Wo Firmengeschichte richtig prickelt
21.08.2020 Bezirk Sissach, Gastronomie, SissachBuess ist einer der grössten Schaumweinproduzenten der Schweiz
Dank der in den 1990er-Jahren lancierten «Kantons-Secco»-Linie mauserte sich das Sissacher Weinhaus Buess zu einem der grössten Schaumweinproduzenten des Landes. Das jüngste perlende Produkt hat schon 100 Jahre auf dem ...
Buess ist einer der grössten Schaumweinproduzenten der Schweiz
Dank der in den 1990er-Jahren lancierten «Kantons-Secco»-Linie mauserte sich das Sissacher Weinhaus Buess zu einem der grössten Schaumweinproduzenten des Landes. Das jüngste perlende Produkt hat schon 100 Jahre auf dem Buckel. Gewissermassen.
Christian Horisberger
«Monopole». Der Name des neuesten Wurfs aus dem Sissacher Weinhaus Buess hat Kraft. Er klingt nach Dominanz, nach Macht und Selbstbewusstsein, und er wirkt kein bisschen bescheiden. Die Marke stammt aber auch aus einer anderen Zeit. Die Wurzeln der «Monopole»-Schaumweine reichen 100 Jahre zurück.
Wir treffen Laurent de Coulon, Chef der Sissacher Buess Weinbau & Weinhandel AG, im grossen Degustationsraum im Dachgeschoss seines Betriebs in der Begegnungszone. Vorsichtig stellt er zwei sehr alte, ungeöffnete und völlig intakte Flaschen mit der für Schaumweine typischen Kapsel aus Metallfolie über dem Korken auf den Tisch. Die Etiketten sind gut leserlich: einmal «Henkell natur», einmal «Champagner Buess Monopole – très sec». Der Jahrgang ist nicht vermerkt. Laurent de Coulon hilft aus: «Die Flaschen stammen aus dem Jahr 1920, aus den Anfängen unserer Schaumweinproduktion.»
Krieg beendet Partnerschaft
Damals waren de Coulons Grossvater Jakob-Emil Buess und das Wiesbadener Unternehmen eine Partnerschaft eingegangen und hatten die Champagner Kellerei AG, Sissach, gegründet. Henkell, damals Deutschlands grösster Sektproduzent, wollte sich über die renommierte Firma Buess auf dem Schweizer Markt etablieren und diese erwarb Know-how zur Herstellung von Schaumwein und Champagner.
Kurz darauf brachte Buess mit dem «Monopole» seinen ersten Champagner auf den Markt. Der Wein wurde aus der Champagne importiert und auf die traditionelle Art in Flaschengärung zu echtem Champagner veredelt.
Die deutsch-schweizerische Partnerschaft zerbrach mit dem Zweiten Weltkrieg. «Keiner in der Schweiz wollte mehr Sekt aus Deutschland trinken», erzählt de Coulon. Freundschaftliche Bande zwischen Wiesbaden und Sissach blieben dennoch bestehen. Der Firmenchef präsentiert einen polierten, am Rand reich verzierten Silberteller. Darauf zu erkennen sind frühere Firmenlogos von Henkell und Buess, die Wappen von Wiesbaden und Sissach und schliesslich folgende Inschrift : «1855 – 1955; E. Buess A.G. Sissach; in Freundschaft gewidmet, Henkell u. Co. Sektkellerei Wiesbaden-Biebrich; Dezember 1955.» Beim Silberteller handelt es sich um das Geburtstagsgeschenk der Firma Henkell zum 100-jährigen Bestehen ihrer Ex-Partnerin in der Schweiz. «Heute ist Henkell weltweite Nummer eins im Schaumwein-Geschäft», merkt de Coulon an.
Vier Jahrzehnte bläschenfrei
Die eigene Champagnermarke blieb über die Kriegsjahre hinaus bestehen. Bis wann, vermag der Chef nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Sein Grossvater habe viel Firmenwissen mit ins Grab genommen, erklärt der 67-Jährige, der das Familienunternehmen in fünfter Generation leitet. Er schätzt, dass der «Monopole» Mitte der 1950er-Jahre vom Markt verschwand.
