Müdigkeit bis ins Knochenmark
19.11.2020 Baselbiet, RegionAnouk Jordi
Sibylle Laubscher hatte leicht erhöhte Temperatur, Glieder- und Kopfschmerzen und verspürte einen ungewohnten Druck in der Brust. Da Laubscher einmal pro Woche Englisch unterrichtet in einer Gruppe, in der sich auch Risikopatienten befinden, liess sie sich auf ...
Anouk Jordi
Sibylle Laubscher hatte leicht erhöhte Temperatur, Glieder- und Kopfschmerzen und verspürte einen ungewohnten Druck in der Brust. Da Laubscher einmal pro Woche Englisch unterrichtet in einer Gruppe, in der sich auch Risikopatienten befinden, liess sie sich auf Corona testen: «Ich wollte meinen Schülern ein negatives Testresultat vorlegen, sodass sie meinen Kurs weiterhin unbesorgt besuchen können.»
Als die 49-Jährige am nächsten Tag die SMS bekam, die sie über ein positives Testresultat informierte, fiel sie aus allen Wolken. Eigentlich dachte sie, sie habe zu viel gearbeitet und fühle sich etwas erschöpft. Als dann aber auch ihr Telefon klingelte und der kantonsärztliche Dienst ihr ebenfalls das Testresultat mitteilte, war sie sich sicher: Sie muss in Isolation.
Sybille Laubscher ist in England aufgewachsen, hat acht Jahre in Wien gelebt und arbeitet nun als selbstständige Künstlerin in Arisdorf in ihrem Atelier «Schöni Sache» – wenn sie sich nicht gerade wegen eines positiven Coronavirus-Testes in Isolation befindet. Dort verkauft sie auch ihre Kunst. Für die «Volksstimme» zeichnet sie ausserdem monatlich eine Karikatur.
Wo sie sich angesteckt hat, kann sie nicht sagen und hält es auch nicht für relevant: «Das ist eine Pandemie, ich hätte mich überall anstecken können.» Laubscher und ihre ganze Familie seien immer sehr vorsichtig gewesen. Sie sei an keine Partys gegangen, habe seit März keine Hände mehr geschüttelt und immer alles desinfiziert. «Ich war die erste Person, die ich kannte, die positiv auf das neue Coronavirus getestet wurde», sagt die Künstlerin.
Die ganze Familie in Quarantäne
Nach dem Anruf des kantonsärztlichen Dienstes nahm Laubscher sofort ihre Kinder aus der Schule und sie sowie ihr Mann begaben sich für zehn Tage in Quarantäne. Erstaunlicherweise blieben sie jedoch gesund. Da Laubscher in den 48 Stunden davor nicht viele soziale Kontakte gehabt habe und nur einkaufen ging, sei das Contact Tracing einfach gewesen. Auch in ihrem Atelier sei alles sehr hygienisch gewesen, sie habe immer alles desinfiziert und oft ihre Hände gewaschen. Also musste sie auch ihre Kunden nicht informieren.
Zu Beginn, bevor Laubscher sich testen liess, seien die Symptome sehr mild gewesen. Als sie sich in ihr Zimmer in die Isolation verkroch, fühlte sie sich nur schlapp. Als die Stunden so dahinzogen, wurde sie immer müder. «Ich fühlte diese tiefe Müdigkeit bis in mein Knochenmark. Ich dachte, ich werde den ganzen Tag nicht mehr aufstehen können», beschreibt Laubscher ihren Zustand. Sie habe zudem Angst gehabt, dass die Krankheit ihr Gehirn angreift, und meint augenzwinkernd, sie sollte wahrscheinlich weniger Horrorgeschichten über das Virus lesen. Es ist glücklicherweise nichts dergleichen passiert. Nach etwa zwei Tagen habe Laubscher dafür ihren Geruchssinn verloren, dieser sei aber noch vor Ende ihrer Isolation wieder zurückgekommen.
Jeden Tag ein Bild
Während dieser zehn Tage hat Laubscher jeden Tag ein Bild gemalt. «Es ging mir darum, dass ich für ein paar Stunden abschalten und in der Malerei abtauchen kann. Darum, zu wissen, dass ich jeden Tag sicher etwas gemacht habe», sagt sie, «ausserdem spiegeln die Malereien wider, wie es mir in dieser Zeit ging.» Daneben hat sie viel geschlafen, etwas gelesen, Fernsehen geschaut und oft telefoniert. Der Kontakt zu ihren Freunden sei ihr sehr wichtig gewesen. Medikamente hat sie keine genommen, ihr Arzt habe ihr nichts empfohlen.
Nachdem dieser sie für gesund erklärt hatte, traute sich Laubscher auch wieder unter Leute. Dabei war oft die erste Frage, die ihr gestellt wurde, ob sie denn schon wieder rausgehen sollte. «Gewisse Leute hatten Angst vor mir, weil sie wussten, dass ich das Coronavirus hatte. Dabei spielte es auch keine Rolle, dass ich unterdessen wieder gesund war», sagt Laubscher.
Nun ist sie froh, dass ihr Krankheitsverlauf vergleichsweise harmlos war und der Rest ihrer Familie verschont blieb: «Ich hatte wirklich Glück im Unglück, dass es nicht schlimmer war. Meine Gedanken sind natürlich auch bei denen, wo das leider nicht der Fall war oder ist.»