Auswandern als Nach-Hause-Kommen
23.01.2020 Bezirk Waldenburg, HölsteinGitti und Peter Maurer leben künftig in Costa Rica
Sie haben sich entschieden, ihre Zelte in Hölstein abzubrechen und ihre dritte Lebensrunde an einem Ort zu verbringen, der für sie nicht schöner sein könnte.
Elmar Gächter
Von wegen Nervosität. «Ich ...
Gitti und Peter Maurer leben künftig in Costa Rica
Sie haben sich entschieden, ihre Zelte in Hölstein abzubrechen und ihre dritte Lebensrunde an einem Ort zu verbringen, der für sie nicht schöner sein könnte.
Elmar Gächter
Von wegen Nervosität. «Ich freue mich riesig, unser neues Haus zu beziehen und einfach dort zu sein», sagt Peter Maurer. Die Vorfreude ist ihm ins Gesicht geschrieben. Dort, das ist in der Nähe von Porto Viejo in der Provinz Limon an der karibischen Küste im Südosten von Costa Rica. Diese Gegend kennt er in der Zwischenzeit mindestens ebenso gut wie das Waldenburgertal, wo er seit 70 Jahren wohnt. Etwas schwerer tut sich seine Frau Margrit, genannt Gitti. «Meine Arbeit in der Pflege kann ich gut hinter mir lassen, aber die Menschen, das ist schon etwas schwieriger.»
Ob Auswandern oder nicht, ihre Tätigkeit als selbstständige Pflegefachfrau hätte sie so oder so aufgegeben. «Jetzt sind meine Kundinnen und Kunden ein wenig traurig, dass ich weggehe. Aber ich habe versprochen, ihnen ab und zu ein digitales Föteli aus Costa Rica zu senden.»
Am 9. Februar steigt Peter Maurer ins Flugzeug, das ihn in gut elf Stunden endgültig in seine neue Heimat trägt, seine Frau folgt ihm ein paar Wochen später. Mit dabei sein wird ihre betagte Mutter, zwar mit Flugangst, aber gespannt auf das Abenteuer. «Jetzt mache ich doch noch eine Weltreise und gehe in den Dschungel», meinte sie zu ihrem zweimonatigen Abstecher.
Alles langsamer, alles «tranquillo»
In der Tat, grün ist es diesem landschaftlich vielfältigen Paradies, kaum grösser als die Schweiz. Peter und Gitti Maurer haben sich schon bei ihrem ersten Besuch vor bald 25 Jahren in Land und Leben verliebt – und nach jedem ihrer zahlreichen Besuche fühlten sie sich noch stärker gebunden an das angenehme Klima, an die Bewohner. «Hier herrscht eine Lockerheit vor, überall hörst du Musik. Dieses Lebensgefühl gefällt mir einfach total», schwärmt der Auswanderer und fügt an: «Du bewegst dich hier ganz anders, wirklich ‹tranquillo›. Ich habe mir sogar angewöhnt, langsamer zu gehen.»
Ganz allein unter Einheimischen werden Maurers in ihrer neuen Umgebung nicht sein. Vor 35 Jahren hat sich hier Peters Freund Christian Thommen aus Hölstein mit seiner Familie eine Existenz als Biofarmer aufgebaut. Er pflanzt Bananen und Kakaobohnen an. Gegen zwanzig Mal hat ihn Peter Maurer bereits besucht, während seiner beruflichen Tätigkeit meist nur wenige Wochen. Sein Rücktritt vom Erwerbsleben erlaubte ihm in der Folge auch Aufenthalte von mehreren Monaten Dauer. Und in dieser Zeit werden Peter und Gitti Maurer wohl auch den Entscheid gefällt haben, endgültig nach Costa Rica zu ziehen. «Aber eigentlich wollte Peter dies schon immer», ist seine Frau überzeugt.
Kein Trennungsschmerz
Ihr Haus in Hölstein aus dem 18. Jahrhundert, seit mehreren Generationen im Eigentum der Familie Maurer, haben sie in der Zwischenzeit verkauft. «Ich kann mich erstaunlicherweise problemlos von ihm trennen, auch wenn wir hier eine gute Zeit erlebt haben», sagt Peter Maurer. Apropos Haus: Vor zwei Jahren haben Maurers den Grundstein für eine neue Unterkunft unweit ihrer Schweizer Freunde gelegt. Mit seinem handwerklichen Können als gelernter Metallbauschlosser hat er selber stark Hand angelegt und sich die Hilfe von einheimischen Tagelöhnern geholt.
«Sie haben tipp topp gearbeitet. Nur die Ordnung auf der Baustelle liess anfangs zu wünschen übrig. Ohne meine Helfer zu tadeln, habe ich Ende Woche selber aufgeräumt. Und siehe da, ab diesem Zeitpunkt wischten sie jeden Abend selber alles sauber zusammen.» Peter Maurer schwärmt von der guten und fröhlichen Stimmung auf dem Bau, die sogar das Haus selber umgarne. «Als ich erstmals unser fertiges neues Zuhause betreten habe, spürte ich nur positive Gefühle», so Gitti Maurer.
Fernweh begleitet Peter Maurer bereits seit vielen Jahren. Mit seinen Freunden ist er schon um die halbe Welt gereist, vor allem in den vergangenen Jahren, als er pensioniert und seine acht Jahre jüngere Frau noch berufstätig war. «Dieses Fernweh liegt vielleicht auch in meinen Genen, lebt doch meine ältere Schwester schon seit langer Zeit in Australien.» Diese habe ihn zu seinem Entscheid auszuwandern beglückwünscht.
«Uns fehlt es dort an nichts»
Erstaunt zeigt sich Peter Maurer, dass er in Hölstein sehr selten auf die neue Lebensphase angesprochen worden ist. «Ich höre im Hintergrund eher ein bisschen Erstaunen, dass ich mich in meinem Alter auf so etwas einlasse.»
Peter und Gitti sind jedoch überzeugt, das Richtige zu tun. «Uns fehlt es in Costa Rica an nichts. Die Gesundheitsversorgung ist gewährleistet und die Einkaufsmöglichkeiten sind auch gut. Und warum materiell nicht etwas zurückschrauben?», so die rhetorische Frage von Gitti Maurer.
Eine Rückfallebene oder einen Plan B für den Fall, dass irgendetwas schief gehen könnte, haben beide nicht. «Daran haben wir nie gedacht. Wir könnten das, was wir uns dort aufgebaut haben, schon allein emotional gar nicht verlassen. Und Gitti und ich finden überall Anschluss.» So werden sie sich bis zu ihrem Lebensende jenem karibischen Lebensgefühl hingeben, von dem sie schon seit Langem schwärmen. Inmitten einer Welt voller Grün und gleich nebenan umgeben von Nasenbären, Tukanen, Fröschen und Brüllaffen. Wer so lebt, für den ist das Auswandern in der Tat ein Nach-Hause-Kommen.