Bald Urwald im Röserental?
13.02.2020 Baselbiet, TennikenDie klimatischen Veränderungen, die Bewirtschaftung und die Nutzung als Freizeitpark bewirken, dass sich der Wald den neuen Bedingungen anpassen muss. An einer Podiumsdiskussion des Vereins Erlebnisraum Tafeljura setzten sich Fachleute mit den Herausforderungen auseinander.
Otto ...
Die klimatischen Veränderungen, die Bewirtschaftung und die Nutzung als Freizeitpark bewirken, dass sich der Wald den neuen Bedingungen anpassen muss. An einer Podiumsdiskussion des Vereins Erlebnisraum Tafeljura setzten sich Fachleute mit den Herausforderungen auseinander.
Otto Graf
Seit Jahren setzt sich der Verein Erlebnisraum Tafeljura an seinem Podiumsanlass «Forum kontrovers» mit Themen zu Natur und Landschaft auseinander. Heuer befassten sich die Fachleute im voll besetzten Gemeindesaal von Tenniken mit dem Wald – just zu einem Zeitpunkt, als die Nachzügler des Sturmtiefs Sabine ostwärts abzogen. «Der Wald produziert Holz und Sauerstoff, liefert Trinkwasser, dient als Schulzimmer sowie als Erholungs- und Freizeitanlage», hielt Vereinspräsidentin und Nationalrätin Florence Brenzikofer einleitend fest. Zudem, fuhr sie fort, nehme der Wald im Baselbiet einen hohen Stellenwert ein, bedeckt er doch über 40 Prozent der Kantonsfläche. Und sie stellte die Frage in den Raum, wie sich die klimatischen Veränderungen und die Sturmwinde langfristig auf den Wald auswirken.
Was «Sabine» hinterlassen habe, fragte Moderator David Thommen, Chefredaktor der «Volksstimme», in die Runde. «Wohl gab es Löcher in den Beständen. Aber es war weniger schlimm als erwartet», stellte Ueli Meier, Vorsteher Amt für Wald beider Basel, fest und ergänzte, der einst hohe Anteil der Fichte im Waldbestand habe nach «Lothar» um etwa die Hälfte abgenommen, weil dieser Baum wegen seiner Nadeln dem Wind besonders stark ausgesetzt sei.
Der Aufenthalt im Wald, sagte Meier weiter, sei nun nicht gefährlicher geworden. Die Wahrscheinlichkeit, von einem Hund gebissen oder von einem Auto umgefahren zu werden sei höher, als von einem kippenden Baum erschlagen zu werden.
Die Natur braucht und hat Zeit
Auch Hanspeter Stoll, Waldchef und – wiedergewählter – Bürgerrat in Liestal, mochte die aktuelle Situation nicht dramatisieren. «Burglind», die vor zwei Jahren durch die Wälder fegte, habe die Bürgergemeinde Liestal mit ihrer rund 1500 Hektaren umfassenden Waldfläche verkraftbare 100 000 Franken gekostet. Mehr Sorgen bereite die Buche, die unter den klimatischen Veränderungen besonders stark leide. Wie es genau aussieht, werde sich nach dem Laubaustrieb im Frühjahr zeigen. «Die Natur regelt alles. Aber sie braucht Zeit», betonte Stoll. Der Forstbetrieb wirke unterstützend und bringe auf den Schlagflächen unter anderem wärmeliebende Pflanzen ein, wie etwa die Edelkastanie. Angst im Wald, so Stoll, müsse niemand haben, sofern man die Augen offen halte und gewisse Verhaltensregeln beachte.
Beim Thema Sicherheit hakte Nathalie Oberholzer, Inhaberin Umweltagentur ecoviva, Umweltbildung Naturforum Regio Basel, ein. Eigenverantwortung könne man sich nur aneignen, wenn man in den Wald geht. «Schulkinder lernen im Wald, was essbar, was giftig ist. Sie erfahren, was der Wald überhaupt ist und wie sich extreme Witterungen im Forst auswirken», verdeutlichte die Biologin.
Der Klimawandel sei auch auf der Jagd spürbar, stellte der Jäger und Jagdaufseher Rolf Wirz fest. Das Rehwild verhalte sich in Trockenperioden anders. Die fehlenden Winter, verbunden mit einem reichlichen Nahrungsangebot, würde insbesondere die Population des Schwarzwilds begünstigen.
Neue Technologien
Den Freizeitpark Wald nutzen zunehmend die Biker. René Schenker, Präsident Trailnet Region Nordwestschweiz, betonte, es sei seiner Organisation ein grosses Anliegen, das Biken im Wald im Einklang mit den Eigentümern, den Förstern und den Jägern zu ermöglichen.
Zum Thema Wirtschaftlichkeit verwies Ueli Meier angesichts der tiefen Preise auf dem Holzmarkt auf neue Technologien in der Holznutzung. So sei es realistisch, schon bald mittels 3D-Drucker Erzeugnisse auf Holzbasis herzustellen.
Um Geld zu sparen, könne man den Wald ja auch sich selbst überlassen, meinte eine Frau aus dem Publikum. Für den Liestaler Waldchef ist das gar nicht so abwegig: Er stellte in Aussicht, im Röserental in einem grösseren Bestand auf jegliche Eingriffe zu verzichten und zu beobachten, was hier langfristig abgeht. Liestal könnte also bald einmal eine Art Urwald bekommen.