Smartphone statt «Fresszettel»
25.09.2020 Bezirk Sissach, Gastronomie, SissachElektronisches Contact-Tracing erleichtert Gastrobetrieben Kontrolle
Nachtschwärmer, die ihre Kontaktdaten elektronisch hinterlassen, können in Bars und Klubs ein- und ausgehen, ohne bei jedem Besuch eine Liste auszufüllen. Vier Lokale in Sissach machen mit; 2000 Personen haben sich ...
Elektronisches Contact-Tracing erleichtert Gastrobetrieben Kontrolle
Nachtschwärmer, die ihre Kontaktdaten elektronisch hinterlassen, können in Bars und Klubs ein- und ausgehen, ohne bei jedem Besuch eine Liste auszufüllen. Vier Lokale in Sissach machen mit; 2000 Personen haben sich bereits registriert.
Christian Horisberger
«Fresszettel», «Steinzeit», «biirewäich».Alain Goepfert hat nicht viel übrig für das System, mit dem der Kanton die Rückverfolgbarkeit von Corona-Infektionen sicherstellen lässt. Der Inhaber der Sissacher «Lounge 11» deutet auf eine handgeschriebene Liste, die auf dem Tresen liegt. Gäste haben darauf ihren Namen, ihre E-Mail-Adresse und Telefonnummer eingetragen. Und die Uhrzeit ihres Besuchs. «Steinzeit», wiederholt Goepfert.
Die Mehrheit der Gäste in der «Lounge 11» sind allerdings im 21. Jahrhundert angelangt. Sie checken nach einer einmaligen elektronischen Registrierung mit dem persönlichen QR-Code auf ihrem Mobiltelefon in sein Lokal ein und aus. Das Sicherheitspersonal scannt am Eingang den Code des Gastes und erneut, wenn er die Bar oder den Klub verlässt. Für diese Gäste entfällt das handschriftliche Prozedere, ebenso die Prüfung der Angaben durch das Sicherheitspersonal. Zudem hat der Wirt jederzeit auf Knopfdruck den Überblick, wie viele Gäste sich in seinem Lokal aufhalten.
Saubere Liste
Falls sich eine mit dem Virus infizierte Person im Lokal aufgehalten haben sollte, kann der Wirt dem kantonsärztlichen Dienst eine saubere und lückenlose Liste der Anwesenden mailen, anstatt ihm einen Stapel «Fresszettel» senden zu müssen.
Seit Juli arbeiten das «Lindbergh Pub» und die «Lounge 11» mit dem «CV19-Pass» der Basler Entwicklerfirma Klixa AG. Die Lokale «Sir Alfred» und «Tante Pinte» zogen später nach. Laut Goepfert haben sich im Einzugsgebiet der vier Betriebe mittlerweile gegen 2000 Personen registriert – 70 bis 80 Prozent der Gäste würden nun papierlos «einchecken». Für die Gäste ist die Registrierung gratis, die Betriebe, die mit dem System arbeiten, bezahlen monatlich 49 Franken an die Klixa AG.
Er und Lukas Abt vom «Lindbergh Pub», der von einem Gast auf den «CV19-Pass» aufmerksam gemacht worden war, hätten bisher fast nur positive Erfahrungen mit der Anwendung gemacht, sagt Goepfert. Es sei eine enorme Vereinfachung, sowohl für die Lokalbetreiber als auch für die Gäste. Mängel, die sich in der Anfangsphase zeigten, seien gemeinsam mit der Entwicklerfirma ausgemerzt worden.
Das Beispiel sollte Schule machen, fanden die Sissacher. Goepfert trug die Contact-Tracing-Lösung Anfang August an einen runden Tisch, an dem Vertreter der Baselbieter Gastroszene dem Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektor Thomas Weber aufzeigten, wie stark die Branche durch die Corona-Massnahmen unter Druck stehe. Goepfert nutzte die Plattform, um die in Sissach etablierte elektronische Lösung zu präsentierten.
Er regte die Kantonsvertreter an, eine Nutzungspflicht für die Unterhaltungsgastronomie zu prüfen. Papierlisten sollten nur noch in Ausnahmefällen zum Zug kommen. Sein Vorschlag sei gut aufgenommen worden, sagt Goepfert. Jedoch habe er bis heute aus Liestal nichts mehr gehört.
Mehrere Anbieter
Die Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion beurteile die Empfehlung Goepferts sehr positiv und habe sie auch noch auf dem Radar, sagt deren Sprecher Rolf Wirz auf Anfrage. Doch gebe es mehrere Anbieter solcher Lösungen, und der Kanton könne der Bevölkerung nicht einfach vorschreiben, welche sie zu nutzen habe. Das Thema «elektronische Gästeregistrierung» sei jedoch in Bearbeitung. Wann daraus eine Verfügung oder Empfehlung werde, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, so Wirz.
Alain Goepfert zeigt sich erfreut darüber, dass beim Kanton «etwas geht». Weniger Freude hat er an der Ungleichbehandlung verschiedener Branchen bei Corona-Massnahmen: «Im Supermarkt oder an der Tankstelle, wo die Menschen hingehen müssen, reicht es, einen vergammelten Desinfektionsmittel-Spender hinzustellen.» Demgegenüber brumme man Gastrobetrieben, die von Menschen freiwillig besucht würden, extrem strenge Auflagen auf. Die Corona-Vorschriften bedeuteten für die Wirte nicht nur erheblich weniger Gäste, sondern auch rund 15 Prozent mehr Kosten für Sicherheitspersonal und Reinigung.
Einen neuen Nackenschlag habe die Baselbieter Regierung den Beizern diese Woche versetzt, indem sie das Gästemaximum in Klubs, Discos und Bars von 100 Personen bis Ende Jahr verlängert hat. Damit sei auch das Weihnachtsgeschäft, eines der einträglichsten des Jahres, ruiniert, klagt Goepfert. Er fürchtet: «Für viele Betriebe dürfte die Luft nun dünn werden.»