Das Schnitzdorf wählt den Neuanfang
11.02.2020 Bezirk Waldenburg, Wahlen, TittertenPräsident Schweizer und Vize Coigny abgewählt
66 Prozent der Stimmberechtigten haben sich an der Gemeinderatswahl in Titterten beteiligt. Sie erteilten dem amtierenden Präsidenten und seiner Vizepräsidentin eine beispiellose Abfuhr.
Sebastian Schanzer
Die ...
Präsident Schweizer und Vize Coigny abgewählt
66 Prozent der Stimmberechtigten haben sich an der Gemeinderatswahl in Titterten beteiligt. Sie erteilten dem amtierenden Präsidenten und seiner Vizepräsidentin eine beispiellose Abfuhr.
Sebastian Schanzer
Die Sitze von Heinrich Schweizer und Simone Coigny im Gemeinderat haben gewackelt. Das war im Vorfeld der Gesamterneuerungswahlen in Titterten bereits klar. Mehrere Gründe sorgten im Dorf für ein schlechtes Klima: Drei Rücktritte von unzufriedenen Gemeinderäten innerhalb von neun Monaten, die Demission aller Mitglieder der Rechnungs- und Geschäftsprüfungskommission wegen Streitigkeiten mit Präsident Schweizer und die umstrittene Lohnfortzahlung der freigestellten Gemeindeverwalterin bis März, die das ohnehin rote Budget mit zusätzlichen 30 000 Franken belastete. Das Budget wurde an der Gemeindeversammlung vom Dezember denn auch zurückgewiesen und erst im zweiten Anlauf genehmigt (die «Volksstimme» berichtete).
Wie sehr die Einwohnerinnen und Einwohner des 400-Seelen-Dorfs sich einen Neustart ohne ihren amtierenden «Breesi» und seine Vize wünschten, zeigt die Stimmbeteiligung vom Wahlsonntag: 66,2 Prozent haben gewählt, und das Ergebnis bietet keinen Raum für Interpretationen. Diese Wahl war in erster Linie eine Abwahl.
«Das wird eine strenge Zeit»
Schweizer erhielt 59 Stimmen, Coigny 60. Rund das Dreifache erhielten die neu Antretenden Remo Frey (178), Verena Heid (176) und Raphael Löffel (170) sowie der Bisherige Theo Schweizer (177). Leicht abgeschlagen, aber mit 125 Stimmen immer noch deutlich über dem Absoluten Mehr wurde auch der Bisherige Albert Gort gewählt. Verena Heid darf ihr Amt bereits jetzt antreten – sie wurde an der gleichzeitigen Ersatzwahl für die restliche Amtsperiode bis Ende Juni mit 145 Stimmen gewählt.
Der Neuanfang bedeutet für das Dorf auch einen Verlust an Erfahrung im Gemeinderat. Albert Gort wird in der neuen Besetzung der Amtsälteste sein. Er wurde vor gerade einmal drei Monaten gewählt, Theo Schweizer einen Monat später. Allerdings: Mit Verena Heid befindet sich eine Wiedereinsteigerin unter dem künftigen Gremium. Heid sass bereits von 2007 bis 2012 sowie von 2015 bis 2017 im Gemeinderat. Erschwerend kommt aber hinzu, dass auch der interimistische Verwalter erst seit vergangenem September in Titterten arbeitet.
«Ja, das wird mit Sicherheit eine strenge Zeit», sagt der frisch gewählte Remo Frey, der von der Deutlichkeit des Ergebnisses überrascht wurde. Er habe Respekt vor den grossen Aufgaben, die nun auf das neue Team warten. Albert Gort zeigt sich indes zuversichtlich: «Wichtig ist, dass wir nach vorne schauen. Wir packen das.»
Die Art und Weise, wie Heinrich Schweizer und Simone Coigny am Sonntag abgewählt wurden, sei allerdings hart, sind sich Frey und Gort einig: «Die beiden haben sich weitaus mehr für das Dorf eingesetzt, als es heute den Anschein macht», sagt Gort. Und auch Frey ist überzeugt: «Schweizer hat viel für Titterten geleistet. Es tut mir leid, dass er so abtreten muss.»
NACHGEFRAGT | HEINRICH SCHWEIZER, GEMEINDEPRÄSIDENT TITTERTEN
«Mein Ego ist schon angekratzt»
Herr Schweizer, wie fühlen Sie sich nach dieser Abfuhr?
Klar, mein Ego ist schon angekratzt, aber so schlecht geht es mir nun auch wieder nicht. Ich wusste, dass ich mich mit meiner Kandidatur einem grossen Risiko aussetzte, abgewählt zu werden.
Was gab Ihrer Meinung nach den Ausschlag dafür?
Es war mit Sicherheit die Freistellung unserer Verwalterin und der damit verbundene Vorwurf der Intransparenz. Das Problem dabei war, dass es uns aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes gar nicht möglich war, transparenter zu informieren. Zudem standen wir unter zeitlichem Druck.
Das Ergebnis der Wahlen lässt keinen Spielraum für unterschiedliche Deutungen. Es ging den Einwohnern darum, Sie abzuwählen. Fühlen Sie sich noch wohl in Titterten?
Also ich werde deswegen jetzt nicht aus dem Dorf wegziehen.
Nun sind Sie noch knapp fünf Monate im Amt. Werden Sie noch etwas reissen in dieser Zeit?
Die Motivation, mich weiterhin für das Dorf einzusetzen, hat unter dieser Wahl bestimmt gelitten. Ich werde aber tun, was nötig ist, um eine saubere Übergabe an meine Nachfolger vorzubereiten.
Beim neu gewählten Gremium handelt es sich, mit Ausnahme von Verena Heid, um politische Neulinge. Kann das ein Problem für die Gemeinde werden?
Ich sehe zwei Möglichkeiten: Eine solche Erneuerung kann frischen Wind mit neuen Ideen für das Dorf bringen. Es wird aber auch Probleme geben, die eine erfahrene Person besser und schneller lösen kann als eine unerfahrene. Das kann durchaus zu heiklen Situationen führen.
Würden Sie als erfahrener Alt-Präsident bei solchen Problemen Hand bieten?
Was soll ich dazu sagen? Wenn sie mich sehr nett fragen …