Ein «rühr-intensiver» Prozess
20.10.2020 Baselbiet, Gastronomie, Gesellschaft, LandwirtschaftDietisberg | «Einmal selbst käsen» mit der Volkshochschule beider Basel
Wer einmal ein selbst gemachtes «Mutschli» in den Händen halten will, muss wissen: Es passiert einiges vor der Reifezeit im Käsekeller. Eine Geschichte von Milch, Bakterien und ...
Dietisberg | «Einmal selbst käsen» mit der Volkshochschule beider Basel
Wer einmal ein selbst gemachtes «Mutschli» in den Händen halten will, muss wissen: Es passiert einiges vor der Reifezeit im Käsekeller. Eine Geschichte von Milch, Bakterien und Kälbermägen.
Anouk Jordi
Die Sonne geht langsam auf über dem Dietisberg. Die heutigen Besucher wollen ihr eigenes «Mutschli» herstellen. Manuel Pfister, Leiter der Käserei Dietisberg, leitet den entsprechenden Kurs der Volkshochschule beider Basel. Pfister erzählt, wie er zum Käsen kam. Nach seiner Ausbildung als Landschaftsgärtner arbeitete er für einige Zeit als Maschinenbau-Ingenieur und Verkaufsleiter. Danach wollte er wieder in die ländliche Region des Oberbaselbiets zurück, in der er aufgewachsen ist, und machte den Alpsennenkurs. Dort lernte er während fünf Tagen die Grundlagen der Käsefabrikation sowie die Herstellung von Joghurt, Butter und Grundkenntnisse über die Schweizer Alpwirtschaft. In der Käserei Dietisberg wurde er dann während 10 Wochen eingearbeitet und leitet diese nun seit etwa 1,5 Jahren.
An 10 Stationen steht je ein grosser Topf mit einem Holzlöffel. Pfister füllt jeden Topf mit etwa acht Litern Milch. Da die Ausbeute stets bei etwa 10 Prozent liegt, wird aus diesen acht Litern Milch am Ende etwa 800 Gramm Käse werden. Für die nächste Stunde werden die Teilnehmenden ihre Milch unter stetigem Rühren langsam auf etwa 32 Grad aufwärmen.
Pfister holt die Milchsäurebakterien hervor, die es für die Säuerung bei der Käseherstellung braucht. «In diesem kleinen Beutelchen hat es Bakterien für etwa 250 Liter Milch, die zu Käse verarbeitet werden sollen», sagt der Kursleiter und verteilt das weisse Pulver in die Töpfe der Teilnehmenden.
Diese müssen die Temperatur ihrer Milch regelmässig messen. Denn wenn sich die Bakterien langsam an die Temperatur der Milch gewöhnen können, arbeiten sie effektiver. In diesem Kurs wird mit thermisierter Milch gearbeitet, die für 5 Minuten auf 65°C erhitzt wurde. So bleibt die Labungsfähigkeit erhalten, was bei der Pasteurisierung der Milch bei 73°C nur noch teilweise gegeben wäre.
«Meditatives Rühren»
Nun gibt er je 1 Milliliter Kälberlab in die Milch. Kälberlab werde aus Kälbermägen extrahiert, erklärt der Wittinsburger, das Lab mache die Milch stockig und genau dieser Prozess soll beim Käsen nachgestellt werden. Auf Nachfrage sagt er, Alternativen auf pflanzlicher Basis gebe es auch, diese seien jedoch nicht so «prozesssicher» wie die ursprüngliche Methode, gewähren also keine Sicherheit, dass die Milch jedes Mal stockt.
In der Zwischenzeit rühren die Teilnehmenden munter weiter. «Also anstrengend ist es überhaupt nicht», sagt einer von ihnen und fügt scherzhaft hinzu: «Ich nenne es meditatives Rühren.» Wenn die Zieltemperatur erreicht ist, nehmen sie die Töpfe von der Herdplatte und rühren immer weiter.
