Vorgeschmack auf viel Geschmack
03.08.2021 Natur, WenslingenDavid Thommen
Silvia Strübin holt eine Tupperware-Box aus dem Kühlschrank und öffnet sie. Sofort verbreitet sich ein betörender Duft. In der Box liegt der letzte Rest eines Festmahls, das man auf dem Wenslinger Feldhof auf alle Zeiten als «historisch» in ...
David Thommen
Silvia Strübin holt eine Tupperware-Box aus dem Kühlschrank und öffnet sie. Sofort verbreitet sich ein betörender Duft. In der Box liegt der letzte Rest eines Festmahls, das man auf dem Wenslinger Feldhof auf alle Zeiten als «historisch» in Erinnerung behalten wird: Es gab Trüffel zum Znacht. Ganz schlicht aufs Bauernbrot gehobelt.
Die prächtige Trüffelknolle – immerhin fast 180 Gramm schwer – hatten Silvia Strübin (41) und Ehemann Thomas Bieri (46) tags zuvor quasi vor der eigenen Haustür gefunden. Dort, wo früher Weide- und etwas Ackerland vor dem Hof fernab des Dorfs auf dem Hochplateau war, hat das Paar im November 2016 eine Trüffelplantage angelegt – mit einer ganzen Hektare eine von mittlerweile drei grossen im Kanton Baselland. «Dass wir nach nur knapp fünf Jahren bereits erste Trüffeln haben, kommt für uns sehr überraschend», sagen die beiden. Es herrscht Feierlaune. Mit ersten kleineren Erträgen haben sie frühestens in einem, eher aber in drei Jahren gerechnet. Denn die Erfahrungen anderer Schweizer «Trüffelbauern» zeigen, dass man sich nach der Pflanzung der ersten mit Trüffelsporen geimpften Bäume sechs bis acht Jahre bis zur ersten Ernte gedulden muss.
Da die Zeit in der jungen Plantage eigentlich noch nicht reif für reife Trüffeln ist, hatte das Paar auch nicht aktiv nach den Knollen gesucht. Doch dann hatte Hofhund Cindy, ein Appenzeller-Mischling, plötzlich unter einer Hainbuche zu scharren begonnen und damit angezeigt, dass sich hier im Wenslinger Boden schwarzes Gold befindet. Dabei ist die Hündin nicht ideal ausgebildet: «Ich hatte zuvor nur einige Male spielerisch mit ihr geübt», sagt Strübin. Offenbar hatte die achtjährige Cindy aber rasch begriffen, worum es geht. Die Vierbeinerin hat in der Folge noch vier weitere Trüffeln auf dem riesigen Areal aufgespürt, doch diese waren bereits am Faulen – oder kleine Würmer hatten sich schon über die Delikatesse hergemacht. Strübin und Bieri können es verschmerzen: «Wir haben nun den Beweis, dass es funktioniert und wir auf dem richtigen Weg sind.»
Lange Wartezeit
Die Erleichterung darüber ist gross. Denn Zweifel hatten sie während der vergangenen fast fünf Jahre häufig befallen, sagen die beiden. Die Trüffelbäumchen, die als kleine Rütchen angeliefert worden waren, machten während zweier Jahre fast keinen Wank. War es zu trocken? Nagten die Mäuse an den Wurzeln? Die Unsicherheit, ob sie bisher alles richtig oder alles falsch gemacht haben, sei gross gewesen, gesteht das Paar. Erfahrungen mit Trüffelplantagen gibt es in der Schweiz erst wenige, so sei man bei vielen Fragen häufig auf sich alleine gestellt.
Zudem hatten sie sich alles etwas einfacher vorgestellt, als sie sich für dieses Abenteuer entschieden. Schon das Pflanzen der 735 Bäumchen auf dem steinigen Untergrund sei eine grosse Arbeit gewesen. Dann folgte die Bodenbearbeitung, damit der Untergrund locker bleibt und Gras und Unkraut nicht die Oberhand gewinnen. 200 bis 250 Arbeitsstunden müssten jährlich in die Plantage investiert werden. Ohne die Hilfe von Freunden und Familien hätten sie das kaum geschafft, sagen die Trüffelzüchter. Dazu kommt die jahrelange Warterei auf den ersten Ertrag.
Jetzt scheint alles auf bestem Weg zu sein. Die Trüffelbäume auf dem freien Feld sind stark gewachsen, bald wird man sie regelmässig schneiden müssen. Andeutungsweise erkennt man, dass aus der Trüffelplantage in wenigen Jahren ein Trüffelwald werden wird, und zwar ein Mischwald: Gepflanzt wurden in wilder Reihenfolge Hagebuche, Zerreiche, Stieleiche, Baumhasel, Haselstrauch und Föhre. Ein Viertel der Bäume ist mit Wintertrüffelsporen geimpft, auf drei Vierteln der Fläche sollen die sogenannten Burgundertrüffeln oder Herbsttrüffeln gedeihen.
