Unterwegs mit den Winterdienst-Profis
19.01.2021 Bezirk WaldenburgDas Tiefbauamt im Einsatz für die Verkehrsteilnehmenden
Es hat in den vergangenen Tagen so viel geschneit wie seit 2006 nicht mehr – eine Herausforderung für die Strassendienste. Die «Volksstimme» hat den Pikettchef des Kreises 2 des Tiefbauamts auf seiner Tour ...
Das Tiefbauamt im Einsatz für die Verkehrsteilnehmenden
Es hat in den vergangenen Tagen so viel geschneit wie seit 2006 nicht mehr – eine Herausforderung für die Strassendienste. Die «Volksstimme» hat den Pikettchef des Kreises 2 des Tiefbauamts auf seiner Tour begleitet.
Elmar Gächter
Es ist Samstag um drei Uhr in der Früh. Soeben hat Bernhard Graf die Nachricht erhalten, dass verschiedene Messstationen in seinem Einsatzgebiet Gefahrenstufe Rot melden. Wenige Minuten später ist er mit dem Dienstwagen von seinem Wohnort Maisprach aus unterwegs, um sich ein genaues Bild der Strassensituation im Kreis 2 des Tiefbauamts zu machen.
Aufmerksam fährt er die gemeldeten Gefahrenstellen vorab in den beiden Frenkentälern ab und bietet die Chauffeure der sieben mit Pflug und Streuer ausgerüsteten Fahrzeuge auf, damit sie primär die Fahrbahnen für den öffentlichen Verkehr möglichst schnee- und eisfrei halten. Als Pikettchef ist Graf verantwortlich dafür, dass die Einsatzkräfte zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind. Sieben Tage und Nächte ist dies für ihn nun Alltag bei diesen winterlichen Verhältnissen, die ihren Namen nach langer Zeit wieder zu Recht tragen.
In dunkler und kalter Nacht – das Thermometer zeigt minus 7 Grad – fährt Bernhard Graf via Bennwil nach Oberdorf. Frau Holle hat sich zwar in den Schlafmodus zurückgezogen, an ihrer Stelle zwingt jedoch dichter Nebel zur Vorsicht. «Wir haben hier bereits abgestreut und sind diesbezüglich auf der sicheren Seite», hält Bernhard Graf beruhigend fest. Unterwegs kommt der Linienbus aus Oberdorf entgegen, dessen Fahrer es zweifellos ebenso schätzt, sich bei seiner ersten morgendlichen Fahrt auf den Winterdienst des Kreises 2 verlassen zu können.
Ab minus 10 Grad wirkt Salz nicht
Der Nebel netzt, und so war es ein Gebot der Stunde, hier frühzeitig Salz auszutragen, genauer eine Solelösung, ein Gemisch aus einem Teil Trockensalz und zwei Teilen Wasser. «Damit haben wir Gewähr, dass das Salz vom Fahrwind der Fahrzeuge nicht an den Strassenrand geweht wird, sondern dort liegen bleibt, wo es hingehört», erklärt der Pikettchef, der dieses Amt seit 14 Wintern ausübt.
Auch wenn sich die Fahrer der Räumfahrzeuge noch so viel Mühe geben, das Weiss von der Fahrbahn komplett wegzuräumen, bleiben Reste liegen und erfordern die permanente Aufmerksamkeit der Strassenbenutzer. «Sind diese Reste erst mal angefroren, bringt man sie kaum mehr weg», gibt Graf zu bedenken, und wirft seinen Blick immer wieder auf den Temperaturanzeiger. Denn die Sole hat ihre Grenzen; spätestens bei minus 10 Grad tendiert ihr Wirkungsgrad gegen null. Bei aktuell nach wie vor minus 7 Grad bleibt die Hoffnung. Rund 25 Zentimeter hat es geschneit, so viel wie seit dem Jahr 2006 nicht mehr. Die Fahrt durch Oberdorf zeigt, dass diese Menge bereits zu Platzproblemen führt. «Was wäre erst, wenn uns Petrus mit doppelt so viel beglückt hätte?», fragt Graf rhetorisch.
Es geht in Richtung Langenbruck, auf einer der wichtigsten Routen im Baselbiet. Kurz vor dem grossen Schnee hat hier ein grösserer Schwerverkehrstransport den Oberen Hauenstein überquert. Unterwegs treffen wir beim Salzsilo die Besatzung des fast neuen Scania-Lastwagens mit Pflug und Streuer. Wir begleiten sie in Richtung Schönthal–Kilchzimmersattel, eine der höchstgelegenen Routen im Baselbiet. Oberhalb der letzten Höfe ist die Strasse gesperrt. «Wir müssen vermeiden, dass Ausflügler die Strasse links und rechts und bei unserem Kehrplatz belegen und wir nicht mehr zirkulieren können», begründet Graf die Massnahme, die wie bei anderen Sperrungen mit der Kantonspolizei abgesprochen wurde.
