«Die Beizer haben kein Geld mehr»
12.01.2021 BaselbietGastronomie ruft nach finanzieller Hilfe
Die erste Corona-Welle konnten die Geschäfte dank Kurzarbeit, Erwerbsersatz und Soforthilfen einigermassen gut überstehen. In den aktuell vom Teil-Lockdown betroffenen Branchen wird die Situation aber dramatisch.
Tobias ...
Gastronomie ruft nach finanzieller Hilfe
Die erste Corona-Welle konnten die Geschäfte dank Kurzarbeit, Erwerbsersatz und Soforthilfen einigermassen gut überstehen. In den aktuell vom Teil-Lockdown betroffenen Branchen wird die Situation aber dramatisch.
Tobias Gfeller
Die Erleichterung war gross, als Ende November die Baselbieter Stimmbevölkerung den vom Landrat ausgearbeiteten Kompromiss zur sogenannten Dreidrittelslösung an der Urne bestätigte. Einigen sich Mieter und Vermieter, so übernimmt der Kanton ein Drittel der Miete. Die restlichen zwei Drittel teilen sich Mieter und Vermieter. Die im Spätherbst beschlossene Möglichkeit gilt aber nur für den Lockdown im Frühling.
Seit Inkrafttreten des Gesetzes am 30. November sind bis vergangenen Mittwoch nur gerade vier Gesuche von Unternehmen eingegangen, die insgesamt Gesuche in der Höhe von 36 000 Franken geltend machen, heisst es beim Kanton. Die vier Gesuche stammen aus den Branchen Lagerei, Automobil und Grosshandel.
Nicht überall klappe die Verständigung zwischen Mieter und Vermieter, verrät Fabienne Ballmer, Co-Präsidentin des Wirteverbands Gastro Baselland. Die Dreidrittelslösung sei zwar wichtig, aber die Wirkung davon beschränkt, da davon unter anderem auch die Soforthilfen des Kantons abgezogen würden, erklärt Ballmer. «Den ersten Lockdown konnten die Betriebe dank der Grosszügigkeit des Kantons gut überstehen. Nun sind die finanziellen Reserven vieler Betriebe aber aufgebraucht. Die Gastronomen haben kein Geld mehr.»
Kanton sind Hände gebunden
Der Kanton Baselland, der im vergangenen Frühjahr 5100 Baselbieter Unternehmen mit nicht rückzahlbaren Soforthilfen von insgesamt 40 Millionen Franken geholfen hat, würde auch gerne jetzt, in der zweiten Coronavirus-Welle, den Betrieben finanziell via Härtefallgesetz unter die Arme greifen. Doch ihm sind die Hände gebunden: Das vom Landrat verabschiedete Härtefallgesetz sieht nämlich vor, dass der Kanton nicht vom Bundesgesetz abweichen darf.
Dies hat zur Folge, dass der Regierungsrat keinen Handlungsspielraum hat, um branchenbezogene «Àfonds-perdu Beiträge» zu gewähren. Das Bundesgesetz sieht vor, dass Härtefallhilfen nur bei Umsatzeinbussen im Vergleich zum Vorjahr ab 40 Prozent ausbezahlt werden können. «In der Gastronomie ist man schon ab einem Umsatzeinbruch von 20 Prozent im Elend», warnt Gastro-Baselland-Co-Präsidentin Fabienne Ballmer. Die Gewinnmargen seien klein und betragen im Normalfall 1 bis 2 Prozent. Grössere Reserven hätten nur die Grossbetriebe.
Der Verband fordert deshalb den Landrat auf, falls das Bundesgesetz nicht entsprechend angepasst wird, auf kantonaler Ebene zu handeln und eigenmächtig das Härtefallgesetz so anzupassen, dass der Kanton den geschädigten Branchen helfen kann. Ballmer spricht von Hilfsgeldern in der Höhe von rund 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, um wenigstens die Fixkosten abzudecken. Die restlichen 70 Prozent seien durch Kurzarbeitsentschädigungen und Erwerbsersatz grösstenteils abgedeckt.
Unterstützung erhalten die betroffenen Branchen von SP-Landrat Adil Koller, der mit bürgerlichen Landräten aus der CVP und FDP im Mai den Vorstoss für die Dreidrittelslösung ausarbeitete und das Baselbieter Härtefallgesetz im Dezember mitprägte. «Die Eintrittsschwelle bei der Bundeslösung für Härtefallgelder ist gerade für Gastronomiebetriebe zu hoch. Durch Take-away oder sogar durch den Verkauf von Inventar in der Not kommen viele gerade so knapp über 60 Prozent des Umsatzes von 2019 und haben so kein Anrecht auf Härtefallgelder.» Falls der Bundesrat diese Umsatzschwelle nicht heruntersetze, müsse der Kanton Baselland das selbst tun und wie andere Kantone ein eigenes Hilfsprogramm auf die Beine stellen, fordert Koller. Der SP-Landrat gibt zu bedenken, dass aufgrund dieser hohen Eintrittsschwelle so wenig Härtefallgesuche beim Kanton eingegangen seien: «In Wahrheit sind viel mehr Betriebe existenziell bedroht.» Die Lösung müsse ausserdem auf dieses Jahr ausgeweitet werden.
Beim Kanton ist man aber optimistisch, dass nach der Ankündigung von Bundesrat Alain Berset (SP), den Teil-Lockdown bis Ende Februar auszudehnen, die Voraussetzungen für Härtefallentschädigungen gelockert werden, verrät Rolf Wirz, Sprecher der kantonalen Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion. Auch Betriebe mit weniger Umsatzeinbussen sollen unterstützt werden können. Der Kanton erfasse bereits jetzt die Unterstützungsanträge solcher Unternehmen, um sofort auszahlen zu können, wenn die Voraussetzungen gelockert werden. «Dem Kanton ist die Problematik, in der sich die Branchen befinden, sehr wohl bewusst», betont Rolf Wirz.