Digitalisierung ist Freud und Leid für Senioren
11.09.2020 Baselbiet, Medien, GesellschaftMuttenz | Drei Viertel der Schweizer über 65 nutzen elektronische Medien
74 Prozent der Senioren über 65 nutzen heute elektronische Medien im Alltag. Dies zeigt eine Studie, die an der 8. «Tagung Alter» zum Thema «Digitalisierung» der Abteilung Alter der ...
Muttenz | Drei Viertel der Schweizer über 65 nutzen elektronische Medien
74 Prozent der Senioren über 65 nutzen heute elektronische Medien im Alltag. Dies zeigt eine Studie, die an der 8. «Tagung Alter» zum Thema «Digitalisierung» der Abteilung Alter der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion vorgestellt worden ist. Doch viele fühlen sich durch die Digitalisierung auch diskriminiert.
André Frauchiger
Die 8. Tagung der Abteilung Amt für Gesundheit der Baselbieter Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion hatte – in Zeiten von Corona – ein hochaktuelles Thema: Die Digitalisierung und deren Auswirkungen auf die älteren Menschen über 65 Jahre. Regierungsrat Thomas Weber, Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion, brachte es gleich in seiner Begrüssungsansprache im Campus der Fachhochschule Nordwestschweiz in Muttenz auf den Punkt: «Heute steht ein lebenslanges Lernen im Vordergrund.» Die Digitalisierung passe auch zu den aktuellen Diskussionen über «Smart Government».
Die von Pro Senectute Schweiz in Auftrag gegebene 3. Nationale Studie über «Digital Seniors 2020» des Zentrums für Gerontologie der Universität Zürich zeigt deutlich, dass ältere Menschen über 65 Jahre immer mehr und heute mehrheitlich digital unterwegs sind. Waren bei der ersten Studie im Jahr 2010 noch 38 Prozent der Befragten online, sind es aktuell 74 Prozent, was fast eine Verdoppelung ist. Rund 1,6 Millionen Menschen ab 65 Jahren nutzen heute elektronische Geräte.
Bei den «Online-Senioren» besitzen zwei Drittel ein Tablet oder ein Smartphone. Heute sind 95 Prozent der 65- bis 69-Jährigen online, 69 Prozent der Befragten nutzen das Smartphone, davon 81 Prozent täglich. Für Peter Burri Follath, Leiter Kommunikation bei Pro Senectute Schweiz, ist deshalb eindeutig: «Die Generation 65 Plus zeigt klar Gefallen an der digitalen Welt.» Spitzenreiter bei den elektronischen Geräten ist bei den Älteren übrigens immer noch der traditionelle Fernsehapparat. Mit 1149 telefonisch und postalisch befragten Menschen über 65 Jahre kann die Studie der Universität Zürich als repräsentativ bezeichnet werden.
Überfordert und ausgegrenzt
Dass aber nicht alles Gold ist, was glänzt, zeigte Hanspeter Meier von der Interessengemeinschaft Seniorinnen und Senioren Baselland und Co-Präsident der Grauen Panther Nordwestschweiz, auf: Viele Seniorinnen und Senioren fühlten sich durch die zunehmende Digitalisierung überfordert, ausgegrenzt und damit diskriminiert. Beispiele hierfür seien die Corona-App, die nur auf den neusten Smartphones funktioniere, die Probleme mit den elektronischen Zahlungen, QR-Code-Rechnungen, der Leistungsabbau bei Postschaltern sowie die Erhebung von speziellen Gebühren bei Bareinzahlungen und Weiteres mehr.
Die Frage, auf welche Weise die Behörden auf ihren Websites inhaltlich für alle Bevölkerungsteile verständlich kommunizieren können, sei sehr zentral, erklärte Markus Riesch, Leiter der Geschäftsstelle E-Assessibility (E-Zugänglichkeit) des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen. Die Zugänglichkeit bilde die Voraussetzung und Grundlage für die Teilhabe an der Digitalisierung. Es gebe heute für ältere Menschen leider noch viele Barrieren im digitalen Bereich, wie schlecht gestaltete Internet-Seiten von Kommunen mit zu kleinen, kaum lesbaren Schriften und ungünstigen Farbkontrasten sowie einer ungenügenden Nutzerführung und Skalierbarkeit der Website. Das Verbesserungspotenzial ist gross, wie Riesch aufzeigte. Denn im Jahr 2050 wird ein Drittel der Bevölkerung über 60 Jahre alt sein.
In der anschliessenden Diskussion zeigten sich die unterschiedlichen Meinungen bei der Frage, wie weit das Digitale dem Teil der älteren Bevölkerung, der dieser Entwicklung nicht oder nur in Teilbereichen nahesteht, zuzumuten ist. Fazit war die Erkenntnis, dass es bei der Informationsvermittlung durch die Behörden in den kommenden Jahren weiterhin sowohl die gedruckte als auch die digitale Information braucht. Und ebenso den Post- und Bahnschalter, ohne Zusatzgebühren.