Nach etwa einer halben Stunde sind einige schon etwas weniger motiviert als noch zu Beginn. Pfister lächelt und erzählt von einem Sprichwort unter Käsern: «Ein fauler Käser und ein fleissiger Salzer machen einen guten Käse.» Die Aufgabe des Käsers ziehe sich also in die Länge und sei mit sehr langem Rühren verbunden. Wenn der Käse dann in den Käsekeller zum Salzer wandere, müsse dieser jeden Käse regelmässig und sehr fleissig einsalzen.
Nach einer Weile fügt Pfister zur Verdünnung des Labs überall Wasser hinzu. Unterdessen haben alle ihre Töpfe von den Herdplatten genommen. Nach ungefähr einer Stunde wird der Milch das Lab-Wasser-Gemisch beigefügt und nochmals kurz weitergerührt, bevor die Teilnehmenden aufhören können. Sie stoppen den Kreisfluss ihrer Milch, um ein Ausflocken zu verhindern, decken den Topf zu und lassen ihn etwa 25 Minuten stehen. Das nennt man einlaben. In dieser Zeit wird Pause gemacht. Es gibt Brot, Wasser und selbstverständlich Dietisberger Käse.
Immer weiter rühren
Nach dem Einlaben drückt Pfister allen einen Tortenschaber in die Hand. Damit sollen die Teilnehmenden in die etwas fester gewordene Milch 1 Zentimeter dicke Scheiben schneiden, um die Verbindungen, die während des Einlabens entstanden sind, durchzutrennen. Danach soll noch einmal für zehn Minuten weitergerührt werden. Dabei tauchen wabbelige Stücke in der Milch auf, die beim Schneiden entstanden sind. «Diese Stücke sind essbar. Sie schmecken relativ süss und sind gar nicht so schlecht», sagt Pfister. Ein Teilnehmer probiert sogleich und verzieht das Gesicht, ihm schmeckt es offensichtlich nicht. Der flüssige Teil sei Molke, auch die könne man trinken.
Langsam wird der Widerstand beim Rühren wieder weniger. Eine Teilnehmerin fragt: «Wieso müssen wir jetzt immer noch weiterrühren?» Pfister erklärt, es gebe sonst Klumpen, die sich unten absetzen würden, und hängt an: «Das ist halt ein sehr rühr-intensiver Kurs.» Doch langsam reicht es damit. Die Milch ist nun wieder fast flüssig.
Pfister holt je einen Sack gefüllt mit Ringelblumen und einen mit der hauseigenen Kräutermischung vom Dietisberg hervor und verteilt diese je nach Wunsch. Danach wird der «Käsebruch» in löchrige Gefässe geleert. Die Molke fliesst durch die Löcher in eine grosse Kiste. Was in den Gefässen bleibt, sieht aus wie Hüttenkäse und fühlt sich auch so an. Pfister bietet allen Teilnehmenden einen Schluck von der Molke an. Fünf Minuten später muss der Käse in den Löchergefässen umgedreht werden. Dies wiederholt sich nach einer Viertelstunde. Danach verdoppelt sich immer die Zeit, nach welcher der Käse umgedreht werden muss.
Am nächsten Tag folgt dann der Weg für den Käse in den Keller. Idealerweise sollte die Temperatur hier stets zwischen 10 und 15 Grad betragen. Diesen Sommer haben Pfister und der Salzer das gut halten können, im vergangenen Jahr seien die Temperaturen jedoch bis auf 17 Grad gestiegen. Hier werden die selbst gemachten «Mutschli» der Teilnehmenden für etwa sechs Wochen gelagert und regelmässig gesalzen, bis sie ihren fertigen Käse schliesslich im Bergladen Dietisberg in Sissach abholen können.
Pfister sagt, er habe zwar sehr viel reden müssen während des Kurses, doch es habe ihm Spass gemacht. Der Tag war also für alle intensiv. Pfister musste ungewohnt viel reden und die Teilnehmenden haben wahrscheinlich so viel gerührt wie noch nie.