«Covid muss uns die Augen öffnen»
01.04.2021 Fussball, Gesundheit, Gesellschaft, SportThomas Ditzler
Die Corona-Pandemie ist bei Martin Häfelfinger allgegenwärtig. Nicht nur in seiner Funktion als Präsident des FC Frenkendorf, sondern auch aus beruflicher Sicht. Seit vergangenem Sommer amtet der 45-jährige Ormalinger bei Swiss Olympic als ...
Thomas Ditzler
Die Corona-Pandemie ist bei Martin Häfelfinger allgegenwärtig. Nicht nur in seiner Funktion als Präsident des FC Frenkendorf, sondern auch aus beruflicher Sicht. Seit vergangenem Sommer amtet der 45-jährige Ormalinger bei Swiss Olympic als Leiter des Stabilisierungspakets des Bundes. Häfelfinger bildet dabei die Koordinations- und Anlaufstelle für die 90 Sportverbände, die in Bezug auf die Pandemie Anträge für finanzielle Unterstützung ihrer Vereine und Institutionen einreichen können.
Rund 97 Millionen Franken sind so im vergangenen Jahr dank dieser Unterstützung des Bundes an die rund 4000 antragstellenden Vereine und Organisationen geflossen. Weitere 100 Millionen Franken sind für das laufende Jahr in Aussicht gestellt worden. Gelder, die entstandene Löcher in den Vereinskassen stopfen sollen. «In finanzieller Hinsicht konnten wir im vergangenen Jahr vielen Sportvereinen helfen», sagt Häfelfinger.
95 Prozent gedeckt
Rund 95 Prozent aller Schäden, die Corona bewirkt hat, wurden so gedeckt. Eigentlich eine erfreuliche Tatsache. Doch blickt man auf das laufende Jahr, sieht die Situation weniger rosig aus. «Vor allem kommerzielle Infrastrukturen und Veranstalter werden in diesem Jahr stärker betroffen sein», sagt Häfelfinger und spricht als mögliche Beispiele Tenniscenter an. Für das Jahr 2021 erwartet er demnach mehr Anträge, um sportliche Infrastrukturen oder Anlässe zu schützen.
Anders sieht es für Vereine aus. Wurden diese 2020 wie so vieles von der Pandemie und ihren Folgen überrascht, habe man fürs neue Jahr aus Vereinssicht Lehren aus der Situation ziehen können, glaubt Häfelfinger. «Vereine, die im Hinblick auf das Jahr 2021 ihr Budget wegen Corona nicht angepasst haben, handeln naiv», sagt er. Dass die 100 Millionen Franken für das laufende Jahr für den Sport ausreichen, bezweifelt Häfelfinger. «Das Jahr 2021 wird vom Sport mehr Opfer fordern als noch das Vorjahr. Der gesamte Breitensport wird sich der jetzigen Situation anpassen müssen.»
Spesen-Situation hinterfragen
Gerade in Bezug auf den Fussball sieht der FC-Frenkendorf-Präsident für die Klubs auch Chancen. Spesen und Saläre, die teilweise bereits in tiefen Ligen überdurchschnittlich hoch ausfallen, müssten jetzt überdacht werden. «In den Hobbyfussball wurden in jüngster Vergangenheit immer mehr Gelder investiert», sagt der 45-Jährige. Eine Entwicklung, die gerade in der jetzigen Situation hinterfragt werden müsse: «Corona kann und soll dem Breitenfussball die Augen öffnen.» Während die Auslagen für Trainer und Spieler immer mehr gestiegen sind, habe im Gegenzug die Freude auf dem Fussballplatz gelitten.
Mit rund 11 Millionen Franken hat der Fussball im vergangenen Jahr das grösste Stück des Stabilisierungs-Kuchens zugesprochen erhalten. Dabei sei der Breitenfussball im Vergleich zu Hallensportarten wie Eishockey oder Volleyball aus seiner Erfahrung bislang mit einem blauen Auge davongekommen. «Natürlich haben wir auch unter dem Lockdown oder dem frühen Saisonabbruch im Herbst gelitten. Dennoch konnten wir grösstenteils die Meisterschaft austragen.» Im Gegensatz zu den Hallensportarten, die wie etwa das Eishockey seit vergangenem Frühling praktisch ohne Ernstkampf geblieben sind. Es hänge beim Fussball nun alles von den Lockerungen im Frühling ab. Kommen diese rasch, käme der Fussball glimpflicher davon.
Suche nach Identität
Gespannt blickt Martin Häfelfinger auch in seiner Funktion als Vereinspräsident dem Frühling entgegen. «Der Winter ist bei uns sowieso immer eine ruhigere Zeit», sagt er. Der FC Frenkendorf hatte bereits ohne Corona mit dem klassischen Vereinsleben zu kämpfen. «Der Verein hat in der Vergangenheit einen grossen Wandel durchgemacht. Wir sind nicht nur auf sportlicher Ebene auf der Suche nach unserer Identität», sagt der Präsident, der als treibende Kraft beim FC Frenkendorf vor allem den Meisterschaftsbetrieb sieht. Umso wichtiger wäre es, dass dieser möglichst bald wieder aufgenommen werden kann. «Sobald der Vereinsalltag wieder stattfinden kann, sind wir als Vorstand noch mehr gefordert», sagt Häfelfinger. Sei es, um die Leute bei Laune zu halten oder auch, um die Kontakte zu den Mitgliedern, die unter der Pandemie gelitten haben, wieder zu stärken.
Gerade was die Zukunft des Fussballs betrifft, sieht Martin Häfelfinger weitere Chancen: «Eine Normalität wird es irgendwann wieder geben.» Er hofft, dass im Fussball durch die Pandemie eine Selbsterkennung stattfinden wird. «Wir müssen von den stetig steigenden Bedürfnissen herunterkommen und auch einfach mal dafür dankbar sein, was man hat.» Er sehe die Situation wegen der Pandemie nicht negativer als vor zwei Jahren. Aber: «Vielleicht sollte man auch einfach dankbar sein, wenn man Sport treiben kann, und dafür die eigenen Bedürfnisse nicht überschätzen.» Die Perspektiven für ein Umdenken im Breitenfussball seien intakt.
«Split-Verfahren»: 2., 3. und 4. Liga werden aufgeteilt
vs. Ausgehend von einem vollständigen Trainingsbetrieb inklusive erlaubtem Körperkontakt am 19. April plant der Fussballverband Nordwestschweiz im Erwachsenenfussball mit einer Wiederaufnahme des Wettspielbetriebs am 30. April. Um die Saison abschliessen zu können, sollen die Tabellen der Ganzjahresmeisterschaften in der 2. bis 4. Liga in einem «Split-Verfahren» in der Mitte geteilt werden. Oben wird um den Aufstieg gespielt, unten um den Abstieg. Bis zum 4. Juli muss die Saison abgeschlossen sein.