Geschenkt, aber nur mit halber Freude
07.11.2019 Baselbiet, Bezirk LiestalAm 1. Januar 2020 übergibt der Kanton rund 39 Kilometer Strassen in die Kompetenz und Zuständigkeit des Bundesamtes für Strassen. Ein Schritt, der für den Kanton Baselland nicht nur positive Seiten hat.
Elmar Gächter
Im Dezember 2012 hat das eidgenössische ...
Am 1. Januar 2020 übergibt der Kanton rund 39 Kilometer Strassen in die Kompetenz und Zuständigkeit des Bundesamtes für Strassen. Ein Schritt, der für den Kanton Baselland nicht nur positive Seiten hat.
Elmar Gächter
Im Dezember 2012 hat das eidgenössische Parlament im sogenannten Netzbeschluss (NEB) die Erweiterung des Nationalstrassennetzes um rund 400 Kilometer Kantonsstrassen verankert. Dazu zählen auf Baselbieter Boden die A18 von der Kantonsgrenze Jura/Baselland bis zum Anschluss Muttenz Süd sowie die A22 von Pratteln bis Sissach. Nachdem das Schweizer Stimmvolk am 12. Februar 2017 dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) zugestimmt hat, werden die beiden Strassenzüge am 1. Januar 2020 entschädigungslos an den Bund übergehen und von Kantonsstrassen zu Nationalstrassen umklassiert.
Was sich als grosse Entlastung des Baselbieter Rechnungshaushalts angekündigt hat, entpuppt sich beim näheren Betrachten als zweischneidiges Schwert. Zwar werden Ausbau und Unterhalt auf diesen 38,5 Kilometern neu weitgehend aus der Bundeskasse finanziert, aber Bern sagt künftig, was wann gebaut wird. «Wir sitzen nur noch auf dem Beifahrersitz. Wohl können wir unsere Wünsche anbringen, ob dabei aber unsere regionalen und lokalen Bedürfnisse erfüllt werden, steht auf einem anderen Blatt», sagt Kantonsingenieur Drangu Sehu, der von Kantonsseite her die Übergabeverhandlungen mit dem Bundesamt für Strassen (Astra) führt.
Der Bund wird laut Sehu auf dem übergehenden Netz vorläufig nur jene Vorhaben realisieren, deren Projekte die Baureife erlangt haben. So habe der Kanton die Zusicherung erhalten, dass der Lärmschutz entlang der A22 in Lausen erstellt wird. Weitere ausführungsreife Projekte liegen nicht vor.
Deshalb sei aus heutiger Sicht völlig offen, wann beispielsweise die Umfahrung Liestal mit geschätzten Kosten von 70 Millionen Franken instand gestellt werde oder wann eine Umfahrung Laufen–Zwingen mit Investitionen gegen eine Milliarde in Angriff genommen werden könne. «Weshalb soll sich der Bund aus nationaler Sicht plötzlich um die Laufentalstrecke kümmern, nachdem sie regional während Jahrzehnten ein Schubladendasein führte? Da kommen wir in einen Erklärungsnotstand», so der Kantonsingenieur. Wolle man aus kantonaler Sicht solche Projekte forcieren, müsse man sich bewusst sein, dass sich der Kanton allenfalls finanziell daran beteiligen müsse.
Perimeter ist noch offen
Während die Stammlinie des abzutretenden Strassennetzes fixiert wurde, ist noch weitgehend offen, wie weit der Perimeter bei Anschlüssen vor allem an die A22 gefasst wird. Laut Sehu möchte das Astra möglichst viele Anschlussbauwerke in sein Zuständigkeitsgebiet einbeziehen. Zur Diskussion stehen unter anderem der Anschluss Altmarkt in Liestal sowie der Anschluss Lausen ab «Lidl»-Kreisel. «Aus kantonaler Sicht ist dies nicht attraktiv, weil wir gerne ein zusammenhängendes Kantonsstrassennetz haben, auf dem wir alles nach unseren kantonalen Verfahren abwickeln können», hält der Leiter des Tiefbauamts fest. Auch private Anstösser würden es kaum verstehen, wenn sie es plötzlich mit anderen Regelungen und Gesprächspartnern zu tun bekämen.
Mit dem Übergang von A18 und A22 geht auch der bauliche und betriebliche Unterhalt auf diesen Strassen an den Bund über. Allerdings ändert dies an heutigen ausführungsmässigen Zuständigkeiten nichts. Auf diesen beiden Hochleistungsstrassen wird auch weiterhin die Nationalstrassen Nordwestschweiz AG (NSNW) den Unterhalt besorgen und der Kreis 1 des Tiefbauamts die zweispurige Strecke von Reinach Süd bis zur Kantonsgrenze zum Jura betreuen. Die entsprechenden Kosten übernimmt ab 1. Januar 2020 zwar der Bund, doch handelt es sich – wie im Übrigen bereits heute – um ein finanzielles Nullsummenspiel. Das «Sparpotenzial» von rund 3 Millionen Franken muss der Kanton mit dem Verzicht auf die bisherigen Globalbeiträge des Bundes an das regionale Hauptstrassennetz erkaufen.
Nicht im Netzbeschluss des Bundes enthalten ist der Chienbergtunnel samt nördlichem Kreisel. Drangu Sehu begründet dies so: «Der Bund hat als entscheidendes Kriterium für eine Übernahme der A22 die Anbindung des Kantonshauptorts Liestal an die Nationalstrasse festgelegt. Für den Anschluss von Liestal braucht es den Chienbergtunnel nicht.»
Vignettenpflicht ab Januar
Könnte Kantonsingenieur Sehu aus heutiger Sicht entscheiden, würde er die beiden Strassen nicht mehr abgeben. Denn Parlament und Volk im Baselbiet seien für schlaue, gute Projekte zugunsten der Wertschöpfung durchaus zu haben. Nur sei der Prozess bis zur Realisierung eines Projekts sehr langwierig und schwerfällig geworden. Die Auslagerung an den Bund könne für Vorhaben auf A18 und A22 diese Tendenz noch verstärken, da die Prioritäten aus nationaler Sicht nicht mit den regionalen übereinstimmen müssten. Dazu komme, dass die Schnittstellen mit dem Bund nach dem Übergang noch grösser würden und diese bewirtschaftet werden müssten. «Dies generiert keinen Mehrwert», hält Sehu fest.
Für die Automobilistinnen und Automobilisten wird sich mit dem Eigentumsübertrag nicht viel ändern. Neu ist jedoch ab 1. Januar 2020, dass grosse Teile der A18 und A22 im Gegensatz zu heute vignettenpflichtig werden.