Blattläuse: Unbeliebt, aber unentbehrlich
26.06.2020 Baselbiet, Ziefen, NaturRosenfreunde nehmen die Blattlaus unter die Lupe
Kaum gedeihen Zier- und Nutzpflanzen, werden sie auch schon von Blattläusen heimgesucht, was wir gar nicht schätzen. Mit wenig Aufwand können die kleinen Krabbler, übrigens ein Insekt mit erstaunlichen Fähigkeiten, in Schach gehalten ...
Rosenfreunde nehmen die Blattlaus unter die Lupe
Kaum gedeihen Zier- und Nutzpflanzen, werden sie auch schon von Blattläusen heimgesucht, was wir gar nicht schätzen. Mit wenig Aufwand können die kleinen Krabbler, übrigens ein Insekt mit erstaunlichen Fähigkeiten, in Schach gehalten werden, ohne dass man zur Giftspritze greifen muss.
Brigitt Buser
Die Blattlaus gibt es nicht – vielmehr sind es die Blattläuse. Mehr als 5000 Arten sind weltweit bekannt, 500 gibt es in der Schweiz, wie Mitglieder der «Gesellschaft Schweizerischer Rosenfreunde» im naturnahen Garten von Heinz Döbeli in Ziefen erfahren konnten. Dr. Ila Geigenfeind, Biologin und Präsidentin der «Naturforschenden Gesellschaft Baselland», brachte den fast 30 Besucherinnen und Besuchern unter perfekt eingehaltenem Schutzkonzept die faszinierenden Tierchen etwas näher.
Jede Blattlaus-Art ist auf ihre Wirtspflanze spezialisiert. Die Grosse Rosenblattlaus auf Rosen, die Erbsenblattlaus auf einige Schmetterlingsblütler oder die Fenchelblattlaus auf Fenchel, wobei sie alle ihre Pflanzenwirte parasitieren. Dazu bohren sie mit ihren Mundwerkzeugen zielgerichtet die Leitbündel des Wirts an, in denen die zuckerhaltigen Produkte der Photosynthese fliessen. Saugen müssen die Läuse nicht, denn durch den Druck im Leitbündel wird der süsse Pflanzensaft direkt in sie hineingepresst.
Verwertet werden die im Saft vorhandenen Aminosäuren und teilweise der ebenfalls enthaltene Zucker. Der Rest wird als klebriger, süsser Honigtau ausgeschieden. «Ein leichter Lausbefall schadet der Pflanze nicht», erklärt Ila Geigenfeind. «Hingegen kann ein Massenbefall bewirken, dass Blätter, Blüten und Früchte nicht nur verkrüppeln. Die dabei entstehenden Öffnungen sind auch eine Eingangspforte für Krankheitserreger wie Pilze, Bakterien und Viren.»
Eine Laus kommt selten allein
Das Erfolgsrezept der Blattläuse heisst, innert kürzester Zeit möglichst viele Nachkommen zu produzieren, wodurch kurzfristig vorhandene Futterquellen optimal genutzt werden. Dabei setzen sie auf die sogenannte Jungfernzeugung (Parthenogenese), eine Form der asexuellen Vermehrung, bei der aus unbefruchteten Eiern Jungtiere entstehen, die genetisch identisch mit der Mutter sind. Je wärmer es wird, desto mehr Junge werden produziert. Bei 25°C etwa acht pro Tag und in einem Jahr bis 40 Generationen.
Erst bei kühleren Herbsttemperaturen, wenn die Nahrungsquellen versiegen, entstehen männliche Blattläuse, worauf auch die sexuelle Fortpflanzung erfolgt. Nun legt die weibliche Laus Eier ab, die den Winter überdauern, und im Frühling beginnt der Kreislauf von vorn. Sind Blattläuse in Gefahr, können sie Nachkommen mit Flügeln erzeugen, um so vor Feinden zu fliehen oder neue Pflanzen zu besiedeln. Welche Gene hierfür eingeschaltet werden, ist noch immer unbekannt.
Das «tägliche Brot» für viele Tiere
«Welchen Nutzen haben Blattläuse?» Diese oder ähnliche Fragen stellt sich wohl so manch frustrierter Gartenfreund. Dabei darf man nicht vergessen, dass der Begriff «Schädling» immer nur die menschliche Sicht darstellt. Denn Blattläuse spielen im Ökosystem eine wichtige Rolle. Als sogenannte Primärkonsumenten stehen sie zu Beginn der Nahrungskette direkt nach den Pflanzen. Prall gefüllt mit Aminosäuren und verschiedenen Zuckern sind sie für ihre Fressfeinde wie zum Beispiel Meisen, Sperlinge, Grasmücken, Marienkäfer und deren Larven, Schwebfliegenund Florfliegenlarven, räuberische Gallwespen, Schlupfwespen oder Hornissen das «tägliche Brot».
Dasselbe gilt für den süssen, klebrigen, zuckerhaltigen Honigtau, den Blattläuse ausscheiden, wobei Ameisen sogar «ihre» Läuse beschützen und zum Absondern von Honigtau bewegen. Bienen nutzen ihn in blütenarmen Zeiten ebenfalls als Nahrungsquelle. «Der Honig, der daraus entsteht, wird Wald-, Blatt- oder Tannenhonig genannt», so die Ausstellungskuratorin Naturwissenschaften des Museum.BL in Liestal weiter.
Mut zur Wildnis
Wer Blattläuse in seinem Garten dezimieren möchte, greift oft vorschnell zu Pestiziden, die auch «nützliche» Insekten töten. Daraus resultiert das Insektensterben – und wo diese Tiere fehlen, sind Vögel, Kleinsäuger, Fledermäuse, Fische, Amphibien und Reptilien bald ohne Nahrungsgrundlage. Zudem belasten Pestizide unsere Gewässer mit ungeahnten Folgen, nicht nur für die Wasserökosysteme, sondern auch für unsere Gesundheit.
Die wichtigste Voraussetzung, um Blattläuse zu dezimieren, besteht darin, für die jeweilige Pflanze den optimalen Standort sowie die beste Bodenbeschaffenheit zu wählen und sie mit entsprechender Nahrung zu versorgen. Denn gesunde Pflanzen sind weniger anfällig auf Schädlinge als vernachlässigte.
Blattläuse lassen sich aber auch ohne Insektizide in Schach halten. Dazu eignen sich Hausmittel wie Schmierseifenwasser sowie Brennnessel- oder Lavendelsud, mit dem befallene Pflanzen besprüht werden. Noch besser ist die Förderung der Fressfeinde mit dem Anbringen von Nistkasten für Meisen, Deponieren eines Stapels Zweige und Totholz als Überwinterungshilfe und vor allem einheimische Blütenpflanzen, insbesondere Doldenblütler wie Wilde Möhre, Schafgarbe oder Holunder, auf deren Blüten sich die Nützlinge gerne niederlassen.