«Wir senden noch keine Lockerungssignale»
25.02.2021 Sissach, BaselbietIn den Alters- und Pflegeheimen wird derzeit priorisiertes Personal geimpft
Im Zentrum für Pflege und Betreuung Mülimatt Sissach werden morgen erstmals Pflegende regulär gegen Covid-19 geimpft. Gemeinsam mit den allwöchentlichen Speicheltests sollen die in ihrem ...
In den Alters- und Pflegeheimen wird derzeit priorisiertes Personal geimpft
Im Zentrum für Pflege und Betreuung Mülimatt Sissach werden morgen erstmals Pflegende regulär gegen Covid-19 geimpft. Gemeinsam mit den allwöchentlichen Speicheltests sollen die in ihrem Ruf ramponierten Heime so wieder zu einem sicheren Hort werden.
Sebastian Schanzer
Frühlingsgefühle bei Sonnenschein und 18 Grad im Schatten; gut 70 Prozent der Mitbewohnerinnen und Mitbewohner sind doppelt geimpft: Es gibt dankbarere Aufgaben, als Heimbewohnern und ihren Angehörigen das Festhalten an den Schutzmassnahmen zu erklären. Nach wie vor sind im Sissacher «Mülimatt», das bis anhin faktisch covid-frei geblieben ist, Besuche nachmittags auf eine Stunde und maximal zwei Personen beschränkt. Weiterhin müssen Besucher eine Maske tragen, auch auf den Zimmern, und auf Körperkontakt soll immer noch möglichst verzichtet werden.
Insbesondere die doppelte Durchimpfung der Bewohner dürfte bei diesen die Hoffnung auf Lockerungen genährt haben. Das könnte man zumindest meinen. Mireille Dimetto, die Leiterin des «Mülimatt», aber sagt: «Unsere Bewohnerinnen und Bewohner sind immer noch im Schutzmodus. Entsprechend zurückhaltend sind sie mit der Forderung nach Lockerungen − anders als vielleicht die Angehörigen.» Die Heimleitung sende derzeit jedenfalls keine Signale in diese Richtung.
Denn einerseits haben sich rund 40 von 140 Personen im Heim nicht impfen lassen, andererseits ist noch gar nicht klar, ob Geimpfte das Virus nicht doch weitergeben können. «Nur weil sich einige nicht impfen lassen, heisst das nicht, dass sie nicht geschützt werden wollen», so Dimetto. «Wir tragen die Verantwortung, dass auch sie sich bei uns sicher fühlen können.»
Aufklärung steigert Impfwillen
Gleichwohl sei der Druck auf Personal und Heimleitung nun ein anderer als noch im vergangenen Jahr. «Das hat damit zu tun, dass die Maschen des Kontrollnetzes durch das Impfen und die regelmässigen Massentests deutlich enger geworden sind», so Dimetto. Einmal wöchentlich liefern im «Mülimatt» nahezu alle Pflegenden einen Speicheltest ab. Meistens kommt das Resultat noch am selben Tag zurück. Bis Juli soll dieses Testregime fortgeführt werden (siehe Kasten).
Seit einer Woche wird im Baselbiet zudem auch das Pflegepersonal von Altersheimen regulär geimpft, wie Roman Häring vom Kantonalen Krisenstab sagt. In Sissach wird zu diesem Zweck morgen die mobile Impf-Equipe erwartet. «Das Impfen unserer Mitarbeitenden ist freiwillig. Wir haben aber in Einzel- und Gruppenberatungen viel Aufklärungsarbeit geleistet und konnten dadurch die Impfwilligkeit ohne Druck erhöhen», sagt Dimetto. Sie hat Verständnis für gewisse Vorbehalte oder Ängste von Pflegenden, gerade weil bei dem neuen Impfstoff die Langzeitfolgen noch nicht hinreichend untersucht sind. «Unser Personal war auch schon vor Corona ständig mit Impffragen konfrontiert und muss sich immer wieder eventuellen Nebenwirkungen aussetzen. Das ist eine Belastung.» Wegen der beschränkten Anzahl Dosen kommen unter den Impfwilligen zunächst nur jene zum Zug, die mindestens 15 Minuten am Stück Kontakt mit Bewohnenden haben. «Wir müssen hier priorisieren», so Dimetto.
Daniel Bollinger, Präsident des Heimverbands Curaviva Baselland, schätzt derweil, dass knapp die Hälfte des Pflegepersonals in den Baselbieter Heimen bereits mindestens einmal geimpft wurde. Davon ausgenommen seien die rund 500 Pflegenden, die wegen einer Infektion mit dem Coronavirus in den vergangenen drei Monaten vorerst gar nicht geimpft werden können.
Finanzielle Einbussen
Die Massentests und Impfungen tragen massgeblich dazu bei, den durch die Pandemie beschädigten Ruf von Altersheimen zu rehabilitieren. Denn die dem «Konto Covid» zugeschriebenen Todesfälle in den Heimen haben laut Bollinger von Curaviva zu einem Reputationsschaden für die Heime geführt. «Während der Covid-Zeit haben sich zahlreiche pflegebedürftige ältere Menschen mit der Hilfe von ambulant tätigen Organisationen weiter zu Hause organisiert», so Bollinger. Nicht ganz dringende Heimeintritte würden noch immer zögerlich vollzogen.
Die durchschnittliche Belegung der Baselbieter Heime dürfte laut dem Curaviva-Präsidenten derzeit dennoch bei etwa 95 Prozent liegen.Finanzielle Einbussen erleiden die Heime aber auch aufgrund der hohen Positivitätsrate beim Personal und den daraus folgenden Quarantäneabwesenheiten. So entstanden höhere Personalkosten und wegen der umfangreichen Hygienemassnahmen auch höhere Sachkosten. «Sehr markant sind zudem die fehlenden Einnahmen bei den zahlreichen Heimen mit ausgebautem Gastronomiebetrieb.»
In Sissach rechnet Dimetto mit einer Schadensumme von rund 300 000 Franken fürs vergangene Jahr. Das könne man derzeit noch verkraften und so konnte denn auch die Fasnachtsdekoration inklusive Imbiss auf den jeweiligen Stationen bedenkenlos etwas üppiger gestaltet werden. Zur Freude der Betagten hat sich sogar das Personal fasnächtlich verkleidet, ob impfwillig oder eher skeptisch.
«Pooling» senkt die Kosten
ssc. Um die Kosten von Massentests zu senken, werden im Baselbiet seit Neuem die vermischten Speichelproben mehrerer Personen untersucht. Befindet sich in einem solchen «Pool» eine corona-positive Probe, müssen die Einzelnen noch einmal einen Test abliefern. Das sogenannte Pooling kommt im Baselbiet nach den Ferien auch an Schulen und bereits jetzt bei der Polizei zur Anwendung, wie Andrea Bürki vom Kantonalen Krisenstab auf Anfrage sagt. Zusätzlich sollen künftig auch bei gewissen Unternehmen solche Massentests durchgeführt werden.