Öl verdirbt Insekt den Appetit
04.06.2021 Energie/Umwelt, Wenslingen, NaturOtto Graf
Er ist zwar nur etwa 2 Millimeter lang. Aber er verursacht in den Rapsfeldern, lässt man ihn gewähren, grosse Schäden und Ernteeinbussen. Gemeint ist der Rapsglanzkäfer, der im Frühjahr, wenn die Temperaturen über 15 Grad Celsius liegen, von seinem ...
Otto Graf
Er ist zwar nur etwa 2 Millimeter lang. Aber er verursacht in den Rapsfeldern, lässt man ihn gewähren, grosse Schäden und Ernteeinbussen. Gemeint ist der Rapsglanzkäfer, der im Frühjahr, wenn die Temperaturen über 15 Grad Celsius liegen, von seinem «Winterquartier» in den Waldrändern über die Rapskulturen herfällt. Dabei zerbeisst das Insekt, der wichtigste Schädling des Raps, auf der Suche nach Pollen und Nektar die Knospen der Pflanzen. Bei witterungsbedingter verzögerter Entwicklung der Pflanzen ist das Schadenrisiko am grössten.
Mit Insektiziden lassen sich die schädlichen Auswirkungen mildern. Wirksam sind auch das Zugeben von Gülle oder Gesteinsmehl im Knospenstadium. Bei der Applikation von Gülle wird jedoch Ammoniak freigesetzt. Und Regen spült das Gesteinsmehl ab. Viele Rapsproduzenten suchen deshalb nach alternativen Möglichkeiten, um gegen den Rapsglanzkäfer vorzugehen.
Zu diesen findigen Köpfen gehören der Bauer Andreas Gass und sein Nachbar, der Musiker Marco Santschi. Lange bevor die beiden Agrar-Initiativen spruchreif wurden, machten sich der Gemeindepräsident von Wenslingen und der Leiter der Regionalen Musikschule Gelterkinden Gedanken darüber, wie der Pestizideinsatz im Rapsanbau reduziert werden könnte.
Pfefferminze statt Chemie
So behandelten sie im vergangenen Jahr mehrere fünf mal fünf Meter messende Rapsflächen im Vorblütestadium mit unterschiedlichen ätherischen Ölen auf rein pflanzlicher Basis und verglichen die «Ergebnisse» mit konventionell behandeltem Raps. Zum Einsatz gelangten biologische Destillate aus Pflanzen wie etwa Eukalyptus, Pfefferminze, Lavendel, Zimt, Anis, Fenchel, Zitronengras und Rosmarin, um ein paar wenige zu nennen. Dabei führten die beiden Tüftler genau Buch, um herauszufinden, was dem unerwünschten Gast am meisten auf den Magen schlägt. Kommt das Insekt mit dem Präparat in Kontakt, fällt es zu Boden, lebt aber weiter ohne Schaden anzurichten.
Heuer geht das Experiment in eine weitere Runde. Auf einem 130 Aren grossen Rapsfeld besprühten der Bauer und der Musiker vor einigen Wochen mittels einer zuvor gründlich gereinigten Feldspritze einen Streifen von 20 Aren mit rund 100 Litern eines homogenen Gemischs, bestehend aus Seifenlauge und ätherischen Ölen. Weil sich Wasser und Öl nicht vermischen lassen, braucht es eben Seifenlauge.
Die Zwischenbilanz fällt positiv aus. Der Behang mit den Schoten und den darin eingeschlossenen Samenkörnern ist auf der Versuchsfläche etwa gleich hoch wie auf der mit Insektizid behandelten Fläche. «Wir sind zuversichtlich, dass bei der Ernte Ende Juli der Ertrag pro Are der Versuchsfläche demjenigen der übrigen Fläche entspricht», geben die beiden zu verstehen. Ob sich die neue Methode zum Bekämpfen des Schädlings durchsetzen kann, werden erst weitere Feldversuche zeigen.
Finanziell ist das Verwenden von ätherischen Ölen kostspieliger als der Pestizideinsatz. Mit dem Optimieren der Zusammensetzung sowie dem Dosieren der Spritzbrühe dürfte das Ganze jedoch günstiger werden. «Für uns steht das Ersetzen chemischer Mittel im Pflanzenbau allgemein durch natürliche oder naturnahe Methoden im Vordergrund», betonen Gass und Santschi. Ob im Fibl, im Institut für biologischen Landbau, Versuche mit ähnlicher Stossrichtung verlaufen, wissen sie nicht. Gass verweist auf die zunehmende Bedeutung von Speiseöl aus Raps im Haushalt. Raps wurzle tief und eigne sich vorzüglich als Vorfrucht für Winterweizen.
Reiner als Bio
Die Frage, wieso sich ein Musiker ausgerechnet dem biologischen Pflanzenschutz verschrieben hat, ist schnell beantwortet: Marco Santschi hat als Kind auf dem Bauernhof seines Grossvaters gearbeitet. Er und seine Frau arbeiten sowohl privat als auch geschäftlich seit über vier Jahren erfolgreich mit den 100-prozentig reinen ätherischen Ölen, die noch rigoroser auf ihre Reinheit und Verarbeitung geprüft werden als Bioprodukte.
Santschis Nachbar Andreas Gass verarbeitet und lagert sein Rapsöl selber und verkauft dieses regional. Beide machen sich stark für natürliche Methoden in der Landwirtschaft – nicht aber für die Agrar-Initiativen, über die das Volk zu befinden hat.