Baselbieter Literatur und Musik vereint
07.08.2020 Bezirk Waldenburg, Reigoldswil, KulturRafael Moser und Florian Gass hauchen alten Geschichten neues Leben ein
Mit ihrem Programm «Text und Töne aus dem Baselbiet» kombinieren Florian Gass und Rafael Moser Schwyzerörgeliklänge mit Mundartliteratur. Morgen beginnt die Vorstellungsreihe mit einem Auftritt in der Remise des ...
Rafael Moser und Florian Gass hauchen alten Geschichten neues Leben ein
Mit ihrem Programm «Text und Töne aus dem Baselbiet» kombinieren Florian Gass und Rafael Moser Schwyzerörgeliklänge mit Mundartliteratur. Morgen beginnt die Vorstellungsreihe mit einem Auftritt in der Remise des «Waldenburgerli» in Bubendorf.
Anna Uebelhart
Florian Gass und Rafael Moser sitzen morgen das erste Mal mit ihrem Programm «Text und Töne aus dem Baselbiet» vor einem Publikum. Rafael Moser liest aus «Der Herr Ehrli» des Baselbieter Schriftstellers und Pioniers der Mundartliteratur, Jonas Breitenstein (1828–1877). Florian Gass untermalt die Worte mit Schwyzerörgeli-Melodien aus der Volksmusiksammlung der Baselbieterin Hanny Christen (1899–1976). Beide Künstler sind in Reigoldswil aufgewachsen und gemeinsam in die Primar- und Sekundarschule gegangen. Erst nachdem sie ihre Matura am Gymnasium Liestal abgeschlossen hatten, trennten sich ihre Wege. Gass zog es nach Luzern, um dort Volksmusik im Profil Klassik zu studieren. Moser studierte Germanistik und Geschichte an der Universität in Basel.
Nun sind die beiden wieder gemeinsam unterwegs mit der gleichen Mission: vergessen gegangenes Kulturgut aus dem Baselbiet wieder aufleben zu lassen.
Vom Schüler zum Lehrer
Florian Gass hat gerade seinen Bachelor beendet und macht die Ausbildung zum Schwyzerörgeli-Lehrer. Der 26-Jährige besuchte bereits mit 7 Jahren den Instrumentalunterricht an der Musikschule beider Frenkentäler. Und das Schwyzerörgeli hat ihn auch während seiner Schulzeit bis zum Studium immer begleitet. Die Affinität zur Volksmusik liege bei ihm in der Familie, sagt Gass: «Ich bin von Haus aus damit gross geworden.» Musikalisch ist Gass in den Formationen Dreierlei und Söck engagiert. Er unterrichtet Schwyzerörgeli und ist Mitglied des Hochschulensembles Alpinis.
Für «Text und Töne aus dem Baselbiet» hat sich der Reigoldswiler Musiker mit der Volksmusiksammlung von Hanny Christen auseinandergesetzt. Christen hat zu Lebzeiten in der ganzen Schweiz nach Noten für Volksmusik gesucht. Daraus ist eine Sammlung in zwölf Bänden entstanden, ein Teil davon sind Stücke aus dem Baselbiet. Gass hat die für die Lesungen passendsten Stücke herausgesucht. Diese kommen bei den Vorstellungen vor allem als Schwyzerörgeli-Soli zum Tragen. Für die Begleitung beim Lesen hat Gass eigene musikalische Themen komponiert.
Ein Projekt nach dem anderen
Rafael Moser, ebenfalls 26 Jahre alt, hat seine Leidenschaft im Theater gefunden. Seit er als 12-Jähriger für Radio DRS ein Hörspiel lesen durfte, liess ihn das Schauspielen nicht mehr los. Seit 2017 ist Moser Teil der Produktionsleitung beim Unitheater Basel. Ausserdem bringt er als Mitglied des Theaterkollektivs «Prinz-Ip» experimentelle Theaterprojekte auf die Bühne. Nach seinem Studium möchte der Reigoldswiler ab nächstem Jahr eine Theaterausbildung absolvieren.
«Text und Töne aus dem Baselbiet» ist nicht das erste Projekt dieser Art für Moser. Schon vor drei Jahren hat er «Das kleine Gespenst» von Otfried Preussler gemeinsam mit dem Musiker Tamino Weggler auf die Bühne gebracht. Diese Stückentwicklung wird seither an Primarschulen gespielt. Eine dieser Aufführungen hat sich Florian Gass angeschaut. Dies sei für ihn der Moment gewesen, der die Idee von «Text und Töne aus dem Baselbiet» ins Rollen gebracht hat, so Gass.
