Es geschieht am helllichten Tag
11.04.2019 Bezirk Waldenburg, Polizei, Waldenburg, NiederdorfVandalismus an mehr als 100 Autos in zwei Wochen
Im Waldenburgertal treiben ein oder mehrere Vandalen ihr Unwesen. In den beiden vergangenen Wochen wurden schon mehr als 100 Autos zerkratzt – auch tagsüber. Der Schaden beläuft sich auf mehr als 150 000 ...
Vandalismus an mehr als 100 Autos in zwei Wochen
Im Waldenburgertal treiben ein oder mehrere Vandalen ihr Unwesen. In den beiden vergangenen Wochen wurden schon mehr als 100 Autos zerkratzt – auch tagsüber. Der Schaden beläuft sich auf mehr als 150 000 Franken.
Christian Horisberger
Wer in Waldenburg oder Niederdorf sein Auto parkiert, muss damit rechnen, dass er es mit Kratzern im Lack wieder antrifft – auch tagsüber. In den vergangenen zwei Wochen sind bei der Baselbieter Polizei 106 Anzeigen im Zusammenhang mit zerkratzten Autos in den beiden Gemeinden eingegangen, sagt Sprecher Adrian Gaugler. Das zwischen Waldenburg und Niederdorf gelegene Oberdorf wurde bisher verschont. Damit hat sich die Zahl um 30 erhöht, seit «20 Minuten» am Sonntag von den Vandalenakten berichtete.
Mit einem spitzen, metallenen Gegenstand seien Autos auf privaten und öffentlichen Parkplätzen beschädigt worden, sagt Gaugler. Auf einen bestimmten Autotyp, zum Beispiel SUV, habe es die Täterschaft nicht abgesehen, es seien Fahrzeuge «querbeet» betroffen. Verschont blieben bislang Autos in Garagen oder Tiefgaragen. Daher auch die Empfehlung der Polizei an die Automobilisten, ihre Fahrzeuge wenn möglich in einer Garage abzustellen.
Ermittlung «unter Hochdruck»
Zu welcher Tages- oder Nachtzeit, der oder die Autokratzer unterwegs sind, an welchen Wochentagen und in welchen Quartieren die Taten begangen werden, bleibt das Geheimnis der Polizei – aus «ermittlungstaktischen Gründen», wie Gaugler sagt. Er versichert: «Wir sind mit Hochdruck daran, mutmassliche Täter zu ermitteln.» Den bisherigen Schaden beziffert der Polizeisprecher auf rund 100 000 Franken. «Das reicht lange nicht», sagt Giuseppe Scuderi. Der Niederdörfer Carrossier und Autolackierer geht von einer weit höheren Schadensumme aus: 150 000 bis 200 000 Franken. Seine Mitarbeiter hätten bereits fünf oder sechs Autos, die mutmasslich von dem oder den Vandalen zerkratzt worden sind, wieder in Schuss gebracht. Gestern Abend brachte ihm ein weiteres Opfer sein Fahrzeug zur Reparatur. Wenige Meter von Scuderis Betrieb steht ein Auto, dessen Lack ebenfalls beschädigt worden ist. Es handelt sich um einen Audi A8, eine Occasion der Tal-Garage. Über die rechtsseitige Hintertür zieht sich ein langer, nicht zu übersehender Kratzer.
Scuderi zeigt der «Volksstimme» zudem Fotos beschädigter Karrosserieteile von Kundenfahrzeugen, die er vor dem Ausbessern aufgenommen hat. Auf einem goldgelben VW T-Roc, einem SUV, hat der Täter auf Motorhaube und Kofferraumdeckeln je einen Kratzer von einigen Zentimetern Länge hinterlassen. So klein die Kratzer auf den Fotos auch wirken – die Reparatur für beide Teile mit dreimaligem Lackieren kostete die Werkstatt neun Stunden Arbeitszeit und den Kunden 2300 Franken.
Der T-Roc gehört Daniel Gentsch. Sein Auto sei an einem Donnerstagmorgen zwischen 8 und 12 Uhr beschädigt worden – am helllichten Tag. Es habe vor seinem Handwerksbetrieb, der Ricadec AG, gestanden. Am selben Tag sei eine ganze Reihe von Autos in unmittelbarer Umgebung ebenfalls zerkratzt worden, sagt Gentsch. Er habe Polizisten bei der Spurensicherung angetroffen.
Als sein VW beschädigt wurde, wusste Gentsch bereits vom Autovandalismus im Tal: «Meine Tochter hatte mir entsprechende Mitteilungen auf ‹Facebook› gezeigt.» Umso grösser ist sein Unmut über den Täter – und die Ohnmacht. Es bleibe ihm nichts anderes übrig, als seine Geschäftsfahrzeuge im Betrieb einzuschliessen und zu hoffen, dass sein frisch lackiertes Privatauto nicht noch einmal zerkratzt wird.
Autobesitzer müssen oft bezahlen
Gentsch hatte Glück im Unglück. Er hat für sein Fahrzeug eine Parkschadenversicherung ohne Selbstbehalt abgeschlossen. Ausser dem Ärger kostet ihn die Sache nichts. Vielen Betroffenen gehe es anders, sagt Carrossier Scuderi. In einer Vollkaskoversicherung sei ein solcher Schaden zwar abgedeckt, jedoch bleibe am Autobesitzer der Selbstbehalt hängen – in der Regel 1000 Franken.
Scuderi könnte sich über den Vandalismus freuen – die Reparatur der Lackschäden füllen seine Auftragsbücher. Stattdessen ärgert er sich: Ein Familienvater mit geringem Einkommen könne es sich nicht einfach so leisten, die Reparatur zu bezahlen. «Die Leute sind sauer», sagt auch Waldenburgs Gemeindepräsidentin Andrea Kaufmann. Dieser Vandalismus sei inakzeptabel. Sie kündigt an, die Sicherheitsfirma, mit der die Gemeinde zusammenarbeite, verstärkt patrouillieren zu lassen. Zudem erwarte sie, dass auch die Polizei «Präsenz zeigt» und den oder die Täter «hoffentlich bald erwischt und der leidigen Geschichte ein Ende setzt». Bis es so weit ist, werde sie ihr Auto konsequent in ihrer Garage parkieren und mit geschärfter Aufmerksamkeit durchs «Stedtli» gehen.
Das wird Polizeisprecher Gaugler gerne hören: Er ruft die Bevölkerung auf, die Augen offen zu halten und Personen, die sich auffällig verhalten, umgehend der Polizei zu melden.