BADMINTONKÖNIG
10.09.2020 Region, SportVor langer, langer Zeit …
… spielte ich noch Turniere! Doch jetzt schreiben wir den Monat September und mein letzter Wettkampf liegt mehr als ein halbes Jahr zurück. Sogar neun Monate ist es her, seit ich für ein Individual-Turnier im Ausland war. Ich spielte ...
Vor langer, langer Zeit …
… spielte ich noch Turniere! Doch jetzt schreiben wir den Monat September und mein letzter Wettkampf liegt mehr als ein halbes Jahr zurück. Sogar neun Monate ist es her, seit ich für ein Individual-Turnier im Ausland war. Ich spielte für die Olympia-Quali in den Vereinigten Staaten. Unter den Dächern von Los Angeles befand ich mich inmitten einer hektischen Saison: trainieren, reisen, Wettkampf, reisen, trainieren, reisen, Wettkampf. Wie ein Hamster im Laufrad. Dazwischen schlafen, essen und organisieren. Flüge und Shuttle-Transporte buchen, Hotelzimmer und Trainingsfelder reservieren, Impfbüchlein und Reiseapotheke durchsehen, Visum und Währung beantragen. Im ganzen Jahr 2019 verbrachte ich Dutzende Stunden damit, die Reisen zu planen. Nach Asien, Afrika, Amerika und Europa.
Dann kommt Corona und «zack» – alles ist auf Eis gelegt. Ein kurzes Erfassen der Situation, ein Beurteilen der Möglichkeiten, ein Justieren der neuen Vorhaben und «ruck» – es geht weiter. Nach kurzer Rast nehme ich den Fuss nicht vom Pedal, bin aber auf neuer Strasse. Der Fokus ändert sich zur Grundlagenarbeit hin, intensives Athletik-Training und Badminton-Techniktraining. Die Reise, vielleicht sogar das Ziel, ist nicht mehr so klar. Wird es eine Abkürzung oder eine Umfahrung?
Was sicher ist: Ich befinde mich in einem Tunnel. Viele Einschränkungen, wenig Spielraum, die Luft wird knapp, die Pandemie zieht sich in die Länge. Es zeichnet sich ab, dass es noch lange dauern könnte. Dass der Sport nicht mehr so sein wird wie früher. Für Randsportler wird der Tunnel wohl besonders lang. Vielleicht kommen wir raus, aber wir fahren im Nebel. Was man im Februar schwarzmalerisch dachte, erfüllt sich gerade im Hinblick auf die neue Saison.
«Wollen Sie die Buchung abschliessen?» Es fühlt sich seltsam fremd an. Es ist so fern der letzten Monate. So skurril. Irgendwie unnatürlich. Aber es fühlt sich wie ein bisschen Heimat an. Ein kleines Fünkchen Licht, es wird heller im Tunnel. Nach dem «Klick» bin ich wieder mittendrin, als wäre die Zeitachse ins 2019 zurückgesetzt worden.
Ich habe ein Hotel gebucht, für mein erstes Turnier! Es ist zwar «nur» ein nationales. Ohne Preisgeld, keine Weltranglistenpunkte. Eine kurze Zugfahrt. Ich brauche keinen Pass, muss das Gepäck nicht wägen, kann Deutsch sprechen. Aber es ist ein Turnier. Ich freue mich darauf und blicke auf doch erfolgreiche Monate zurück. Ich hatte Zeit, das zu trainieren, was ich mir vorgenommen hatte. Und hatte auch Zeit für anderes. Das ist schön und das schätze ich. Denn so dramatisch meine Worte tönen mögen, es gibt Länder und Menschen, die es in dieser Zeit echt schwer(er) trifft.
Der 24-jährige Joel König aus Titterten ist Badminton-Profi. 2014 beendete er das Sportgymnasium in Liestal. Er trainiert für den Schweizer Durchbruch im internationalen Badmintonsport.