MEINE WELT
19.11.2021 GesellschaftDie Welt in Schräglage
Es heisst zwar nachdenken, aber man sollte es vorher tun. Stattdessen ignorieren wir die Klimakrise, aber streiten über die gesellschaftlichen Folgen des Virus. Die Schweiz hat sich mittlerweile bis in die Familien hinein atomisiert: in ...
Die Welt in Schräglage
Es heisst zwar nachdenken, aber man sollte es vorher tun. Stattdessen ignorieren wir die Klimakrise, aber streiten über die gesellschaftlichen Folgen des Virus. Die Schweiz hat sich mittlerweile bis in die Familien hinein atomisiert: in Impfgegner mit und ohne Testverweigerung, Geimpfte, Genesene, Hypochondrische und solche mit Long-Covid-Symptomen. Die Pandemie als erste wirkliche Herausforderung für eine Gesellschaft, in der sich so viele Leute wie noch nie so vielfältig wie noch nie ausleben können. Und nun erleben wir, dass das Bundeshaus zum ersten Mal in seiner Geschichte mit Zäunen vor Randalierenden geschützt werden muss.
Als gäbe es nicht Initiativen und Referenden. Wo sonst ist der Souverän noch so souverän? Da werden Volksvertretende mit Rasanz zu Unterdrückern. Und das alles wegen eines befristeten Gesetzes. Dabei haben Bundesrat, Parlament und Behörden doch eine steile Lernkurve und virologisches Neuland hinter sich. Warum darf der Staat nicht auch den einen oder anderen Fehler machen? Deshalb wollen Bill Gates und Georges Soros die Menschheit noch lange nicht dezimieren.
Alle liberalen Denker des 19. und 20. Jahrhunderts waren sich einig, dass in Zeiten eines nationalen Notstands – sei es ein Krieg oder eine Pandemie – die Rechte des Einzelnen zugunsten des Allgemeinwohls eingeschränkt werden müssen. Meine Freiheit hört auf, wo die des anderen anfängt. Freiheitstreichler und Facebook-Maulhelden hin oder her. Übrigens ist mir staatliche Kontrolle lieber als die von Facebook.
Es gab mal eine Zeit, da waren Impfungen keine ideologische Frage, sondern eine der öffentlichen Gesundheit. Der Staat durfte Krankheiten noch durch Impfung bezwingen, denn ein einig Volk von Helden unterstützte technischen Fortschritt. Nun hat uns dieser so viel Wohlstand beschert, dass wir uns den Luxus gönnen können, der Wissenschaft aus dem Bauch heraus kollektives Irren zu bescheinigen. Da ist es mir lieber, der Staat begründet sein Handeln auf Krankenhauseintritten und nein!, nicht etwa an Verstorbenen, die nur angeblich an Covid verstorben sind. Übrigens, wenn der Staat die Wasseraufbereitung überwacht oder seine Bürgerinnen und Bürger in Zügen, Seilbahnen und durch Tunnels transportiert, dann vertrauen wir ihm unser Leben bedenkenlos an. Bei der Impfung aber lieber nicht?
Natürlich sind die Impfstoffe nicht jahrelang in der Phase 3 erprobt worden. Dafür haben auf der ganzen Welt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erstmals in Echtzeit zusammengearbeitet. Mir ist die kollektive Intelligenz der Besten lieber als isolierte klinische Testreihen eines Unternehmens X. Und warum sollten Pharmakonzerne, welche die Masern-Impfung erfunden haben, uns jetzt manipulieren wollen? Als Zombies sind wir nichts wert. Ich bin jetzt seit einem halben Jahr geimpft und ein Selbsttest sowie permanente Umfeldkontrolle haben ergeben: Ich bin nicht verrückter als früher. Vielleicht ein bisschen schräg, aber das passt bestens zu einer Welt in Schräglage.
Petra Huth ist Politikwissenschaftlerin und Ökonomin. Sie lebt in Anwil und amtet dort als Gemeinderätin.