Keine schöne Bescherung
30.10.2020 Baselbiet, Gastronomie, WirtschaftViele Gasthäuser leiden, weil Weihnachtsessen abgesagt werden
Auch wenn der Bundesrat mit seinen jüngsten Corona-Massnahmen die Gastronomiebetriebe nicht schliesst, richten sich die Wirte auf einen harten Winter ein. Denn viele Firmen streichen die einträglichen Essen zum ...
Viele Gasthäuser leiden, weil Weihnachtsessen abgesagt werden
Auch wenn der Bundesrat mit seinen jüngsten Corona-Massnahmen die Gastronomiebetriebe nicht schliesst, richten sich die Wirte auf einen harten Winter ein. Denn viele Firmen streichen die einträglichen Essen zum Jahresende.
Jürg Gohl
Wenn das Telefon in seinem Wirtshaus klingelt, verheisst das für Mohammad Yaqoob meist nichts Gutes. Er führt das Restaurant Talhaus, das zwischen Bubendorf und Hölstein an der «Waldenburgerli»-Linie liegt. Meist meldet sich am anderen Ende jemand, der ein Essen oder sogar das Bankett einer grösseren Gruppe absagt. Anfang dieser Woche musste er an einem Mittag gleich an vier Tischen das Schild mit der Aufschrift «Reserviert» entfernen. Begründet werden die teils kurzfristigen Absagen immer gleich: Corona.
«Ich muss das akzeptieren und kann den Leuten nicht böse sein», sagt Gastgeber Yaqoob, «sie sind ebenso wenig schuld an der aktuellen Situation wie ich.» So schnell zeichnet sich für ihn keine Besserung ab, zumal zwei einträgliche Geschäfte zum Jahresende wegbrechen. Zum einen laufe bei ihm um Silvester in normalen Jahren sehr viel. Zudem sagen Firmen und Vereine bei ihm reihenweise geplante Weihnachtsessen ab, was viel gravierender ist. Bestenfalls verschieben sie es auf später, andere vertrösten ihn vorsichtig auf nächstes Jahr.
«Das Winterhalbjahr mit den Monaten September bis Mai läuft bei uns sehr gut», sagt der «Talhaus»-Chef, «der Sommer ist dafür eher lau.» Die erste und die zweite Corona-Welle schlagen also ausgerechnet zur falschen Zeit zu. Zudem fielen bereits im Frühling die vielen Konfirmationsessen weg, die im Vorjahr noch Arbeit und Umsätze garantierten. Zeichen des Haders sind aus seiner Stimme gleichwohl nicht herauszufiltern. Er hält sich an das ungeschriebene Gesetz der Branche: öffentliches Jammern verboten.
Guter Sommer für Landgasthöfe
Gegenteilige Erfahrungen machte zumindest im zurückliegenden Sommer die Familie Bürgin vom gleichnamigen Restaurant in Wittinsburg. Weil viele Familien in jener Jahreszeit ihre Auslandferien strichen und dafür Ausflüge in der Region, zum Beispiel eben «uf e Wittschbrg», unternahmen, verzeichnete das Haus gemäss Wirtin Stefanie Bürgin sogar einen besseren Sommer als in den Vorjahren. Auch liegen bereits viele Reservationen für das bevorstehende Metzgete-Wochenende im November vor. Da seit Mittwoch nur noch vier Personen an einem Wirtshaustisch sitzen dürfen, sieht es im «Bürgin» für Weihnachtsessen, für Geburtstagsfeiern, Vorstandsessen und dergleichen schlecht aus. «Nun können wir nur noch hoffen, dass die Gäste in kleinen Gruppen zahlreich erscheinen», hält Stefanie Bürgin fest.
Ähnliches trug sich auch in anderen Ausflugs-Gasthäusern zu. Adrian Burger, der Geschäftsführer des Landgasthofs Farnsburg oberhalb von Ormalingen, und Silvan Degen, der Wirt der «Sonne» in Reigoldswil, sind mit ihren Umsätzen im Sommer ganz zufrieden. «Wir profitierten damals von der Stadtflucht», formuliert es Burger. Will heissen: An schönen Tagen trieb es die Leute aus der Stadtnähe hinaus aufs Land. Auch vergangenen Sonntag waren die Tische unterhalb der Farnsburg voll besetzt, was wiederum zu Engpässen beim Personal führte. Doch im Winterhalbjahr brechen für beide entschieden härtere Zeiten an.
