Tüftler baut 200-jährige Kavalleriepistole nach
07.04.2021 Porträt, ReigoldswilWilli Wenger
Die von Urs Wagner hergestellte französische Kavalleriepistole mit Steinschloss, Modell 1805, ist ein Prunkstück. Auch als Nicht-Waffenliebhaber ist man angetan von der handwerklichen Meisterleistung, die der 76-jährige Reigoldswiler vollbracht hat. ...
Willi Wenger
Die von Urs Wagner hergestellte französische Kavalleriepistole mit Steinschloss, Modell 1805, ist ein Prunkstück. Auch als Nicht-Waffenliebhaber ist man angetan von der handwerklichen Meisterleistung, die der 76-jährige Reigoldswiler vollbracht hat. Die Duellpistole, wie sie auch bezeichnet wird, ist von A bis Z in Handarbeit entstanden. «Von der Zeichnung bis zum Feinschliff», sagt der gelernte Feinmechaniker, der während seiner Berufszeit 42 Jahre bei der Tschudin & Heid in Waldenburg tätig war.
Im Haus von Wagner an der Bretzwilerstrasse merkt man, dass hier ein besonderer Mann, eben ein Tüftler, lebt. Der Reigoldswiler Gemeindepräsident Fritz Sutter bezeichnet ihn als «handwerkliches Genie». Wagner hat nicht nur die Duellpistole nachgebaut, sondern auch Messer wie beispielsweise das Schnitzmesser zur Baselbieter Sonntagstracht. Oder die Miniatur eines historischen Heuwagens, der im Dialekt «Schnägge» genannt wird.
«Ich habe mir schon 10 bis 15 Jahre vor der Pension Gedanken darüber gemacht, was ich als Pensionär alles machen werde», sagt der Witwer, dessen Ehefrau vor Jahren verstorben ist. «Meine Steckenpferde haben mir letztlich geholfen, diesen schweren Verlust einigermassen zu verkraften», blickt der einstige Korporal der Armee zurück. Heute gehe es ihm so weit ordentlich, versichert er.
Kaliber: 17,1 Millimeter
Die französische Kavalleriepistole mit Steinschloss, Modell 1805, entspricht dem Militär-Reglement der Schweizerischen Eidgenossenschaft von 1817. Deren 207 Millimeter langer Lauf ist aus Eisen. Die Waffe selbst hat insgesamt eine Länge von 352 Millimetern, das Rohr ist «glatt» und das Kaliber, für Schützinnen und Schützen interessant, misst 17,1 Millimeter. Mit 1,269 Kilogramm sei das Gewicht der Waffe «ordentlich», weiss Wagner, der als Aktiver der Pistolenschützen Rifenstein weiss, wovon er spricht.
Der passionierte Schütze ist seit 45 Jahren auch Jäger und in dieser Funktion seit dem Jahr 1979 Pächter des Reigoldswiler Reviers. Auch aus diesem Blickwinkel versteht man seine Leidenschaft fürs Schiesswesen. Er hat aber noch viele andere Bereiche, in denen er sich im Dorf engagiert. Auch dort mit Herzblut und vollem Engagement. Während 28 Jahren war er beim Musikverein Reigoldswil als Baritonist aktiv, gar 37 Jahre bei den «Jagdhornbläsern Ergolz». «Das alles hat mir viel gegeben», sagt Wagner.
Mechaniker über die Pension hinaus
Er war zwar im Brotberuf Feinmechaniker und ist es quasi als Rentner auch heute noch. Viel lieber hätte Wagner aber einen anderen Beruf erlernt. «Ich wollte Büchsenmacher werden. Doch das lag damals einfach nicht drin, aus familiären und finanziellen Gründen. Lehrbetriebe für diesen Beruf gab es in der Umgebung keine.» So habe er in der Rego-Fix in Reigoldswil eine Feinmechanikerlehre absolviert. «Eine anspruchsvolle Ausbildung», wie Urs Wagner heute sagt.
Das alles war ihm beim Herstellen der Duellpistole von grossem Nutzen. Denn Baupläne habe es nie gegeben. «Ich habe alles nach einem Original selbst entworfen», sagt Wagner. In mehreren Stufen erfolgte der eigentliche Nachbau. Er habe geschliffen, gedreht, die Federn selber gehärtet, mit Aluminium, Blech, Messing, weiteren Metallen sowie mit Holz gearbeitet. «Wenn notwendig habe ich zuerst ein kleines Teil-Modell erstellt», sagt der Reigoldswiler.
Noch keinen Schuss abgegeben
Wagner hat mit seiner Replika-Pistole, die im 19. Jahrhundert in Frankreich in Duellen über Leben und Tod entschied, die Meisterprüfung in seinem Fach fraglos bestanden. Die Pistole sei einsatzfähig, doch habe er mit ihr noch keinen einzigen Schuss abgegeben. «Vielleicht werde ich das noch tun», sagt er. Vielleicht auch nicht: Der Tüftler behandelt sein Werk wie eine Kostbarkeit: In «Watte» verpackt und mit Handschuhen.
Die Duellpistole dürfte Wagners einzige Arbeit in dieser Art bleiben, er werde wohl keine weitere bauen, sagt er. «Eher etwas anderes, allenfalls weitere landwirtschaftliche Geräte, Messer oder Bilder wie meine Bild-Intarsien.» Dringender seien jetzt aber Arbeiten am und im Haus, ausserdem wolle er seine Werkstatt im Untergeschoss auf Vordermann bringen. «Diese hat es nötig», sagt er und schmunzelt. Verständlicherweise – nach den vielen Stunden, die er mit dem Nachbau der Duellpistole hier zugebracht hat.