Corona
25.11.2021 RegionSicht einer ungeimpften Pflegekraft
Liebe Leserinnen und Leser,
Ich wende mich mit diesem offenen Brief an Sie, weil die momentane Spaltung der Gesellschaft sehr bedrückend für mich ist. Ich habe ehrlich gesagt Angst vor der ...
Sicht einer ungeimpften Pflegekraft
Liebe Leserinnen und Leser,
Ich wende mich mit diesem offenen Brief an Sie, weil die momentane Spaltung der Gesellschaft sehr bedrückend für mich ist. Ich habe ehrlich gesagt Angst vor der Zukunft.
Ich bin 25 Jahre alt und dipl. Pflegefachfrau, und ich habe mich entschieden, mich nicht zu impfen. Warum? Nicht aus dem Grund, dass ich unsolidarisch bin oder etwa das Virus verleugne. Sondern weil ich gesund bin. Ich habe keine Angst vor dem Virus und mein Risiko, als junger, gesunder Mensch am Virus zu sterben, ist sehr gering.
Für alle Impfbefürworter: Ich verstehe Sie. Es gibt einem eine Sicherheit, die im Moment jedoch trügerisch ist. Denn sehr viele geimpfte Personen sind momentan von einer Corona-Erkrankung betroffen. Aber ich verstehe Sie und ich finde gut, wenn Sie sich so entschieden haben. Ich würde mir wünschen, dass man meine Entscheidung auch akzeptiert und mich nicht als unsolidarisch hinstellt. Ich halte mich an alle Schutzmassnahmen. Ich muss beweisen, dass ich gesund bin, damit ich arbeiten darf. Ich lasse mich testen. Reicht Ihnen das nicht?
Sehr viele Kommentare werden laut und sagen: «Wenn du nicht geimpft bist, dann mach eine Patientenverfügung, wenigstens ein Beitrag zur Pandemiebekämpfung.» Ich habe eine Patientenverfügung, seit ich 18 Jahre alt war. Weil dies jeder haben sollte – ganz egal mit welchem Impfstatus. Denn nichts in Ihrem Leben ist so sicher wie der Tod.
Es enttäuscht mich, dass man als gesunder Mensch nichts mehr in dieser Gesellschaft bedeutet. Es enttäuscht mich, dass man die Meinungen anderer nicht akzeptiert. Ich bin wirklich enttäuscht, wenn es heisst, jede Pflegekraft, die nicht geimpft ist, gehöre nicht in diesen Beruf. Dann frage ich mich: Wissen Sie, wozu eine Impfung dient? Sie gilt als Eigenschutz.
Ich möchte Sie zusätzlich darauf hinweisen, dass der Bundesrat schon länger sagt, dass die Spitäler überlastet sind. Gut – waren wir schon lange vor Corona. Aber soll ich Ihnen sagen, was in den letzten zwei Jahren getan wurde, um die Pflege zu stärken? Nichts. Und jetzt möchte er die Pflegeinitiative ablehnen? Verstehe ich nicht. Verstehen Sie es?
Ich hoffe, wir können alle ein wenig mehr Akzeptanz aufbringen und nicht eine Personengruppe aus der Gesellschaft ausschliessen oder beschimpfen. Danke für Ihre Offenheit anderen Meinungen gegenüber.
Tatiana Di Biase, Basel