Vier Jahrzehnte später reanimierte die Buess Weinbau & Weinhandel AG das Geschäft mit dem perlenden Wein. Sie brachte mit dem «BâleSecco» einen ausschliesslich aus lokalen Trauben hergestellten Schaumwein auf den Markt, der bis dahin von ausländischen Erzeugnissen dominiert war. Das Konzept funktionierte, die Linie wurde nach und nach ausgebaut: Bern, Zürich, Graubünden, Wallis, Neuenburg, St. Gallen, Aargau kamen hinzu.
Die Kantons-Seccos unterscheiden sich nicht nur durch ihre Etikette, sondern auch in der Zusammensetzung der Rebsorten und damit im Geschmack. Verwendet werden lokal typische Trauben, erklärt Önologe de Coulon. Beim «BâleSecco» beispielsweise handle es sich um eine Cuvée aus Riesling x Sylvaner und weiss abgepresstem Pinot Noir. Der «Bärn-Secco» verdanke seinen Charakter Chasselas- und Pinot-Noir-Trauben.
Aktuell umfasst die Kantons-Linie acht Sorten. Gemessen an den Verkäufen sind die Berner die grössten Lokalpatrioten, sagt der Firmeninhaber und Geschäftsführer lächelnd. Die Baselbieter und Basler stünden nach dieser Rechnung an dritter Stelle.
Jubiläumsfest am Samstag
Mit ihren «Regio-Seccos» hat sich die Firma Buess in die Top drei der grössten Schaumweinproduzenten der Schweiz gearbeitet. Heute mache das Unternehmen rund einen Drittel seines Umsatzes mit seinen Schaumweinen, sagt de Coulon. Berücksichtigt man, dass der «ArgoviaSecco» die Palette unlängst erweitert hat und dass Regio-Produkte hoch im Kurs stehen, dürfte dieses Standbein eher gestärkt werden.
Einen Beitrag dazu leisten könnte das «Geburtstagskind» im Haus Buess: die Neuinterpretation des 1920 erstmals in Sissach hergestellten «Monopole». Im Hinblick auf das heurige 100-Jahre-Jubiläum der Marke hat de Coulon sie im Frühling 2019 aus dem Dornröschenschlaf wachgeküsst.
Anders als beim Original kommen bei der Neuauflage des «Monopole» die Bläschen nicht via aufwendige Flaschengärung («méthode champenoise») in den Wein. Wie die Kantons-Seccos werden die neuen Schaumweine in Stahltanks veredelt. Dennoch unterscheidet sich der «Monopole» von den Regio-Schaumweinen: Zwei der drei Sorten der neuen alten Marke sind sortenrein, sagt de Coulon. Der «Blanc de Noirs brut» sei ausschliesslich aus Pinot-Noir-Trauben gekeltert, der Blanc de Blancs bestehe zu 100 Prozent aus Chardonnay-Trauben.
Beim Dritten im Bunde, dem «On Ice» in einer schneeweissen Flasche, handelt es sich um eine süsse Cuvée aus Chardonnay, Chasselas und Pinot Noir. Was ansonsten verpönt ist, empfiehlt der Weinprofi für diesen Sekt dringend: «Er ist auf Eis in einem grossen Ballonglas zu geniessen und mit Saisonfrüchten zu garnieren.» Der trendige «On Ice», das Zugpferd der neuen Linie, ist bisher bei Spar und in der von Buess belieferten Gastronomie erhältlich.
Am Samstag können alle «Monopole»-Schaumweine am Produktionsstandort in Sissach degustiert werden. Die Firma Buess lädt Wein- und Sektliebhaber ein, mit ihr aufs 100-jährige Bestehen der Marke Monopole anzustossen. Auch wer sich mehr für Geschichte als für Wein interessiert, kommt auf seine Kosten: Beim Jubiläumsanlass werden Geräte ausgestellt, die damals zur Herstellung des hauseigenen Champagners gedient hatten. Beispielsweise ein «Dosage-Karussell», bei dem den vergorenen Mousseux vor dem Verkorken ein Likör aus Cognac und Rohrzucker beigemischt wurde. «Je nach Dosierung wurde der Champagner brut, demisec oder doux», erklärt Laurent de Coulon. Auf dem neuen «Monopole»- Prospekt wird also nicht zu viel versprochen: «Die Einblicke in die komplexe Methode der Champagner- und Schaumweinherstellung blieben bis zum heutigen Tag erhalten.»