Arbeiten für den Funken, der überspringt
11.03.2021 Bezirk Sissach, Wirtschaft, Kultur, Porträt, SissachAstrid van der Haegen ist mit ihrer Firma Stargeber neu im Oberbaselbiet domiziliert
Schon einmal hat die PR-Fachfrau Astrid van der Haegen in Sissach gelebt und gewirkt. Vor bald 20 Jahren zog sie weiter. Nun ist sie zurück in der alten Heimat – mit Stars und ...
Astrid van der Haegen ist mit ihrer Firma Stargeber neu im Oberbaselbiet domiziliert
Schon einmal hat die PR-Fachfrau Astrid van der Haegen in Sissach gelebt und gewirkt. Vor bald 20 Jahren zog sie weiter. Nun ist sie zurück in der alten Heimat – mit Stars und Sternchen.
Robert Bösiger
«Wie doch die Zeit vergeht!» Sagt Astrid van der Haegen zur Tatsache, dass sie Sissach vor bald 20 Jahren verlassen hat, weil sie sich beruflich und privat verändern wollte. Und dass sie nun wieder in Sissach wohnt und arbeitet.
Die PR- und Werbefachfrau führte früher eine eigene PR-Agentur namens «made by …», gründete mit der späteren Basler Ständerätin Anita Fetz den Verband der Wirtschaftsfrauen Schweiz und war einige Jahre auch Geschäftsführerin der Wirtschaftskammer KMU Baselland. Dann zog sie Richtung Mittelland und später ins Engadin, heuerte bei einem Klassikfestival und später unter anderem beim führenden Musiklabel Universal Music an, wo sie für den Aufbau einer Live-Abteilung über alle Musiksparten verantwortlich zeichnete.
Im Jahr 2018 macht sich Astrid van der Haegen erneut selbstständig und gründet die auf das Management und Booking von Musikern und Künstlern aller Art spezialisierte Firma Stargeber. Dass sie nun mit dieser Agentur in Sissach ein Comeback gibt, dafür sei einerseits Corona, andererseits ihr Sohn Alain Goepfert mitverantwortlich. Goepfert, in Sissach als Inhaber der Berg & Tal Gastro GmbH mit den Lokalen Sissacherfluh, Lounge 11 und Club 55 kein Unbekannter, habe sie ermuntert, ihr Büro hierhin zu verlegen, in seine Büroräumlichkeiten an der Hauptstrasse 63 in Sissach.
Corona und das «Berufsverbot»
In Sissach, sagt Astrid van der Haegen, habe sie sich damals schon sehr wohlgefühlt. Und weil sie in der Region Basel ein paar Mandate (Blues Festival Basel, Schupfart Festival usw.) habe und ihr Business sowieso von überall auf der Welt her möglich sei, habe sich das Zurückkommen wie eine Heimkehr angefühlt. Zudem habe sie noch immer viele Freunde und Bekannte hier.
Ihr Business beinhaltet das Management, Vermitteln und Vermarkten von Künstlerinnen und Künstlern aller Art. Theoretisch. Denn, so van der Haegen: «Praktisch ist unser Geschäft tot, weil wir seit dem 28. Februar 2020 einem faktischen Berufsverbot unterliegen.» Auch wenn dies sehr martialisch klingt, es hat was: Ihre Schützlinge singen und musizieren üblicherweise in Sälen mit einem Fassungsvermögen von mindestens 1000 Personen – was seit Corona bekanntlich nicht mehr möglich ist.
Was bleibt denn Astrid van der Haegen und ihrer Mitarbeiterin Sarah Schüpbach überhaupt zu tun? Sie erklärt es bildlich: «Wir schieben aktuell circa 500 Auftritte und Anlässe vor uns her wie mit einer Schneeschaufel. Rechts und links brechen immer wieder Anlässe weg, weil nach der x-ten Verschiebung Anlässe ganz abgesagt werden oder Veranstalter in Konkurs gehen.» Als Beispiel nennt sie ein Stadtfest, das man allenfalls ein Jahr schieben könne, es danach aber keinen Sinn mehr ergebe.