Für Moser kam dieser Auslöser während des Verfassens einer Arbeit zum Thema Mundartverschriftung im Rahmen seines Germanistikstudiums. Dabei stiess er nämlich auf den Text von Breitenstein, der jetzt die Basis für das Programm bildet. In Vorbereitung auf das Projekt besorgte er sich den gesamten Korpus von Breitenstein und suchte sich daraus den Text «Der Herr Ehrli» aus. Für das Projekt hat Moser diesen stark gekürzt, die wichtigsten Elemente aber beibehalten. Dazu gehören für ihn auch die für Breitenstein charakteristischen Naturanalogien und poetischen Landschaftsbeschreibungen.
Den Wurzeln treu geblieben
Den Künstlern liegt viel daran, Baselbieter Kulturgut zu fördern. Sie wollen ausserdem Altes mit Neuem verbinden. Die vorhandenen Werke ergänzen sie denn auch mit ihrer Erfahrung und dem Wissen, das sie im Studium erlangt haben. Dazu gehört auch das Vereinen vom Land mit der Stadt, denn nicht nur die Künstler haben einen Bezug zu Basel, auch die Geschichte, die Moser erzählt, spielt teilweise im Nachbarkanton.
Das Projekt sieht Gass zudem als Chance, die Volksmusik ins Baselbiet zurückzuholen. Diese sei hier in der Region nicht so gut etabliert. Und auch die alten Texte werden so in ihre ursprüngliche mündliche Form gebracht. Auch hier trifft Altes auf Neues. Einige Mundartwörter musste Moser nämlich modernisieren, da sie sonst wohl nur wenige verstanden hätten. Bei anderen war die Aussprache ein Problem. «Wir sind zwar im Baselbiet aufgewachsen, trotzdem mussten wir bei vielen Wörtern nachforschen, wie sie richtig ausgesprochen werden», sagt Gass. Teilweise habe hierbei das Nachfragen bei seiner Grossmutter geholfen. Beraten wurden die beiden Künstler ausserdem vom Breitenstein-Experten Remigius Suter.
Die Spielorte für «Texte und Töne aus dem Baselbiet» hat sich das Duo sehr bewusst ausgesucht. «Es sind keine klassischen Theaterspielorte», sagt Moser. Die Atmosphäre soll zur Musik und den Mundarttexten passen. So treten der Musiker und der Schauspieler unter anderem im «Cheesmeyer» in Sissach, in der Kirche Reigoldswil und im Pfarrhauskeller in Waldenburg auf. Auch bei der Technik halten sie es schlicht. Weder Stimme noch Musik wollen die Künstler verstärken. «Mir war es wichtig, dass wir es unverstärkt machen können. Es soll heimelig wirken, so, als würden wir es zu Hause in der Stube lesen», erklärt Moser.
Wegen Corona verschoben
Ursprünglich waren die Aufführungen von «Text und Töne aus dem Baselbiet» im Frühling geplant, doch die Corona-Pandemie machte dem Künstler-Duo einen Strich durch die Rechnung. Die Verschiebung des Programms brachte aber auch Vorteile: «Ich konnte so ohne Stress meinen Bachelor machen», sagt Florian Gass. Auch Rafael Moser hat die zusätzliche Zeit genutzt. Mit seinem Theaterkollektiv veranstaltete er eine Theateraufführung, die das Publikum per Videokonferenz mitverfolgen konnte.
Ganz ohne Vorsichtsmassnahmen können die beiden Baselbieter ihre musikalischen Lesungen trotz Verschiebung nicht abhalten. Nicht an allen Spielorten ist das Einhalten des Mindestabstands möglich. So zum Beispiel in der Remise in Bubendorf. Vor allen Aufführungen werden die Zuschauerinnen und Zuschauer gebeten, ihre Kontaktdaten anzugeben, um «Contact Tracing» zu ermöglichen.
Trotz der ungewöhnlichen Situation sind Gass und Moser zuversichtlich und freuen sich auf die Reihe an Vorstellungen, die in den kommenden Wochen auf sie zukommt. Einzig eine Sache bereitet Moser noch etwas Kopfzerbrechen: Zwei der Aufführungen finden in Basel statt. Und da in manchen Textpassagen Basler Figuren vorkommen, muss Moser neben dem ihm gewohnten Baselbieterdeutsch auch Baslerdeutsch sprechen. «Das Problem ist, ich kann kein Baslerdeutsch und das wird zumindest dem Basler Publikum sicher auffallen», sagt Moser. Aber schliesslich geht es bei dem Projekt ja darum, Grenzen zu überwinden – die Grenzen zwischen Alt und Neu, Text und Tönen und schliesslich auch zwischen Land und Stadt.