Vom Software-Entwickler zum Birnbub
02.07.2020 Bezirk Waldenburg, WaldenburgUnter dem Label «Schlemmerstatt Birnbub» verkauft der Waldenburger Heiko Kundlacz selbst produzierten Essig und aromatisierten Senf. Ausgangsprodukt ist Obstwein, hergestellt aus handverlesenem Kern- und Steinobst des «Projekts Hochstamm Waldenburg».
Brigitt ...
Unter dem Label «Schlemmerstatt Birnbub» verkauft der Waldenburger Heiko Kundlacz selbst produzierten Essig und aromatisierten Senf. Ausgangsprodukt ist Obstwein, hergestellt aus handverlesenem Kern- und Steinobst des «Projekts Hochstamm Waldenburg».
Brigitt Buser
Was andere im Supermarkt abgefüllt in eine Flasche, Tube oder ein Glas aus dem Regal nehmen, produziert der Waldenburger Heiko Kundlacz selber: Er stellt Essig und Senf her. Anstoss für Kundlacz, aus Obst Essig herzustellen, war seine Mitgliedschaft beim «Projekt Hochstamm Waldenburg», in dessen Rahmen er jährlich einen Obstbaumschnittkurs gibt. Ziel dieses Projekts ist es, alte Hochstammbäume durch Schnitt und Pflege zu erhalten, bei Abgängen das Landschaftsbild durch Neuanpflanzungen zu bewahren. Dabei sollen Vogelarten wie beispielsweise der Neuntöter, Vogel des Jahres 2020, oder der Gartenrotschwanz sowie Kleintiere wie Mauswiesel und auch Insekten gefördert werden.
«Hier gibt es im Herbst jede Menge Obst zu ernten, das irgendwie verwertet werden will», sagt Heiko Kundlacz. «Natürlich wird daraus Most und sogar Apfelchampagner hergestellt.» Vor ungefähr 5 Jahren machte er sich Gedanken, was man sonst noch aus den Früchten produzieren könnte, die zwar Bioqualität haben, aber nicht biozertifiziert sind. Zudem auch nicht ganz wurmfrei, aber wenn handverlesen, dennoch ausgezeichnet verwertbar sind. So kam er darauf, aus dem Obst Essig herzustellen. Heute verkauft er seine Produkte unter dem Namen «Schlemmerstatt Birnbub».
Da Stein- und Kernobst, im Gegensatz zu den meisten Wildobstarten, einen höheren Wasseranteil und Zuckergehalt hat oder aromatischer ist, bleibt es momentan auch bei diesem. Einzig der Senf bietet hier weitere Variationsmöglichkeiten.
Um die Ernte in seinen Produktionsraum in Waldenburg zu bringen oder zu liefern, hat Kundlacz sein Auto gegen ein Elektrovelo eingetauscht, das er extra für den Transport der Früchte vom «Chapf» und die Auslieferung der daraus entstandenen Produkte umgebaut hat. Bis zu zwei Hin- und Rückfahrten mehr muss er auf sich nehmen, bis dieselbe Menge im Produktionsraum angekommen ist, doch das Bewusstsein, dadurch einen Teil für den Umweltschutz zu leisten, ist ihm wichtiger.
Fermentieren ist das Zauberwort
Mit Essigproduktion ist in Kundlacz’ Fall nicht gemeint, einen Weiss- oder Rotweinessig mit dem Geschmack von Stein- oder Kernobst zu aromatisieren oder mit einer Essigmutter anzusetzen, sondern Obst zu vermosten beziehungsweise zu vermaischen und zu Wein zu vergären. Nach längerer Lagerung wird der Obstwein mit 10 Prozent Altessig in einem Bioreaktor fermentiert. «Dies dauert im Gegensatz zu Essig, der mit einer Essigmutter angesetzt über mehrere Wochen gepflegt werden muss, nur wenige Tage, jedoch muss man die Fermentation genau kontrollieren», erklärt Kundlacz, der gelernter Software-Entwickler ist. Für «Schlemmerstatt Birnbub» hat er auf 40 Prozent reduziert.
Verwendet wird neben Kernobst – wie Äpfel und Birnen – auch Steinobst wie Zwetschgen und Mirabellen. Nur Kirschen konnte er im vergangenen Jahr keine verarbeiten, da sie so stark mit Larven der Kirschessigfliege befallen waren, dass man sie nicht verwenden konnte.
Um den Verkauf der Produkte zu optimieren, hat Heiko Kundlacz im Frühling einen 100-Liter-Bioreaktor installiert. Er plante ausserdem, wie in den Vorjahren, einen Kurs über die Produktion von Essig mit einer Essigmutter am Ebenrain durchzuführen, jedoch machte auch ihm Covid-19 einen Strich durch die Rechnung.
Kreativität ist gefragt
Der vorgesehene Kurs wurde wegen der Pandemie in den Herbst verschoben und weitere Verkaufsmöglichkeiten wie Märkte wurden abgesagt. Das gab Kundlacz jedoch genügend Zeit, um kreativ zu werden und somit den Lockdown zu nutzen, um die Produktion zu erweitern und den Bioreaktor zu installieren.
Doch die Kunden mussten in den vergangenen Wochen nicht ganz auf seinen Essig verzichten: Er verkauft wechselnde Essigsorten in einer grossen Ballonflasche vor seinem Produktionsraum. Hier kann der Kunde das Würzmittel in mitgebrachte Flaschen abfüllen, was natürlich umweltschonender ist. Auch verschiedener Senf ist erhältlich, veredelt mit ebenfalls unbehandeltem Obst aus dem Waldenburgertal.
Seit dem vergangenen Winter hat Kundlacz eine weitere Idee: Er würde sein Angebot gerne erweitern und auf Auftrag Essig produzieren. Dazu können Kunden ihren Wein vorbeibringen, den er dann zu Essig fermentiert, was aber nur bei einer Mindestmenge von 60 Litern möglich ist.
Mittlerweile verkauft der nebenberufliche Software-Entwickler seine Produkte auch über den Onlineshop von «Marktschwärmerei Basel» mit regionalen und saisonalen Produkten an Restaurants und natürlich privat. Und sobald wieder Märkte stattfinden, sicher auch in der Region.