Die wenigen Knollen, die Strübin und Bieri vor einigen Tagen gefunden haben, werden hingegen als Sommertrüffeln bezeichnet, die nicht ganz so aromatisch und daher in der Küche weniger gefragt sind. Es sei typisch für junge Bäume, dass sie quasi frühreife Trüffeln produzieren, sagt Strübin. Schon in wenigen Jahren werde sich der Reifezeitpunkt der Burgundertrüffeln in den Herbst hinein verlagern. Der Geschmack der Knollen wird dann noch intensiver sein.
Hoher Kilopreis
Ist der Ertrag einmal bedeutend, wird der Verkauf des Produkts über die schweizweite Plattform des Trüffelproduzentenverbands abgewickelt, dem sich das Paar vom Feldhof angeschlossen hat. Logistisch ist das eine Herausforderung: Im Idealfall wird Trüffel noch am gleichen Tag verschickt, an dem er ausgegraben wurde. Ob zusätzlich eine lokale Vertriebsstruktur aufgebaut wird, soll erst dann entschieden werden, wenn sich einmal der Vollertrag eingestellt hat.
Doch was bedeutet Vollertrag? 70 Kilogramm? 100 Kilogramm? Oder mehr? «Wir wagen absolut keine Prognose», sagt Silvia Strübin. Auch nicht darüber, ob und ab welchem Zeitpunkt sich die Investition auszahlen wird. «Der Kilopreis von 600 bis 800 Franken tönt interessant», so die «Trüffelbäuerin», doch stelle man den ganzen Aufwand in Rechnung, relativiere sich alles sofort wieder.
Leben wird das Paar von den schwarzen Knollen ohnehin nicht können, denn der Bauernhof ist für beide nur ein Nebenerwerb: Thomas Bieri arbeitet zu 80 Prozent als angestellter Zimmermann, Silvia Strübin ist mit gleichem Pensum Physiotherapeutin und selbstständige Biokinematik-Therapeutin. Im November wird sie zusammen mit einer Berufskollegin eine eigene Praxis im neuen Komplex des Sissacher Hotels Sonne eröffnen.
Den Feldhof nur nebenbei zu bewirtschaften, ist allerdings eine grosse Aufgabe: Zum Betrieb gehören immerhin 16,6 Hektaren Landwirtschaftsland. Produziert wird Getreide, Gras und Heu, und im Stall stehen drei Mutterkühe mit Kälbern. Dazu kommen Pferde, da beide leidenschaftliche Reiter sind. Ohne die Mithilfe der Eltern von Thomas Bieri, die den Hof im Jahr 2011 an den Sohn weitergegeben haben, würde es nicht gehen.
Auf Silvia Strübin wartet nach dem überraschenden Trüffelfund in ihrer Plantage eine neue Aufgabe: Sie wird den jüngeren der beiden Hofhunde nun zügig zum Trüffelhund ausbilden müssen. Denn ohne eine geübte Spürnase geht auf einer Trüffelplantage gar nichts: Nur die Vierbeiner können erntereife Pilze zuverlässig anzeigen. Alle fünf Tage sollte das grosse Areal abgeschnüffelt werden. Haupterntezeit ist ab September bis tief in den Winter hinein. Ab dem nächsten oder übernächsten Jahr könnte es so richtig losgehen.
Im Trüffelland
tho. Das Ebenrain-Zentrum für Landwirtschaft, Natur und Ernährung führt bislang drei grosse Trüffelplantagen in seinem Register: Neben derjenigen auf dem Feldhof gibt es eine weitere in Bottmingen sowie eine auf Rünenberger Boden. Letztere wird vom Zeglinger Landwirt Pascal Breitenstein betrieben. Er hat 2019 1000 Haselnussbäume auf einer Fläche von 2,6 Hektaren gepflanzt. Hier sollen einmal Périgordtrüffeln gedeihen, die noch als etwas edler als Burgunder- und Wintertrüffeln gelten.
Neben den grossen Drei gibt es in der Region zahlreiche weitere, etwas kleinere Anlagen. So hat die «Volksstimme» in den vergangenen Jahren beispielsweise über diejenige von Katharina Bitterlin aus Häfelfingen mit 100 Bäumen oder diejenige des Wintersingers Thomas Sprenger mit 150 Bäumen berichtet. Die Häfelfinger Pionierin Katharina Bitterlin feierte vor einem Jahr ihre erste kleine Ernte. Es sieht danach aus, als wandle sich Baselland mit steigenden Erträgen bald zum Trüffelland. Trüffelbäume, die man in Gartencentern kaufen kann, gibt es mittlerweile auch in vielen Privatgärten. Und selbstverständlich wachsen Trüffeln in den Baselbieter Wäldern. Die kalkhaltigen Juraböden bieten dem edlen Pilz beste Bedingungen.