«Modellfliegen hat Suchtpotenzial»
23.07.2021 Bezirk Sissach, ZunzgenZu Besuch bei der Modellfluggruppe Oberbaselbiet
Selber Flugmaschinen bauen und sie im «Wolfsgarten» auf der Zunzger Hard fliegen lassen – das höchste der Gefühle für die Modellflug-Enthusiasten.
Elmar Gächter
Gerhard Götschi macht seinen Ultimate ...
Zu Besuch bei der Modellfluggruppe Oberbaselbiet
Selber Flugmaschinen bauen und sie im «Wolfsgarten» auf der Zunzger Hard fliegen lassen – das höchste der Gefühle für die Modellflug-Enthusiasten.
Elmar Gächter
Gerhard Götschi macht seinen Ultimate startklar. Mit der Flügelspannweite von 1,86 Metern gehört der rote Doppeldecker zu den grösseren Kunstflug-Maschinen. Ausgerüstet mit modernster Elektronik schwingt sich der Acroflieger mit moderatem Geräusch in den Himmel hier auf der Zunzger Hard, von zwei Seiten umgeben von Mischwäldern und offenem Feld Richtung Osten. Der Besucher staunt ob den Figuren, die der Pilot mit seinem Flugobjekt in der Luft zieht. Loopings, Rollen, Turns, senkrecht aufsteigend und wieder fallend, Kopfüber-Flug, und dies bei Geschwindigkeiten bis zu 150 Kilometern pro Stunde – beeindruckend.
Gerhard Götschi zählt zu jenen rund 30 aktiven Mitgliedern der Modellfluggruppe Oberbaselbiet, die hier im Gebiet Wolfsgarten auf der Zunzger Hard ihrem Hobby frönen. Mittwochs und samstags treffen sie sich auf ihrem Heimflugplatz mit ihren Modellen, vom kleinen Speedflieger mit Turbinenantrieb bis zum Elektrosegler mit 6 Metern Spannweite, massstabgetreu ihren grossen Vorbildern nachgebaut. Geflogen wird hier rein zum Spass, nur ein einziges Mitglied nimmt mit seinem Segelflieger an Konkurrenzen teil.
Flugterrain ist nicht optimal
Patric Salfinger ist Präsident des Vereins, der 1967 aus der Taufe gehoben wurde. «Für mich liegt die Faszination unseres Hobbys darin, die Flugzeuge selber zu bauen und dann auszuprobieren, wie sie funktionieren», sagt er und lässt seinen Elektrosegler in die Luft gleiten. «Amperethermik» hört man nebenan jemand mit einem Lachen rufen, ein Ausdruck, der dem Segelflieger mit motorischer Unterstützung gilt.
Überhaupt wird viel gelacht an diesem Flugtag, an dem sich der Himmel wolkenverhangen zeigt, aber immerhin regenfrei – fast schon eine Rarität in diesem sogenannten Sommer. «Bei uns hat das Kameradschaftliche einen grossen Stellenwert, deshalb geht man ja auch in einen Verein», so Vorstandsmitglied Peter Bilger. Seit 40 Jahren ist der Klub hier beheimatet. Von einem optimalen Flugterrain könne man nicht sprechen, dafür sei der Platz zu klein, meint er. Er sei gewöhnungsbedürftig, man könne nur von einer Seite her landen und wenn man nicht aufpasse, finde sich ein Flieger schon mal in den Baumwipfeln wieder. «Früher haben wir einmal pro Jahr einen befreundeten Klub eingeladen, aber jetzt kommt wegen der speziellen Bedingungen niemand mehr», wirft Walter Briggen ein; er ein eigentliches Urgestein der Fluggruppe. Doch niemand möchte hier weg, abgesehen davon, dass es heute sehr schwierig wäre, eine Alternative zu finden. Und sollte es doch noch heisse Sommertage geben, freut man sich an den schattigen Plätzchen unter den Bäumen.
Drohnenpiloten als Nachwuchs
Auch wenn der «Wolfsgarten» weitgehend abseits von bewohntem Gebiet liegt, waren die Motoren bis vor ein paar Jahren bis ins tiefer gelegene Hölstein zu hören. «Wir hatten deswegen zwar keine Probleme mit der Bevölkerung, aber uns hat der Lärm selber gestört, obwohl das Motorengeräusch in den Ohren der Modellflieger eigentlich Musik ist», hält Peter Bilger fest. Der Klub habe von sich aus entschieden, über die Mittagszeit und an Sonntagen und Feiertagen nicht zu fliegen. Zudem seien die meisten Modelle in der Zwischenzeit viel leiser geworden. Den Mitgliedern liege auch sehr daran, zu den Landwirten in der Umgebung ein gutes Verhältnis zu pflegen.
Ungefährlich ist das Fliegen in diesem Gelände nicht, führt doch in unmittelbarer Nähe eine Strasse durch, auf der sich viele Wandernde und Bikende bewegen, in der Coronazeit ganz speziell. «Wir achten darauf, dass der Pilot sich so platziert, dass er das Geschehen auf der Strasse stets im Auge hat. Wir hatten bis heute noch nie einen Personenschaden», so Vereinspräsident Salfinger.
Wie viele andere Vereine kämpft auch die Modellfluggruppe mit mangelndem Nachwuchs. Die jungen Leute hätten heute eben ein Riesenangebot an Freizeitmöglichkeiten. Man habe gehofft, dass sich junge Drohnenpiloten dem Verein anschliessen. «Nicht jene, die vom Garten aus ‹forschen› und Föteli machen, sondern jene, die Parcours fliegen. Diese würden zu uns passen», ist Walter Briggen überzeugt.
Faszinierende Präzision
Er, der die Pensionierungsgrenze bereits vor ein paar Jahren überschritten hat, ist das beste Beispiel, dass auch altersmässig gesetzte Mitglieder sich an neue Flugzeugtypen wagen. «Ich habe es gern, wenn es rasant zugeht. Schnelle Flugmodelle faszinieren mich, frei nach dem Motto: ‹no risk, no fun›. Später kann ich immer noch so fliegen wie die Geriatrie», witzelt er mit einem kameradschaftlichen Seitenhieb an Gerhard Götschi, den hier alle Geri nennen.
Dieser setzt seinen Doppeldecker gekonnt auf der Landepiste auf. Götschi fliegt seit rund 15 Jahren. Für ihn liegt die Faszination darin, etwas präzise durch die Luft zu steuern, Wind und Wetter trotzend, zudem interessiert ihn die Technik, die in seinen Fliegern steckt. «Richtig» fliegen kommt für ihn nicht infrage. «Wenn die Kurve im falschen Moment kommt, wird es mir übel.» Deshalb wird er auch künftig bei der Modellfliegerei bleiben. Für ihn ist klar: «Dieses Hobby hat Suchtpotenzial.» So geht es wohl allen aktiven Mitgliedern der Modellfluggruppe Oberbaselbiet.
Weitere Informationen unter www.mg-ob.ch