Die Zweierequipe mit Chauffeur Martin Wüthrich und Beifahrer Beat Schaub ist ein eingespieltes Team. «Ich habe es lieber, wenn es viel Schnee hat, statt nur ‹Pflütter›. Am schönsten ist es frühmorgens, wenn noch kaum Autos unterwegs sind», kommt Wüthrich fast ins Schwärmen, spricht aber auch von der hohen Konzentration, die dieser Job erfordert. Den Verkehrsteilnehmenden stellt er ein weitgehend gutes Zeugnis aus. Wichtig ist für ihn, auf seinen Beifahrer zählen zu können. Dieser bedient beim Pflugeinsatz nicht nur den Salzstreuer, sondern ist auch unverzichtbar, wenn es um Einsätze wie hier am Kilchzimmersattel geht, wo man längst nicht überall telefonisch erreichbar ist. «Der Beifahrer ist Gold wert», so sein Resümee in seinem dritten Winter als Chauffeur eines der Räumfahrzeuge.
Gefahr steigt mit Schneeschmelze
Mit seinen 33 Dienstjahren zählt Beat Schaub zu den erfahrenen Winterdienstleuten. «Mir ist wichtig, dass wir als Team funktionieren und Chauffeur und Beifahrer jeweils gesund nach Hause kommen. Ich habe schon viele Winter gesehen und finde es immer wieder faszinierend, diese Natur erleben zu dürfen», erzählt Schaub begeistert von seinem Job. Seit vier Uhr früh sind die beiden unterwegs, und auch nach dem stundenlangen Einsatz ist bei ihnen von Müdigkeit nichts zu spüren. Bevor sie ihren vorübergehenden Feierabend antreten, geht es in die Fahrzeugwaschanlage. Denn jeder Lastwagen muss wegen des Soleeinsatzes nach jedem Einsatz gründlich gereinigt werden.
Sowohl Pikettchef Bernhard Graf als auch Einsatzleiter Patrick Bärenfaller, Leiter des Kreises 2, winden ihren rund 20 Mitarbeitenden samt den 4 Equipen der privaten Unternehmen ein grosses Lob. «Wir funktionieren als Team, für Einzelkämpfer hat es bei uns keinen Platz. Ich spüre immer wieder die grosse Motivation meiner Leute für den Winterdienst», so Bärenfaller.
Erstaunlich, dass in dieser durch Covid verseuchten Zeit noch keiner der Mitarbeitenden vom Virus befallen wurde. Bärenfaller schreibt dies nicht zuletzt den strengen Vorsichtsmassnahmen zu, die in seinem Betrieb auch ausserhalb des Winterdienstes gelten. Einen Plan B gibt es allerdings nicht, sollten sich trotz allen vorbildlichen Verhaltens Leute infizieren.
So kann die Crew und vor allem die Bevölkerung nur hoffen, dass die Einsatzkräfte gesund bleiben. Zwar hat der Wetterdienst für die nächsten Tage eine gewisse Beruhigung angesagt. Mitte der Woche soll es einige Grade wärmer werden – das bedeutet aber keine Entwarnung für die kantonalen Winterdienstequipen. Mit der Schneeschmelze steigt die Gefahr, dass sich nachts gefährliche Glatteisflächen bilden. Doch der Winterdienst ist gerüstet. Die meisten Verkehrsteilnehmenden werden den Service zu schätzen wissen, den ihnen der kantonale Winterdienst auch in solch eher aussergewöhnlichen Zeiten zu bieten vermag.
Winterdienstorganisation im Kreis 2
emg. Die 22 Mitarbeitenden sind in zwei Gruppen eingeteilt, die jede während je 2 Wochen von Anfang November bis Ende März Pikettdienst leisten. Die Verantwortung liegt in den Händen des Einsatzleiters sowie der vier Pikettchefs, die sich wöchentlich ablösen. Sieben mit Pflug und Streuer ausgerüstete Fahrzeuge, drei kantonseigene und vier private Unternehmer mit Chauffeur und Beifahrer, sind auf ihren in der Regel fix eingeteilten Strecken auf dem 150 Kilometer langen Streckennetz des Kreises 2 unterwegs. Ihr Einsatzgebiet erstreckt sich zwischen Pratteln und Langenbruck und umfasst unter anderem die beiden Frenkentäler sowie verschiedene höher gelegene Gemeinden wie Arboldswil, Titterten, Bretzwil oder Lauwil.
Die Equipen sind bei Bedarf von morgens um vier Uhr bis abends um elf Uhr unterwegs. Zeitliche Priorität haben dabei die Strecken mit dem öffentlichen Busverkehr sowie die Ausnahmetransportroute von Langenbruck bis Pratteln. Die Verantwortlichen behalten sich nach Rücksprache mit der Kantonspolizei vor, einzelne Strecken vorübergehend zu sperren, wie dies in den vergangenen Tagen in verschiedenen Abschnitten nötig war. Die Winterdienst-Organisationen in den beiden übrigen Kreisen – Kreis 1 in Reinach und Kreis 3 in Sissach – sind ähnlich organisiert.