Brieftaubengruss vom Mönch an den General
08.10.2021 BaselbietVor 80 Jahren
Übermorgen Sonntag sind es genau 80 Jahre her, dass eine militärische Hochgebirgspatrouille unter dem Kommando von Wachtmeister Theodor Strübin aus Liestal den Mönch bestiegen hat. Das ist an sich nichts Aussergewöhnliches. In diesem Falle aber ...
Vor 80 Jahren
Übermorgen Sonntag sind es genau 80 Jahre her, dass eine militärische Hochgebirgspatrouille unter dem Kommando von Wachtmeister Theodor Strübin aus Liestal den Mönch bestiegen hat. Das ist an sich nichts Aussergewöhnliches. In diesem Falle aber schon.
Ganz speziell an dieser Aktion war nämlich, dass ein Korporal und ein Soldat auf ihrem Rücken einen geflochtenen Korb mit Brieftauben auf den Gipfel trugen. Als die Dreierseilschaft am Freitag, dem 10. Oktober 1941, um 16.15 Uhr den Gipfel des Mönchs erreicht hatte, ruhte sie nicht etwa aus, sondern machte sich an die Arbeit: Wachtmeister Strübin, stellvertretender Kommandant des Brieftaubenzuges 15, schrieb mit Bleistift auf ein kleines, hauchdünnes Papier mit aufgedrucktem Schema eine Grussbotschaft. Nicht etwa an seine Lieben, nein, denn in der Zeit des Zweiten Weltkriegs gab es noch eine andere Hierarchie: Die Patrouille grüsste den Oberbefehlshaber der Armee, General Guisan, und wünschte ihm, «er möge stets über die Armee eines freien und geachteten Schweizerlandes gebieten».
Durchschlag im Archiv
Diese Botschaft wurde fein säuberlich zusammengerollt, in eine kleine Hülse gesteckt und diese am Fuss einer Taube befestigt. Bevor sich das Trio auf den Abstieg machte, wurden die Brieftauben freigelassen. Sie flatterten kurz einige Runden um den Gipfel und flogen schliesslich in Richtung des Armeehauptquartiers davon. Von dort stammten sie nämlich. Nur deshalb wussten sie, was ihr Ziel war. Der Brieftaubendienst gehörte zur Generalstabsabteilung, und von dort wurde die Depesche an den Adressaten weitergeleitet.
Ob die Botschaft bei General Guisan angekommen ist, konnte bisher nicht nachgewiesen werden, obwohl der Autor dieser Zeilen im Bundesarchiv in etlichen einschlägigen Dossiers danach gesucht hat. Im Baselbieter Staatsarchiv liegt im Nachlass von Theodor Strübin aber ein Durchschlag dieser Depesche, sodass kein Grund für Zweifel besteht, dass diese spezielle Grussbotschaft auch wirklich abgeschickt worden ist.
Im Baselbieter Kulturgüterportal www. kimweb.ch finden sich nämlich mit dem Suchbegriff «Brieftaubenpatrouille» drei Fotos, die exakt auf diese Expedition passen. Die erste zeigt die Dreierpatrouille, links mit Wachtmeister Strübin, dann ein Korporal und rechts ein Soldat. Alle sind mit einem Eispickel ausgerüstet, tragen Helme und haben ihren Karabiner umgehängt. Auch die auf zwei Rücken aufgeschnallten Brieftaubenkörbe sind zu sehen. Der Wachtmeister zeigt mit seinem Eispickel auf ein hohes Ziel: «Auf diesen Gipfel geht es.» Die beiden anderen Fotos sind auf dem Südostgrat des Mönchs etwa bei der heutigen Kote 3883 (LK10) aufgenommen und zeigen den Soldaten vorne beziehungsweise in der Mitte und den Korporal am Schluss der Seilschaft.
Fotografiert hat der Wachtmeister von der Spitze aus. Beide Bilder zeigen im Hintergrund den Trugberg, das eine ist nach links verschwenkt mit dem Grünhorn, das andere nach rechts mit dem Aletschgletscher.
Wie eine Drohne …
In unserer heutigen Zeit der Smartphones und der damit verbundenen beinahe grenzenlosen Kommunikationsmöglichkeiten mögen diese Bilder wie aus einer anderen Zeit wirken. Damals hatten aber die Brieftauben einen festen Platz in der militärischen Übermittlung.
Der entsprechende Dienst war 1917 gegründet worden und bestand bis zur Armeereform von 1995, wie im Buch «Gefiederte Kuriere – Brieftaubendienst der Armee 1917–19» von Carl Hildebrandt nachgelesen werden kann. Sogar ultraleichte Kameras wurden konstruiert, die den Tierchen umgehängt wurden, damit diese Luftaufnahmen machen konnten. Was die heutigen Drohnen natürlich viel effizienter machen können. Aber auch hier zeigt sich das alte Lied: «Alles schon dagewesen.» Die Ideen sind uralt, deren Realisierungen werden aber durch die Zeit mit ihren technischen Möglichkeiten bestimmt.
Martin Rickenbacher, Bern/Sissach