AHNIG VO BOTANIK
11.06.2021 BaselbietFarbig, auffällig und kaum bekannt
Andres Klein
Auf Wanderungen oder Spaziergängen werde ich sehr häufig nach dem Namen einer Pflanze mit grossen farbigen Blüten gefragt, die im Wald oft an Wegrändern anzutreffen ist. Sie ist ...
Farbig, auffällig und kaum bekannt
Andres Klein
Auf Wanderungen oder Spaziergängen werde ich sehr häufig nach dem Namen einer Pflanze mit grossen farbigen Blüten gefragt, die im Wald oft an Wegrändern anzutreffen ist. Sie ist eine meiner Lieblingspflanzen, denn sie hat grosse Blüten, die in den Farben von Weiss, über Rosa, bis zu Purpurn blühen kann. Sie wird Immenblatt genannt.
Da fast alle Schülerinnen und Schüler in der Schweiz seit Pestalozzi in der 4. Klasse die Blüte der Wiesensalbei auf einem Arbeitsblatt blau ausmalen müssen, wissen auch fast alle, dass das ein Lippenblütler sein muss. Die jüngeren kennen diese Lippenform eher von den Lippen der Botox-Schönheiten. Doch leider geht es nicht sehr lange, bis die Lippenblütler verwelken.
Das Immenblatt bevorzugt sehr sonnige Standorte, gedeiht aber auch im Halbschatten. Es bevorzugt kalkhaltige, leicht trockene und warme Böden. Die mit reichlich sehr süssem Nektar gefüllten Blüten duften intensiv nach Honig und locken nach einigen schriftlichen Quellen unsere Bienen an. Dies hat vermutlich auch dazu geführt, dass die Pflanzen nach den Immen, heute Bienen genannt, benannt wurden. Dabei ist zu beachten, dass es auch Erfahrungswissen von Imkerinnen und Imkern gibt, die sagen, dass der Rüssel der Honigbiene zu kurz sei, um überhaupt an die Nektarquelle zu gelangen. Also müsste die Blume wohl eher Hummel- oder Schmetterlingsblatt heissen. Der wissenschaftliche Name beginnt mit der Silbe «Mel» und weisst auf Honig hin. Der Honigduft der Blüten hat somit zum wissenschaftlichen Namen geführt.
Das Immenblatt hat nicht nur sehr typische Blüten mit einer grossen Lippe, sondern wie bei vielen Lippenblütlern ist der Stängel vierkantig. Die Blätter sind behaart und wachsen einander gegenüber und dies erst noch kreuzweise. Das Blatt ist grob gekerbt und erinnert sehr stark an die Zitronenmelisse. Daher kommt auch der zweite Teil des Namens «melissophyllum», was melissenblättrig bedeutet.
Ohne die Familie der Lippenblütler wäre unser Leben eintönig und fad, denn sehr viele der 6800 Arten weltweit enthalten ätherische Öle, die wohlriechend duften. Darum stammen sehr viele unserer Küchengewürze aus dieser Familie. Die Briten reden nicht von Lippenblütlern, sondern von den Pfefferminzgewächsen. Verschiedenste Minzen, Melissen, unterschiedlichste Basilikum-Arten, Thymian, Majoran, Salbei, Rosmarin und Bohnenkraut gehören zu dieser Familie. Viele stammen aus den sommertrockenen Gegenden wie dem Mittelmeer.
Doch auch die Parfüm-Industrie bedient sich gerne der Düfte von Lavendel, Rosmarin, Batchouli, Salbei und so weiter. Die Azteken stellten aus einer Salbei-Art ihr wichtigstes Speiseöl her. Spannend ist auch die Katzenminze, die seit einigen Jahren vermehrt in unseren Ziergärten angebaut wird. Ein Teil der Katzen lecken oder knabbern die Blüten ab, reiben sich an der Pflanze oder wälzen sich auf ihr. Sie tun dies, weil das Kraut eine halluzinogene Wirkung hat. Nicht nur die Gattung Mensch, sondern auch Katzen, Ameisen und andere Tiere geniessen es, mithilfe von Pflanzen dem Alltag zu entfliehen.
Andres Klein ist Biologe. Er lebt in Gelterkinden.