«Man muss auch mal aufs Auto verzichten können»
11.12.2020 Baselbiet, Verkehr, BubendorfDie Verkehrsproblematik aus der Sicht von Gemeindepräsident Walter Bieri
Nach Monaten mit Stau und zeitweise langen Wartezeiten neigt sich die Instandsetzung der Hauptstrasse in Bubendorf ihrem Ende zu. Damit ist die Gemeinde ihre Verkehrsprobleme aber nicht ganz los. Künftig werden sich ...
Die Verkehrsproblematik aus der Sicht von Gemeindepräsident Walter Bieri
Nach Monaten mit Stau und zeitweise langen Wartezeiten neigt sich die Instandsetzung der Hauptstrasse in Bubendorf ihrem Ende zu. Damit ist die Gemeinde ihre Verkehrsprobleme aber nicht ganz los. Künftig werden sich täglich mehr als die gegenwärtig rund 15 000 Fahrzeuge durch die relativ schmale Hauptstrasse zwängen.
Elmar Gächter
Herr Bieri, Bubendorf machte dieses Jahr mit den Verkehrsproblemen nicht unbedingt Werbung für das Dorf. Hätten sich die Staus nicht minimieren lassen?
Walter Bieri: Es war uns und dem Kanton als Bauherr von Anfang an klar, dass es kein einfaches Unterfangen ist, den Verkehr bei diesen engen Strassenverhältnissen durch die Baustellen zu lotsen. Wir sprechen immerhin von rund 15 000 Fahrzeugen und damit von einer Kantonsstrasse mit einer der grössten Verkehrsbelastungen des Oberbaselbiets. Dazu kommt noch die spezielle Zeit mit Corona, die viele Leute veranlasst, vom öffentlichen Verkehr auf das Auto umzusteigen. Sowohl Kanton als auch Gemeinde haben sich bemüht, das Beste aus der Situation zu machen. Mit der Verkürzung der einzelnen Bauabschnitte konnte das Stauproblem immerhin ein wenig entschärft werden. Ich denke, den meisten unserer Einwohnerinnen und Einwohner ist bewusst, dass keine grossen Alternativen vorhanden sind. Dies zeigt auch die Tatsache, dass wir kaum Reklamationen aus der Bevölkerung erhalten haben, auch wenn einzelne Quartiere vom Ausweichverkehr betroffen waren.
Die Korrektionsarbeiten neigen sich dem Ende zu. Sie bringen dem Dorf ja auch Vorteile.
So ist es. Mit dem Einbau eines Flüsterbelags wird eine deutliche Lärmreduktion erreicht, die Bushaltestellen sind behindertengerecht gestaltet und im Bereich des Teichwegs wird für Fussgänger eine Schutzinsel erstellt.
Trotzdem bleibt die Durchfahrt durch Bubendorf in Spitzenzeiten problematisch. Was unternimmt die Gemeinde, um dieses Problems Herr zu werden?
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass nur ein Teil des Verkehrs quasi hausgemacht ist, über 6000 Fahrzeuge fahren täglich Richtung Ziefen und Reigoldswil weiter. Zudem bin ich überzeugt, dass die Welt ganz anders aussieht, wenn die jetzige Bauerei zu Ende ist und Corona Geschichte sein wird. Unser Ziel ist ganz klar: Wir wollen möglichst viele Leute dazu motivieren, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Deshalb haben wir jedes Interesse, den Verkehrsfluss auf der Hauptstrasse so optimal wie möglich zu gestalten. Und nicht zuletzt machen wir den Veloweg mit einer Mittelinsel in der Hauptstrasse sicherer.
Wie wollen Sie Ihre Ziele erreichen?
Wir arbeiten eng mit dem Kanton zusammen, denn wir sitzen ja im gleichen Boot. Tatsache ist, dass heute relativ viele Seitenstrassen in die Kantonsstrasse münden. Einer der grössten Hotspots ist dabei der Knoten beim Gewerbegebiet Coop, dann wird es in einer späteren Phase auch darum gehen, sich Gedanken über den Migros-Kreisel zu machen. Zusammen mit dem Tiefbauamt haben wir zwei Planungsbüros beauftragt, eine Verkehrsanalyse zu erstellen. Diese haben wir an einer Gemeinderatstagung im November besprochen. Wir bilden nun Arbeitsgruppen, in denen auch die Bevölkerung Einsitz nimmt. Ich denke, dass in rund zwei Jahren Lösungsvorschläge auf dem Tisch liegen werden.
An welche Massnahmen denken Sie?
Da alles noch nicht spruchreif ist, wäre es falsch, jetzt schon darüber zu informieren. Die Lösungsansätze haben sicher auch mit Landerwerb zu tun und es wäre nicht gut, wenn Landbesitzer allfällige Eingriffe in ihr Privateigentum aus der Zeitung erfahren müssten. Wir müssen sicher auch Möglichkeiten mit Einbahnsystemen prüfen oder uns Gedanken machen, wie wir die Ausfahrt in die Kantonsstrasse bei Post und Coop verbessern können. Wir sind mit allen Stockwerkeigentümern im Gebäude Coop und der Post im Gespräch.
