Treibstoff- und Heizölpreise im Keller
24.04.2020 Baselbiet, Bretzwil, Energie/Umwelt, Wirtschaft, SissachHauseigentümer füllen ihre Tanks
Gastronomie, Tourismus, Handel, Kleinunternehmer: Die Corona-Pandemie produziert etliche Verlierer. Aber nicht nur: Hauseigentümer und Autofahrer können sich über historisch günstiges Heizöl und Benzin freuen.
Christian ...
Hauseigentümer füllen ihre Tanks
Gastronomie, Tourismus, Handel, Kleinunternehmer: Die Corona-Pandemie produziert etliche Verlierer. Aber nicht nur: Hauseigentümer und Autofahrer können sich über historisch günstiges Heizöl und Benzin freuen.
Christian Horisberger
Wer mit Öl heizt, für den ist der jährliche Einkauf seines Brennstoffs ein bisschen wie Zocken an der Börse: Man verfolgt aufmerksam die Preisentwicklung, schaut, was die Nachbarn tun, beobachtet die Ereignisse in Washington, Riad, Moskau und Peking und schlägt zu, wenn einem der Moment als günstig erscheint. Derzeit braucht man keine besonders gute Nase, um Heizöl zum Schnäppchenpreis ergattern zu können. Günstiger als heute war Heizöl seit 20 Jahren nicht.
Bei einer Bestellmenge von 3000 Litern bezahlen Hauseigentümer aktuell rund 65 Franken pro 100 Liter – frei Haus, inklusive Mehrwertsteuer. Im Mai vergangenen Jahres hatte dieselbe Menge noch 95 Franken gekostet, diesen Januar waren es noch immer gegen 90 Franken. Die Talfahrt ging einher mit der Ausbreitung des Coronavirus in China. Sie wird laut Analysten weitergehen. Die Mineralölhändlerin Agrola prognostiziert auf ihrer Website weiterhin sinkende Preise. Die Rohöl-Lagerbestände seien weltweit sehr hoch, dadurch bleibe der Druck auf die Brenn- und Treibstoffpreise bestehen, erklärt Agrola-Sprecherin Nadine Schumann auf Anfrage. Um wie viel die Preise noch purzeln werden, lasse sich aber nicht vorhersagen.
Es hagelt Bestellungen
Durch die attraktiven Preise sei der Heizöl-Absatz von Agrola im Frühling überproportional angestiegen. Auch kleine Heizöl-Anbieter registrieren eine stärkere Nachfrage. «So viele Bestellungen wie jetzt hatten wir noch nie in einem Frühling», sagt Annemarie Fasler von der Bretzwiler Fasler Heiz- und Dieselöl AG. Im 30-jährigen Familienbetrieb gehen täglich bis zu 20 Anrufe ein. Die Kunden würden mehr denn je dazu tendieren, ihre Tanks ganz zu füllen. Ansonsten würden vor allem Gewerbetreibende oft nur so viel Heizöl bestellen, dass sie für den nächsten Winter versorgt sind. «Seit Beginn der Coronakrise horten die Leute Heizöl wie WC-Papier», scherzt Fasler. Damit werde man auf die ansonsten üblichen Frühlingsaktionen wohl verzichten können – und im Herbst wahrscheinlich nicht mehr viel zu tun haben, vermutet sie. «Die meisten Tanks werden dann ja schon gefüllt sein.»
Mit rund 1500 Adressen in der Kundenkartei – Private, Landwirte, KMU – ist das Bretzwiler Dreimannunternehmen ein kleiner Anbieter. Die Sissacher Nebiker AG beliefert rund 4000 Kunden, mehrheitlich Private. Geschäftsführerin Susanne Nebiker – sie präsidiert den Branchenverband Swissoil beider Basel – spricht ebenfalls von einer aussergewöhnlich grossen Nachfrage. Das gelte für die gesamte Branche. Jedoch führt sie diese nicht auf den Hortetrieb zurück, sondern ausschliesslich auf den tiefen Preis.
Verführerisch günstig ist derzeit auch das Tanken. Benzin und Diesel kosten so wenig wie seit Jahren nicht mehr. Laut Statistik der Schweizer Erdölvereinigung Avenergie lagen die Preise im Monat März im Durchschnitt noch bei 1.49 Franken für einen Liter Bleifrei 95, und bei 1.60 für Diesel. Diese Woche konnte man im Baselbiet bei den grösseren Anbietern Benzin für 1.30 Franken und Diesel für 1.40 kaufen. Gar 1.21 beziehungsweise 1.35 Franken kostete der Treibstoff bei der für ihre Tiefstpreise bekannte Blitzgarage in Lausen. Zuletzt waren die Treibstoffpreise 2016 auf einem ähnlich tiefen Niveau. Die Jahresdurchschnittspreise lagen damals bei 1.41 Franken für Benzin und 1.45 für Diesel.
Benzinverkauf rückläufig
Anders als beim Heizöl verursachen die Treibstoff-Tiefstpreise keinen Run auf die Zapfsäulen. Durch die rückläufige Mobilität aufgrund der Coronakrise sind auch die Umsätze an den Tankstellen eingebrochen. Die Agrola, welche die Landi-Tankstellen mit Treibstoffen versorgt, verzeichnet einen «starken Rückgang».
Schwankungen, auch grössere, sei ihre Branche gewohnt, sagt Susanne Nebiker. Es gebe immer wieder Situationen, auf die der Ölpreis heftig reagiere. Der derzeitige massive Preiszerfall sei auf die Drosselung der Wirtschaft weltweit infolge Corona zurückzuführen.
Dies bestätigt Cyrill Marugg, Investment Analyst bei der Basellandschaftlichen Kantonalbank. Während die Nachfrage nach Öl nachliess – auch wegen des stark rückläufigen Flugverkehrs –, konnten sich die Förderländer nicht auf eine ausreichend hohe Produktionssenkung einigen. Hinzu kämen knappe Lagerkapazitäten, was jüngst dazu geführt habe, dass in den USA Käufern von Öl-Kontrakten am Terminmarkt für ihre Transaktion 40 Dollar pro Fass bezahlt wurden. Analog zu den Negativzinsen auf dem Geldmarkt herrschte eine Negativpreis-Situation. Anstatt fürs Öl zu bezahlen, erhielt man beim «Kauf» noch Geld. Als Vorboten einer Weltwirtschaftskrise sieht Marugg den Ölpreiszerfall nicht. Er sei vielmehr ein erstes Indiz der bereits herrschenden Rezession.
Aktien schwächer, Franken stärker
ch. Mit der Abschwächung der Wirtschaft erwarten die Anleger in den kommenden Jahren geringere Unternehmensgewinne. Dies drückt auf die Aktienkurse. Laut BLKB-Analyst Cyrill Marugg braucht es für eine deutliche Erholung der Kurse die Aussicht auf die Rückkehr zu einer «gesellschaftlichen und konjunkturellen Normalität». Voraussetzung dafür sei eine deutlich rückläufige Ansteckungsquote weltweit sowie ein Impfstoff. Bis es so weit ist, herrsche weiterhin Unsicherheit; die Aktienmärkte blieben unbeständig.
Wie so oft in Krisenzeiten, ist der Schweizer Franken bei Anlegern als sicherer Hafen gefragt. Der Franken hat sich gegenüber dem Euro seit Anfang Jahr weiter aufgewertet. Gemäss Marugg bemühe sich die Nationalbank seit März mit Devisenmarktinterventionen, die mit dem Euroraum verflochtene Schweizer Wirtschaft nicht zusätzlich mit einem zu starken Franken zu belasten.