Lange Vorlaufzeiten
In ihrer Branche kommt ein besonderer Umstand erschwerend hinzu: «Wenn der Bundesrat – als Beispiel – heute entscheidet, dass ab Januar 2022 wieder Veranstaltungen stattfinden dürfen, so finden die ersten in unserem Segment frühestens im September kommenden Jahres wieder statt.» Kurz: In der Veranstaltungsbranche braucht es einen Vorlauf von 9 bis 18 Monaten, je nach Grösse einer Veranstaltung. Gerade heute Morgen habe sie ein Booking für Auftritte in der «Mühle Hunziken» aus dem Jahr 2020 auf Dezember 2022 geschoben, berichtet sie.
Dass ihr und ihren Schützlingen die Einschränkungen grosse Mühe und Kopfzerbrechen bereiten, daraus macht sie keinen Hehl. Hinzu käme, dass allfällige Ausfallzahlungen seitens des Bundes «wenn überhaupt, immer erst Monate später eintreffen». So hätten viele Schweizer Musiker und Sänger wieder andere Arbeit annehmen müssen, um einigermassen über die Runden zu kommen.
Trotz des grossen Handicaps namens Corona ist Astrid van der Haegen noch immer Feuer und Flamme für ihren Job. Sie hofft, dass es eines Tages auch wieder gut läuft und das Virus weg vom Fenster ist. Und freut sich auf «jenen Moment, wenn wir jemandem zum Erfolg verhelfen können und der Funken zwischen Künstler und Publikum springt». Bis es so weit ist, wird verschoben und erneut verschoben, vertröstet und letztlich abgesagt. Und versucht, die Künstlerinnen und Künstler wenigstens in den Medien einigermassen lebendig zu erhalten.
The show must go on!
Der Schweizer Musikmarkt
rob. In der Schweiz wurden 2020 Umsätze von 190,6 Millionen Franken mit Tonträgern erwirtschaftet, wie der Branchenverband der Schweizer Musiklabels «Ifpi» mitteilt. Das sind 3,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Wachstum geht auf das Konto Streaming; die Umsätze hier legten um 16 Prozent auf 144,5 Millionen Franken zu. Im Downloadgeschäft hingegen gingen die Umsätze um ein Viertel auf rund 18 Millionen Franken zurück. Ein Minus von 20 Prozent auf 27,6 Millionen verzeichnete der Verkauf physischer Tonträger.
Der Tonträgermarkt wird eingeteilt in das digitale Geschäft mit Streaming und Downloads (86 Prozent des Gesamtumsatzes) und in das Geschäft mit Tonträgern, wie CDs (12 Prozent) und Vinyl-Langspielplatten (2 Prozent). Auf Spotify und Co. werden täglich gut 60 000 Titel hochgeladen; mittlerweile sind viele Millionen Titel im Angebot.
Der Musikmarkt, sagt Astrid van der Haegen, ist viel schneller geworden und ein Künstler müsse heute mit grösserer Kadenz mit neuen Titeln präsent sein.
Stargeber – das Portfolio
rob. Zu den Zugpferden von Astrid van der Haegen gehört der Basler Sänger und Musiker Vincent Gross (24). Gross ist im Bereich Schlagerpop tätig und hat soeben ein neues Album mit dem Titel «Hautnah» veröffentlicht.
Ebenfalls für das Management verantwortlich ist Stargeber für die deutsche Schlagerrock-Partyband «Rebel Tell» und die vier Tenöre «I Quattro». Im Booking-Bereich sind es gut ein Dutzend Künstlerinnen und Künstler, die die Dienste von Stargeber in Anspruch nehmen, so unter anderem der österreichische Entertainer DJ Ötzi oder die Zweitjüngste der Kelly-Family, Maite Kelly.