiert: Die Grossen verkaufen weiter, die Kleinen haben das Nachsehen.
«textilschweiz» hat sich beim Bund für eine Öffnung der Läden am 1. März eingesetzt. Sind Sie nun glücklich, dass der Bundesrat Ihrem Wunsch gefolgt ist?
Die Öffnung der Läden am 1. März ist gut, aber es bleiben ungelöste Probleme. Eines davon ist die Umsetzung der Härtefallmassnahmen.
Was ist hier das Problem?
Der Bund hat ein Härtefallmassnahmenpaket von mehreren Milliarden gesprochen. Doch auf Ebene der Kantone hapert es bei der Umsetzung. Es gleicht einem Flickenteppich. Teilweise wurden durch Kantone zusätzlich so hohe Anforderungen an Unternehmen gestellt, dass dies einen administrativen Hürdenlauf bedeutet und für ein KMU kaum zu bewältigen ist. Weiter besteht ein Problem bei Geschäften, die in verschiedenen Kantonen Niederlassungen haben. Die Kantone streiten darüber, welcher nun bezahlen muss. Im Gegensatz dazu setzt der Kanton Baselland die Corona-Hilfen geradezu mustergültig um.
Welche Probleme gibt es bei der Kurzarbeit, die auch noch nach dem 1. März für Ihre Verbandsmitglieder möglich ist?
Der Bund hat klare Weisungen zur Verordnung herausgegeben. Die Karenzzeit fällt weg, die Voranmeldefrist jedoch nicht. Die Anmeldefrist, die in Abzug gebracht werden muss, ist in der Weisung genau geregelt, jedoch halten sich etliche Kantone nicht daran und verfügen den Geschäften zu viele «Sperrtage». Viele Geschäfte wissen nicht, wie und wo sie sich dagegen wehren können. Dafür bin ich da, um bei den Kantonen vorzusprechen und diese zu nerven (lacht).
Gibt es auch Probleme mit Mietzinszahlungen für Ihre Mitglieder?
Viele Firmen haben den Covid-Kredit des Bunds aufgenommen, um Fixkosten wie die Miete zu bezahlen. Wieder andere können zum Glück auf verständige Vermieter zählen. Ist das Geschäft zu und ohne Umsatz, sind alle Fixkosten, so auch die Miete, eine grosse Last.
Die Covid-Pandemie hat dem internetbasierten Versandhandel grossen Auftrieb gegeben. Wie geht Ihre Branche damit um?
Dieser Trend war schon vor Ausbruch der Pandemie spürbar, ist nun aber noch viel stärker geworden. Auch nach dem Ende der aktuellen Krise müssen sich die Textilfachgeschäfte weiter mit dieser Konkurrenz auseinandersetzen. Ihr grosser Trumpf bleibt die Nähe zu ihren Stammkunden, welche die Beratung in den Geschäften schätzen – dies kann das Internet nicht bieten.
Haben Sie Sympathie mit der Gastronomie, die noch länger geschlossen bleibt?
Ja natürlich! Die Gastronomie ist unser «Nachbar». Ohne offene Restaurants in Begegnungszonen oder Städten sinkt die Frequenz, und das schadet auch den Textilfachgeschäften. Umgekehrt wäre es auch so. Auch unsere Branche hofft, dass die Gastronomie bald wieder öffnen kann.
Zur Person
pae. Sabine Völlmin, 1981 geboren, ist in Oltingen aufgewachsen. Nach einer KV-Lehre besuchte sie Weiterbildungen zur Direktionsassistentin und Führungsfachfrau. Seit Februar 2020 ist sie selbstständig und betreut unter anderem die Verbände «textilschweiz» und Wolle Schweiz. Sie wohnt in Diegten.