BADMINTONKÖNIG
14.10.2021 RegionKrisenmanagement zum Zweiten
Das letzte Mal schrieb ich davon, wie ich für meine Turnierreise nach Mexiko mein «Krisenmanagement» aktivieren musste, um die USA-Einreise-Probleme regeln zu können. Heute berichte ich von einem zweiten solchen Marathon, ...
Krisenmanagement zum Zweiten
Das letzte Mal schrieb ich davon, wie ich für meine Turnierreise nach Mexiko mein «Krisenmanagement» aktivieren musste, um die USA-Einreise-Probleme regeln zu können. Heute berichte ich von einem zweiten solchen Marathon, diesmal medizinischer Art.
Freitag, 8. Oktober. Sofia, Bulgarien. Nach dem Achtelfinal-Aus will ich zurück im Hotel früh ins Bett gehen und Schlaf nachholen. Ich stelle den Wecker, lege das Handy auf den Boden und richte mich auf, um das Fenster zuzumachen. Ich schnelle nach oben, und da ist es auch schon passiert: Ich ramme meinen Hinterkopf derart hart in die Fensterkante, dass ich für einen Moment glaube, dass ich das Fenster aus dem Scharnier hebe.
Blut fliesst über meinen Kopf. Es strömt. Ich realisiere: Es ist ernst. Ich ergreife mit der rechten Hand das Kopfkissen, um die Blutung zu stoppen, mit der Linken fasse ich das Handy, um meine Nati-Kollegen anzurufen. Das Tippen fällt schwer, auf dem Display hat’s Blut. Weil meine Schwester in drei Tagen erfahren wird, dass sie das Staatsexamen bestanden hat und von da an Ärztin sein wird, ich aber schon jetzt an ihre Expertise glaube, rufe ich sie an. Sie gibt mir Anweisungen. Auch meine Mutter, diplomierte Pflegefachfrau, frage ich um Rat. Nach einer Examination meinen beide, dass ich mir den Gang auf den Notfall mitten in der Nacht vorerst ersparen kann und nicht nähen muss. Ein gut angelegter Druckverband reicht. Ausser es würde mir in den nächsten 24 Stunden schwindlig oder übel. Oder ich müsste erbrechen oder hätte neurologische Ausfälle.
Am nächsten Tag ist meine Heimreise. Ich telefoniere mit der Trainerin und der SWICA. Auch mit der Airline, weil ich mit meinem Kopfverband ein ärztliches «Fit to Fly»-Zertifikat benötige. Der Sportarzt des Turniers lässt mich in ein Spital fahren. Wir warten 30 Minuten auf dem Parkplatz. «Warum gehen wir nicht hinein?» «Wir warten auf einen Kollegen.» «Ach so.» Weitere 45 Minuten später bin ich wieder aus dem Notfall. Denn jener Kollege ist Arzt im Spital. Er kommt vorbei und prüft die Wunde: Ich bin flugfähig. Ich muss nichts zahlen, kein Formular. Sehr unbürokratisch. Einfach freundschaftlich. Aber sehr effizient.
Zurück in der Schweiz gehe ich spät abends in eine Arztpraxis. Neben einem prüfenden Blick auf die Wunde bekomme ich gleich noch eine Tetanus-Impfung. Dann gibt es grünes Licht.
Ich zähle über 15 Personen, die bei diesem kleinen Unfall involviert waren und mich unterstützten. In Situationen wie diesen lerne ich immer wieder Neues – und wie ich Krisen bestmöglich meistern kann. Jedes Mal sehe ich, dass ich auf Unterstützung angewiesen und für solche unglaublich dankbar bin. Alleine wäre ich so ziemlich aufgeschmissen.
Der 26-jährige Joel König aus Titterten ist Badminton-Profi. 2014 beendete er das Sportgymnasium in Liestal. Er trainiert für den Schweizer Durchbruch im internationalen Badmintonsport.