Blick auf die Bevölkerung
07.11.2019 Baselbiet, OltingenWenn überleben bedeutet, die Heimat zu verlassen. Die laufende Sonderausstellung im Museum in Oltingen widmet sich ganz dem Thema der Ab- und Zuwanderung.
Susan Fey
In der laufenden Sonderausstellung mit dem Titel «Warum Anna B. vor 200 Jahren ging und Rolf H. vor ...
Wenn überleben bedeutet, die Heimat zu verlassen. Die laufende Sonderausstellung im Museum in Oltingen widmet sich ganz dem Thema der Ab- und Zuwanderung.
Susan Fey
In der laufenden Sonderausstellung mit dem Titel «Warum Anna B. vor 200 Jahren ging und Rolf H. vor 20 Jahren kam» im Museum Oltingen-Wenslingen-Anwil wird die Bevölkerungsentwicklung in den drei Dörfern mit einem speziellen Blick auf die Abwanderung von Mitte des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts gezeigt. Auch wird das Zusammenspiel von Zu- und Abwanderung durchleuchtet. Auf mehreren klassischen Tafeln werden wahre Geschichten erzählt, die auch in die heutige Zeit passen würden. Menschen, die kein Einkommen mehr hatten, Haus und Hof verliessen, um in Übersee das «gelobte Land» zu finden. Um wieder zu arbeiten und die hungrigen Mäuler am Tisch stopfen zu können.
Viele wanderten auch von den Dörfern ab in die Nähe der Fabriken, dorthin, wo die Industrialisierung versprach, Träume und Wünsche wahr werden zu lassen. In einem alten Kasten mit Schubladen sind 70 Geschichten aufgeschrieben, von Einzelpersonen und Familien, die nach Übersee gingen: Missionare, Soldaten und viele Wirtschaftsmigranten.
Warum die Menschen diese Reise auf sich nahmen, die manchmal auch tödlich oder in der Sklaverei endete, wird einem eindrücklich gezeigt. Die intensiv recherchierten Szenarien lassen den Vergleich mit der heutigen Migration und dem Flüchtlingselend auf der ganzen Welt zu.
Auch die Geschichte der Hanna Lüty, der Missionarsbraut, die nach Indien an einen Missionar verheiratet wurde, lässt Parallelen zur heutigen Zeit ziehen. Man weiss nicht, ob die 28-jährige Frau aus dem Oberbaselbiet freiwillig nach Indien ging. Oder hat sich die Familie verpflichtet gefühlt, der Kirche ein Opfer zu bringen? Aus den Briefen von Hanna an die Familie im Dorf ist die Sehnsucht nach dem Baselbiet und der Familie zu spüren. Hanna stirbt in Indien nach nur zwei Jahren an einer schweren Krankheit.
In der Ausstellung kommen aber auch 14 «Einwanderer» zu Wort. In Videointerviews erzählen Zeitgenossen eindrücklich von ihrer Beziehung zu den Dörfern Oltingen, Wenslingen und Anwil.
Der Mensch im Mittelpunkt
An diesem ersten November-Wochenende konnte man auch an einer kulturund kunstgeschichtlichen Führung in der Oltinger Kirche und speziell zu deren Fresken teilnehmen, geleitet von zwei Künstlern und Vorstandsmitgliedern des Oltinger Museums. Franz Goldschmidt erzählte spannende Details zur Architektur und Entstehung des Museums, das im Erdgeschosse der 1984 umgebauten Pfarrscheune untergebracht ist. Die Kirche wurde in verschieden Zeitepochen verändert. Man baute eine seitliche Tribüne ein, vergrösserte die Fenster sowie den Chor. Bei den spätgotischen Fresken im Innern der Kirche übernimmt Marianne Flury die Führung.
Die Kirche wurde 1957 renoviert. Die zur Reformationszeit überstrichenen Fresken aus dem 15. Jahrhundert wurden freigelegt und zum Teil restauriert. Die verwendeten Farben sind warme Erdfarben, wie Umbra, Ocker, Grün und Blau aus Halbedelsteinen und Kohle.
Im unteren Teil der Kirchenwände sind die Fresken Heiligen und Engeln gewidmet, im oberen Teil der Geschichte von Maria sowie Geschichten von Tod und Auferstehung. Auch hier steht der Mensch schonungslos im Mittelpunkt und bildet mit den Geschichten der Auswanderer und Heimatsuchenden einen Kreis.
Die Sonderausstellung ist noch einmal geöffnet am Sonntag, 1. Dezember, 10 bis 12 Uhr und 14 bis 17 Uhr. Die Finissage der Sonderausstellung findet am 5. Januar 2020 von 10 bis 13 Uhr statt.