Aebi musste nicht zweimal bitten
26.10.2021 Baselbiet, RothenfluhOtto Graf
Im Nationalratssaal schwingt er als Präsident die Glocke selbst. Am vergangenen Samstag, an einer Fahrnisgant an der Wittnauerstrasse in Rothenfluh überliess Andreas Aebi diesen Job seinem Assistenten Felix Rieder, um sich mit dem Mikrofon in der Hand ...
Otto Graf
Im Nationalratssaal schwingt er als Präsident die Glocke selbst. Am vergangenen Samstag, an einer Fahrnisgant an der Wittnauerstrasse in Rothenfluh überliess Andreas Aebi diesen Job seinem Assistenten Felix Rieder, um sich mit dem Mikrofon in der Hand stimmgewaltig in Szene zu setzen. In gut einer Stunde brachte der höchste Schweizer an der Auktion von landwirtschaftlichen Fahrzeugen, Maschinen, Gerätschaften und Kleinmaterial von Christian und Käthi Gass zu guten Preisen an die Frau und an den Mann.
Im Bundeshaus ist der SVP-Politiker in der Regel der Zuhörende, der dafür sorgt, dass die Debatte in geordneten Bahnen stattfindet und sich die Volksvertreterinnen und -vertreter nicht in die Haare geraten. Auch an der Gant vor vielen Interessierten verlief alles gesittet und friedlich, obwohl es, wie in Bundesbern, um Geld ging – um Cash, bar auf die Hand. So stand es im Kleingedruckten der Steigerungsanzeige und so wurde es auch gehandhabt. Doch für Objekte, die hohe Preise erzielten, konnten mit dem Verkäufer, der sich künftig auf den Obstbau konzentriert, auch andere Zahlungsmodalitäten vereinbart werden. Wer heutzutage ein Auto kaufen will, kreuzt ja auch nicht mit einem Bündel Tausendernoten im Hosensack beim Autoverkäufer auf.
«Alles hier ist bestens gepflegt und funktionsfähig, auch die Festwirtschaft. Und jedermann kauft heute eine Wurst», kündigte der Auktionator beim Austesten der Lautsprecheranlage an. Beim Kleinmaterial erzielten Treichlen und Schellen für das Jungvieh sowie die Kuhglocken gute Preise. Ob diese Objekte künftig Tieren umgebunden oder anderweitig eingesetzt werden, ist nicht bekannt. Auf eine Waage für ein Pferdegespann mochte niemand bieten. Also fuhr Aebi das Mindestgebot herunter, bis sich ein Kutscher aus Oltingen des Artikels erbarmte und die Waage für einen Fünfliber erstand. Eine andere Waage – zum Ermitteln von Gewichten bis 1000 Kilo – fand hingegen keinen Abnehmer. Ein Motormäher der Marke Rapid, Baujahr 1947, war erstaunlicherweise sehr günstig für 10 Franken zu haben. Recht gefragt waren Weidezaunpfähle aus Eisen im Zehnerbund, Erntenetze und Abdecknetze für Obst sowie Sandsäcke gegen allfällige Überflutungen. Ein elektrischer Kran mit Kettenzug brachte immerhin 700 Franken ein.
Alle Register gezogen
Bei den landwirtschaftlichen Maschinen zog der Gantrufer alle Register. «Was hier unter den Hammer kommt, ist gassgepflegt, das heisst regelmässig gewartet und sorgfältig behandelt», umschrieb Aebi den Qualitätsstandard dieser Objekte. Ein alter Ladewagen wechselte zum symbolischen Preis von 100 Franken die Hand. Ein neueres Modell stand hoch im Kurs und spülte schliesslich 17 000 Franken in die Kasse. Auch ein Bandrechen, ein Kreiselheuer, ein Kreiselschwader, ein Mähwerk, eine Sämaschine und weitere Gerätschaften gingen weg wie frische Weggli. Ein Traktor der Marke Same bildete den Schlusspunkt der Auktion und war dem Käufer mehr als 15 000 Franken wert.
Mehrere «Inkassoteams» auf dem Platz notierten die Zuschläge und sorgten dafür, dass die Auktion speditiv über die Bühne ging. Christian Gass zeigte sich mit dem Ergebnis der Gant zufrieden. «Für uns steht nicht der finanzielle Erlös im Vordergrund, sondern die Tatsache, dass alle Objekte Abnehmer gefunden haben und weiterhin ihren Zweck erfüllen können», fasste er die Auktion zusammen. Zufrieden waren ebenfalls die Käuferinnen und Käufer, überzeugt, ein gutes Geschäft gemacht und keine Katze im Sack gekauft zu haben. Sie alle sowie die übrigen Leute – die grosse Mehrheit der Anwesenden – erlebten einen kurzweiligen Vormittag mit einem volksnahen Gantrufer.
Gant ist kein Rodeo
Mit dem Berner Nationalratspräsidenten Andreas «Res» Aebi führte ein Profi die Versteigerung durch. Begonnen habe er mit dem Verganten vor 24 Jahren als damaliger Präsident einer Tierzuchtvereinigung, wie er gegenüber der «Volksstimme» ausführte. Und fügte an, eine spezielle Ausbildung dafür gebe es nicht. Pro Jahr führt Meisterlandwirt Aebi, der mehrere Sprachen spricht, bis 70 Ganten durch, auch im Ausland. Heuer seien es wegen seines Mandats als Nationalratspräsident nur etwa die Hälfte.
Was, oberflächlich betrachtet, einem Rodeo, einer amerikanischen Viehauktion ähnelt, lasse sich nicht mit einer Versteigerung hierzulande vergleichen. Solche in den USA praktizierten Shows mit Pferden und Rindern liessen sich nicht auf die Schweiz übertragen. Auf die Frage nach einem besonderen Ereignis als Auktionator erwähnte Aebi eine Auktion mit Hengsten in Deutschland, bei der Preise im sechsstelligen Eurobereich erzielt worden seien. «Beim Versteigern von Tieren in der Schweiz empfinde ich nicht die grosse Trauer», berichtete er weiter, «denn die Tiere, die unter den Hammer kommen und von Bauern erworben werden, haben es auch am neuen Ort gut.»