«Druck wird nach unten weitergereicht»

  30.04.2020 Baselbiet

Keine Umzüge, keine Ansprachen, keine Feierlichkeiten – der 1. Mai, der Feiertag für Gewerkschaften und Arbeitnehmende, fällt in der gewohnten Form dieses Jahr aus. Forderungen haben die Arbeitnehmervertreter trotzdem. Andreas Giger-Schmid, Präsident des Gewerkschaftsbunds Baselland, erklärt sie im Interview und lobt dabei die Baselbieter Politik.

Tobias Gfeller

Der morgige 1. Mai wird beweisen, dass es diesen Feiertag gar nicht braucht und die Demonstrationen und Feierlichkeiten unnötig sind. Einverstanden?
Andreas Giger-Schmid:
Der Druck, der derzeit auf den Arbeitnehmenden liegt, beweist das Gegenteil. Die einen Arbeitnehmenden kommen kaum nach mit der Arbeit, andere wiederum werden entlassen, weil die Arbeit plötzlich anders verteilt ist. Es sind vor allem die Arbeitnehmenden, die unter der aktuellen Situation leiden. Der Druck wird – wie so oft – nach unten durchgereicht.

Wie schwer wiegt der Verlust des 1. Mai in der gewohnten Form aus Sicht der Gewerkschaften und Arbeitnehmenden?
Natürlich hätten wir uns einen anderen 1. Mai gewünscht. Wenn wir zwischen den Festlichkeiten und der Gesundheit abwägen müssen, dann geht die Gesundheit aber natürlich vor. Der Verlust von Leben wiegt selbstverständlich schwerer.

Befürchten Sie, dass das Thema, den 1. Mai als Feiertag zu streichen, damit wieder zusätzlichen Schub erhält? Fürchten Sie sogar um die Zukunft des 1. Mai?
Nein, die Coronakrise hatte bisher die gegenteilige Wirkung.Viele Arbeitnehmende haben in diesen Tagen die Bedeutung der Gewerkschaften verstanden, weil sie selbst von zu wenig Schutz am Arbeitsplatz oder von Personalabbau betroffen sind. Wenn die Unterstützung für die Arbeitnehmenden nicht deutlich erhöht wird, rechne ich vielmehr mit einer noch stärkeren Präsenz im nächsten Jahr.

Unter welchem Hauptthema hätten die 1.-Mai-Feierlichkeiten in diesem Jahr gestanden? Welche Botschaft hätten Sie damit transportieren wollen?
Das Hauptthema ist und bleibt «wertvolle Arbeit, faire Löhne». Die Lohnentwicklung hinkt in vielen Branchen den Preissteigerungen bei Krankenkassen oder Mieten hinterher. Das hat sich durch die Coronakrise nicht verändert und die Entwicklung von Löhnen und Lebenskosten wird – im Gegenteil – noch weiter auseinanderklaffen, wenn wir nicht rechtzeitig eingreifen.

Wie schätzen Sie aktuell die Situation der Arbeitnehmerschaft insbesondere im Baselbiet ein – in Anbetracht von Corona und ganz generell?
Die Situation hat sich gebessert, seit die Umsetzung der BAG-Massnahmen verstärkt kontrolliert wird. Wir erhalten aber immer noch Meldungen von Arbeitnehmenden, die nicht wissen, wie sie sich an ihrem Arbeitsplatz schützen sollen. Ausserdem besteht bei vielen eine grosse Unsicherheit. Insbesondere bei Temporär-Angestellten, die befürchten, ihre Stelle ganz zu verlieren.

Welche Sorgen und Nöte beschäftigen die Baselbieter Arbeitnehmenden zurzeit am stärksten?
Das sind nach wie vor die Einhaltung der BAG-Massnahmen und die Jobsicherheit.

Wie schätzen Sie die Hilfen und Massnahmen vonseiten der Baselbieter Politik und der Wirtschaft zugunsten der Arbeitnehmenden ein? Reichen diese oder braucht es noch mehr?
Die Baselbieter Regierung hat – ganz im Gegensatz zu Basel-Stadt – grossen Wert darauf gelegt, dass die Sicherheitsmassnahmen des BAG umgesetzt werden und die Gesundheit der Arbeitnehmenden geschützt wird. Sie hat die Kontrollen massiv verstärkt, während im Nachbarhalbkanton höchstens ein paar Pro-Forma-Kontrollen durchgeführt wurden.

Der Baselbieter Landrat ist links-grüner geworden, das eidgenössische Parlament vor allem grüner. Spüren Sie als Arbeitnehmervertreter von den veränderten politischen Landschaften schon einen Schub?
Die Machtverhältnisse im Baselbiet sind nach wie vor eindeutig, eine deutliche Veränderung haben wir nicht festgestellt. Mit dem Erstarken der Grünen ist aber natürlich die Nachhaltigkeit stärker in den Fokus gerückt.

 


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