Aus der Traum nach neun Jahren
01.10.2021 Bezirk Sissach, SissachBetreiberin des «Café Dozenbach» gibt auf
«Anita’s Café zum Dozenbach» an der Sissacher Hauptstrasse hat dichtgemacht. Corona sei dafür zum grössten Teil verantwortlich, sagt Pächterin Anita Steiner, allerdings haben auch weitere ungünstige Faktoren zum Entscheid ...
Betreiberin des «Café Dozenbach» gibt auf
«Anita’s Café zum Dozenbach» an der Sissacher Hauptstrasse hat dichtgemacht. Corona sei dafür zum grössten Teil verantwortlich, sagt Pächterin Anita Steiner, allerdings haben auch weitere ungünstige Faktoren zum Entscheid beigetragen.
David Thommen
Noch einmal öffnet Anita Steiner (57) am Dienstagmorgen für die «Volksstimme» die Tür zum Café Dozenbach an der Hauptstrasse in Sissach. Kaffee gebe es hier nur noch aus der Kapsel-Maschine, meint sie entschuldigend. Die grosse, verchromte Kaffeemaschine hat sie ausser Betrieb gesetzt, endgültig: Vergangene Woche teilte sie per Inserat mit, dass sie den Betrieb per sofort aufgibt.
Drinnen sieht es noch weitgehend unverändert aus. Das Lokal, so hiess es in unserer Zeitung im Jahr 2019, verströme «mit seinem 1950er-Jahre-Interieur den Charme vergangener Zeiten». Damals wurde das 85-jährige Bestehen des Cafés gefeiert. Früher gehörte es eine halbe Ewigkeit zur Bäckerei-Konditorei Briggen. Anita Steiner übernahm es vor bald neun Jahren, als Sigrid und Werner Briggen in Pension gingen. Für die Bäckerei konnte damals keine Nachfolge gefunden werden.
Bald wird sich Pächterin Anita Steiner ans Aufräumen machen. Für das Inventar, soweit es ihr gehört, wird sie Käufer suchen. Zeit hat sie noch, ihr Mietvertrag läuft erst Ende Januar 2022 aus.
«Mein Traum hat sich nicht ganz erfüllt», sagt Anita Steiner mit einem etwas bitteren Lachen am runden Tisch und fügt an: «Ziel knapp verfehlt!» Ihr lange gehegter Traum, ein eigenes Café führen zu dürfen, sei zwar wahr geworden, wofür sie sehr dankbar sei. Das Ziel, hier bis zur Pensionierung Gäste bewirten zu können, zerbröselte allerdings in den vergangenen Monaten nach und nach. Der Entschluss, dass es hier für sie nicht mehr weitergeht, reifte über Monate. Eigentlich wollte die Wirtin nach einem krankheitsbedingten Unterbruch das Restaurant zumindest bis Ende Oktober weiterführen, um sich nach und nach von ihren (Stamm-)Gästen zu verabschieden, doch dann kam der Impuls, den Schlussstrich lieber rasch zu ziehen.
Corona und mehr
Seit dem Ausbruch der Pandemie sei es, wie für viele andere Restaurants ebenfalls, schwierig geworden, das Geschäft noch rentabel zu betreiben, sagt sie. Gelebt hatte das Café vom Znüni- und Mittagsgeschäft. Steiner probierte es während des Lockdowns mit Take-Away und stand selber am Herd, backte Kuchen und Brot und verkaufte nebenbei Selbstgemachtes wie Konfitüre und Sirup.
Es habe gar nicht schlecht funktioniert: Häufig habe sie über den Mittag ein Dutzend Menüs oder auch mehr verkauft. Als sie allerdings Bilanz zog, zeigte sich ein Umsatzrückgang von 30 Prozent gegenüber der Vor-Coronazeit. «Die Fixkosten blieben aber gleich», sagt sie. Zwar habe sie von der Soforthilfe des Kantons etwas profitieren können, bei der Kurzabeitsentschädigung fiel sie jedoch durch das Raster. Immerhin ihre einzige Angestellte habe sie anmelden können, sagt sie. Jetzt musste sie ihr aber die Kündigung aussprechen, was schmerzhaft gewesen sei.
Der Umsatz habe sich seit dem Lockdown kaum erholt, sagt Steiner. Und die kürzliche Einführung der Zertifikatspflicht habe für die Zukunft keine Besserung versprochen: «Viele meiner Kunden sind Arbeiter, die nicht geimpft sind.» Hinzu kam, dass mit der energetischen Sanierung der im Jahr 1875 erbauten Dozenbach-Liegenschaft begonnen wurde: «Seit das Haus voll im Gerüst steht, denken viele, dass wir geschlossen haben», sagt sie. Die Laufkundschaft sei weitgehend ausgeblieben. Der Blick in die Bücher zeigte, dass weitere 30 Prozent des Umsatzes weggebrochen seien.
Zeit für Erholung
Finanziell zu verkraften sei das nicht, sagt Anita Steiner, zumal sie gesundheitlich angeschlagen sei «und ich nicht weiterhin 12 bis 15 Stunden täglich hier im Laden stehen kann». Das angesprochene Gerüst ist am Tag nach unserem Besuch im Café abgebaut worden – die Liegenschaft erstrahlt im neuen Glanz.
Und wie weiter? «Jetzt kommt zuerst einmal nichts. Ich möchte mich erholen», sagt Anita Steiner. Danach werde sie Arbeit suchen: «Aber nur noch als Angestellte.» Die Gastronomie komme weiterhin infrage, meint sie. In dieser Branche hatte sie, die in Safenwil (AG) und im Berner Oberland aufgewachsen ist, einst eine Ausbildung gemacht und im Lauf der Jahre an zahlreichen verschiedenen Arbeitsorten – unter anderem an Saisonstellen oder auch im Sissacher Hotel Sonne – viel dazugelernt. Zwischenzeitlich war sie während mehr als 20 Jahren Bäuerin. Sie hatte einen Sissacher Landwirt geheiratet. Nach der Scheidung hat sie erneut geheiratet und wohnt heute in Zunzgen.
Was bleibt? «Auch wenn ich jetzt aufgeben muss, bin ich stolz, dass ich das Café so lange führen konnte. Ich habe meine Arbeit immer gern gemacht.» Mit dem traditionsreichen Sissacher «Café Dozenbach» – benannt nach einem längst verschwundenen Bächlein – soll es im nächsten Jahr auf alle Fälle weitergehen, wie es bei der Besitzerfamilie Briggen auf Anfrage heisst.