Steigende Personalkosten
Da Burger wegen der Abstandsregeln rund einen Drittel weniger Stühle anbieten kann, aber wegen der vielen Säle, auf die sich die Gäste verteilen müssen, nicht im gleichen Mass Personal einsparen kann, schlägt sich das in den Ausgaben nieder. Rechne man in seiner Branche normalerweise damit, dass die Personalkosten knapp weniger als 40 Prozent des Umsatzes wegfressen, so würden sie sich aktuell zwischen 60 und 70 Prozent bewegen, rechnet Burger vor.
Gestrichen wurden spezielle Anlässe wie die beiden Auftritte des Zauberers Magrée zum Abendessen im November. «Viele Unternehmen haben neue Sicherheitsdirektiven erlassen», sagt Adrian Burger, «darunter fällt auch, dass sie Weihnachtsessen für dieses Jahr streichen. Primär aus Sicherheits-, aber auch aus Spargründen in der auch für sie angespannten Situation.»
Silvan Degen stellt fest, dass aktuell alles sehr labil und die Verunsicherung überall gross sei. «Das betrifft nicht nur die Branche, sondern auch die Gäste», sagt der Reigoldswiler «Sonne»-Wirt und äussert vor allem auch sein Mitleid mit städtischen Berufskollegen, die von der Corona-Situation noch weit härter betroffen sind. Die aktuelle Situation der Wirte in der Vorweihnachtszeit umschreibt er wie folgt: «So vielseitig, wie die Gastro-Branche ist, sind auch ihre Probleme.»
Auch das Restaurant Bad Eptingen blickt auf einen regen Sommerbetrieb zurück und will sich auch aktuell nicht beklagen. Zwar sagt immer mal wieder ein Verein oder ein Betrieb das vereinbarte Essen zum Jahresende ab. Doch für Gastgeber Heinz Schwander hält sich das in einem vertretbaren Rahmen. «Wir haben das Glück, dass wir über sehr viele grosse Räumlichkeiten und Plexiglas-Scheiben verfügen und so alle Sicherheitsvorkehrungen einhalten können», sagt Schwander.
Gutschein statt Essen
Den Betrieben, die wegen Corona auf das Weihnachtsessen verzichten wollen, macht er zugunsten seiner Berufskollegen eine andere Lösung schmackhaft, mit der er selber kürzlich überrascht wurde: Ein Unternehmen hat zwar das bereits vereinbarte Essen gestrichen. Dafür bestellte es bei ihm für seine Mitarbeiter 40 Gutscheine, mit denen sie später einmal privat im Bad Eptingen einkehren können.
Sasi Sellathurai vom Restaurant Roseneck in Gelterkinden zeigte sich gestern zuerst einmal erleichtert darüber, dass der Bundesrat am Mittwoch für die Gastronomie keine noch schärferen Massnahmen – abgesehen von der Regelung, dass nur noch 4 Personen an einem Tisch sitzen dürfen – beschlossen hat, und spricht sogar von «guten Nachrichten aus Bern». Bezüglich der Weihnachtsessen blickt er etwas gelassener auf die kommenden Wochen als andere Wirte. Dies aus zwei Gründen: Solchen Anlässen kommt umsatzmässig in seinem Haus nicht die gleiche Bedeutung zu wie in anderen Gaststätten – und bislang erreichte ihn tatsächlich noch keine Absage.
Gleichwohl gut belegt
jg./sda. In das Klagelied der Baselbieter Hotels kann das Bad Eptingen mit seinen zwölf Zimmern nicht einstimmen. Wurden im ganzen Kanton in den ersten acht Monaten des Jahres nur noch halb so viele Hotelübernachtungen verzeichnet wie im Vorjahr (die «Volksstimme» berichtete), so stuft Heinz Schwander, der Chef des Hotels Bad Eptingen, die Auslastung als «gut» ein.
Das hängt damit zusammen, dass er verhältnismässig wenig Zimmer zu besetzen hat. Während an Wochentagen häufig Einzelpersonen für eine Nacht beherbergt sind, kombinieren an Wochenenden vor allem Paare ein Essen mit einer Übernachtung. «Während des Lockdowns in der ersten Jahreshälfte waren die Zahlen allerdings auch bei uns schlecht», sagt Schwander.
Bis August zählten die Baselbieter Hotelbetriebe gemäss dem Statistischen Amt insgesamt 95 200 Übernachtungen. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es fast doppelt so viele, nämlich 187 900. Im März sei ein Minus von 60 Prozent zu verzeichnen gewesen; bis Mai von beinahe 80 Prozent. Die Übernachtungszahlen lagen im August noch immer um 35 Prozent unter dem Vergleichswert des Vorjahres.