Wenn wir von Verkehrsbelastungen sprechen, spielt auch die Firma Bachem mit ihren zusätzlichen Arbeitsplätzen eine wichtige Rolle. Man spricht von 900 Fahrzeugen, die sie in ihrem Parkhaus im Endausbau anbietet. Mehr Arbeitsplätze heisst auch mehr Verkehr – wie sehen Sie das?
Das Steuersubstrat, das Industrie und Gewerbe generieren, ist für unsere Gemeinde enorm wichtig. Man stellt zurzeit vor allem die Firma Bachem als Hauptverursacherin für den zusätzlichen Verkehr dar. Dies ist jedoch nicht fair. Es ist just diese Firma, die ihren Mitarbeitenden Angebote macht für Umweltschutzabonnements, sie stellt Shuttlebusse zum «Park and ride» auf der Parzelle des Reitsportvereins zur Verfügung und sie empfiehlt ihrem Personal Arbeitszeitverschiebungen, sodass nicht alle zur gleichen Zeit zur Arbeit kommen. Die Ausfahrt aus dem neuen Parkhaus kanalisiert zudem den Zufahrtsverkehr auf die Hauptstrasse und verbessert die jetzige Situation mit den vielen Ein- und Ausfahrten fast an jeder Ecke. Könnte man mit der Zonenplanung wie im Setzkasten neu beginnen, würde das Gewerbe- und Industriequartier wohl eher im südlichen Teil des Dorfes ansiedeln.
Wie gross ist der Druck von Gewerbe- und Industrie, dass die Verkehrssituation verbessert wird? Gibt es Firmen, die einen Wegzug signalisieren, wenn das Verkehrsproblem nicht gelöst wird?
Uns ist nichts dergleichen bekannt. Für den Gemeinderat ist klar, dass wir die Unternehmen auf jeden Fall in Bubendorf halten wollen, und wir führen im Übrigen jährlich ein Gespräch mit ihnen. Wesentlicher als die Verkehrsproblematik ist für die Unternehmen allerdings die Frage, ob sie an diesem Standort expandieren können. Dies ist dort noch möglich, entsprechende Landreserven sind vorhanden.
Auch wenn Bubendorf seine Hausaufgaben macht, bleibt nach wie vor das Pièce de Résistance, nämlich der Knotenpunkt beim Bad Bubendorf. Das Dilemma mit den heute schon langen Autokolonnen sowohl von Bubendorf als auch von Liestal her dürfte sich nach dem WB-Neubau noch verschärfen, denn der Taktfahrplan der Bahn wird gegenüber heute ja noch verdichtet.
Betrachtet man dies rein als Autofahrer, mag das stimmen. Aber wenn die WB fleissiger fährt, ist dies auch attraktiver für den ÖV-Nutzer und motiviert ihn, mehr die Bahn zu benutzen. Deshalb ist es primär wichtig, sich zu überlegen, wie man die Leute noch vermehrt zur Benutzung des öffentlichen Verkehrs bewegen kann.
Auf welche baulichen Massnahmen setzt der Gemeinderat vor allem bei der Sanierung des Knotens beim Bad Bubendorf?
Wir versprechen uns viel von den vorgesehenen zwei Linksabbiegespuren zwischen Migros-Kreisel und Knoten, der Verlängerung der Vorsortierspur aus Richtung Liestal sowie der leistungsfähigeren Lichtsignalanlage. Laut den Verkehrsexperten kann der Individualverkehr mit diesen Massnahmen ohne grössere Probleme über den Knoten geführt werden. Ich persönlich glaube an diese Massnahmen. Ob der Migros-Kreisel den künftigen Mehrverkehr bewältigen kann, wird derzeit vom Kanton überprüft.
Gemäss Vorschlag eines Bubendörfer Einwohners könnte das Problem mit einer Unterführung unter der Bahn gelöst werden. Wie stehen Sie zu dieser Idee?
Sie wird immer wieder an Gemeindeversammlungen vorgebracht. Doch eine solche Lösung kann man vergessen, es fehlt schlichtweg der nötige Platz dazu. Auch die Variante mit einer Umfahrung westlich von Bubendorf ist schon längst gestorben. Es gibt sicher noch andere Ideen, deren Umsetzbarkeiten jedoch höchst fraglich sind. Grundsätzlich braucht es Lösungen, die mehrheitsfähig sind. Wir bekommen die ganze Problematik nur in den Griff, wenn wir der Bevölkerung klarmachen können, dass wir auf die Mithilfe jeder einzelnen Einwohnerin und jedes einzelnen Einwohners angewiesen sind. Wenn wir nicht bereit sind, auch mal auf das Auto zu verzichten, geht es nicht.
Zur Person
emg. Der 62-jährige Walter Bieri ist seit 12 Jahren Gemeinderat und im zweiten Jahr als Gemeindepräsident. Er ist verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne und wohnt seit 1995 in Bubendorf. Beruflich ist er Verkaufsleiter bei der Firma Bell mit Arbeitsort in Oensingen.