Sorgen um den Finanzhaushalt
15.01.2021 Bezirk Sissach, SissachRechnungsprüfungskommission: Lieber nur das Nötige als Prestigeobjekte
Die Rechnungsprüfungskommission ist mit der Investitionspolitik der Gemeine Sissach nicht einverstanden. Man baue zu teuer und türme damit einen Schuldenberg auf, lautet ihre Kritik.
Christian ...
Rechnungsprüfungskommission: Lieber nur das Nötige als Prestigeobjekte
Die Rechnungsprüfungskommission ist mit der Investitionspolitik der Gemeine Sissach nicht einverstanden. Man baue zu teuer und türme damit einen Schuldenberg auf, lautet ihre Kritik.
Christian Horisberger
«Wir machen uns Sorgen um die finanzielle Entwicklung der Gemeinde.» Hubertus Ludwig spricht langsam und mit Nachdruck. Den Satz kennt man vom Präsidenten der Sissacher Rechnungsprüfungskommission (RPK). Er sagt ihn jeweils während der Budget-Debatte der Gemeindeversammlung. Gehör fand er damit bisher nicht, weist Sissach doch seit Jahren satte Überschüsse aus. Doch nun galoppieren die Investitionen den Steuereinnahmen davon und die Verschuldung wächst.
Aktuell steht die Gemeinde vor einem enormen Investitionsschub, der Ludwig und seinen vier Kolleginnen und Kollegen in der RPK besonders grosse Sorgen bereitet. So sollen alleine in die Erneuerung der Primarschule Dorf sowie eine neue Turnhalle 27 Millionen Franken gesteckt werden. (Der Kredit für die Turnhalle wurde kurzfristig von der Traktandenliste der Gemeindeversammlung vom kommenden Mittwoch gestrichen.)
Die zur Debatte stehenden Projekte seien nicht nach dem Prinzip «Was können wir uns leisten?» entwickelt worden, sagt Ludwig. Stattdessen handle es sich insbesondere bei der Dreifachturnhalle um ein Prestigeobjekt. Für die Sporthalle neben dem Friedhof seien im Finanzplan ursprünglich 7,5 Millionen Franken vorgemerkt worden, nun sei es das Doppelte. «Eine in den Boden versenkte Turnhalle ist sicherlich originell, aber brauchen wir das wirklich?», fragt Ludwig rhetorisch. «Braucht ein Dorf von der Grösse Sissachs zwei Dreifachsporthallen?» Die RPK findet nein – zumal die Schülerzahlen am Sinken seien. Ihr Fazit: Die Gemeinde investiert zu viel in Projekte, die sie sich nicht leisten kann.
Schulden höher als ausgewiesen
Die Kommission geht in ihrer Kritik weiter. Sie bemängelt im Finanzplan 2021 bis 2025, der am Mittwoch der Gemeindeversammlung vorgelegt wird, die fehlende Transparenz über die Verschuldung der Gemeinde. Der Gemeinderat habe sich selber eine Schulden-Obergrenze von 20 Millionen Franken auferlegt, sagt Ludwig. Diese werde gemäss Finanzplan auch immer schön eingehalten. Aber: Nicht berücksichtigt sei darin das Kapital aus den Spezialfinanzierungen (Wasser, Abwasser und Abfall), mit dem die Gemeinde zinsfrei arbeite beziehungsweise mit dem sie ihre Investitionen finanziere. Jedoch handle es sich dabei ebenfalls um Fremdkapital, das auszuweisen sei, so der Steuerexperte.
Eine Absicht, die Schulden abzubauen, sei im Finanzplan nicht ersichtlich, merken Ludwig und seine RPK-Kollegin Lea Degen im Gespräch mit der «Volksstimme» ausserdem an. «Damit hinterlassen wir der nächsten Generation einen Schuldenberg», so Degen.
Finanzchef Lars Mazzucchelli (SP) bestätigt, dass «wir bis 2025 sicher keine Schulden abbauen können». Er hält jedoch fest, dass es sich bei der gegenwärtigen Investitionstätigkeit mit der einhergehenden höheren Verschuldung um eine Wellenbewegung handle. Nicht die erste: «Wir hatten in der Vergangenheit auch schon Pro-Kopf-Verschuldungen, die markant höher waren als die bevorstehende – und konnten sie wieder auf ein sehr tiefes Niveau abtragen.»
Zur mangelnden Transparenz der Fremdmittel merkt der Finanzchef an, dass es sich bei den Mitteln von Wasser-, Abwasser- und Abfallkasse um Eigenkapital der Gemeinde handle, das deshalb nicht als Schulden auszuweisen sei. Als Schulden würden im Finanzplan wie auch in der Bilanz nur das bei Banken aufgenommene Fremdkapital dargestellt. Diese Situation sei im Übrigen nicht neu, sagt Mazzucchelli. Er zeigt sich erstaunt, dass die RPK diese Kritik zum jetzigen Zeitpunkt erstmals äussert.
Nicht zum ersten und wohl auch nicht zum letzten Mal warnt die RPK vor einer Steuererhöhung: Der Regierungsrat plane, das Baselbiet insbesondere für gut Verdienende steuerlich attraktiver zu machen. Die für die Investitionen ab 2023 vorgesehene Steuererhöhung wirke diesen Bemühungen entgegen. Gleichzeitig rügt die Kommission die ihres Erachtens zu optimistische Steuerprognose im Finanzplan: Die Wohnbevölkerungszahl stagniere seit vier Jahren, weil Baselland steuerlich unattraktiv sei, sagt Ludwig. «Das Wachstum der Fiskalerträge ist viel zu optimistisch. Das wird man niemals erreichen.»
«Andere Trümpfe»
«Dass für Hubertus Ludwig als Vorstandsmitglied der Liga der Baselbieter Steuerzahler jede Steuererhöhung des Teufels ist, wundert mich nicht», sagt Lars Mazzucchelli. Diese Forderung beisse sich seines Erachtens mit einer anderen der RPK: jener, die Schulden nicht weiter anwachsen zu lassen. Die günstige Steuerprognose begründet der Säckelmeister mit Erfahrungswerten: Das durchschnittliche Steueraufkommen pro Kopf bei den natürlichen Personen sei in den vergangenen Jahren stetig angestiegen. Entsprechend sei budgetiert worden, wobei man die Auswirkungen von Corona und der Steuervorlage 17 berücksichtigt habe.
An die Theorie, dass die Wohnbevölkerungszahl wegen der Gemeindesteuerlast stagniert, glaubt Mazzucchelli nicht: Er habe die Werte verglichen und keinen Zusammenhang erkennen können. Einerseits mache die Gemeindesteuer lediglich einen Drittel der gesamten Steuerbelastung aus und zum anderen «haben wir in Sissach andere Trümpfe – unter anderem eine gute Infrastruktur».