ZOOLOGISCH
16.10.2020 BaselbietHätzle
Daniel Zwygart
Nun ist er wieder unterwegs, der Eichelhäher oder Hätzle, wie man ihm bei uns im Baselbiet sagt. Unermüdlich fliegt er hin und her und transportiert Eicheln in seinem Schnabel – so kam er ja auch zu ...
Hätzle
Daniel Zwygart
Nun ist er wieder unterwegs, der Eichelhäher oder Hätzle, wie man ihm bei uns im Baselbiet sagt. Unermüdlich fliegt er hin und her und transportiert Eicheln in seinem Schnabel – so kam er ja auch zu seinem Namen. Die Eichel im Schnabel ist oftmals nur die «Spitze des Eisbergs», denn in seiner dehnbaren Speiseröhre speichert er bis zu 10 weitere Eicheln.
Und wohin damit? Der Eichelhäher sucht sich seine Lagerstandorte gezielt aus. Halboffene Wälder, offenes Grasland in Waldrandnähe mit nicht zu hohem Gras – alles Lebensräume, in denen Eicheln gut keimen können. Hat der Eichelhäher einen geeigneten Ort gefunden, hackt er eine kleine Öffnung in den Boden und stopft die Eichel oder auch mal Buchnüsschen oder eine Baumnuss hinein und deckt sie leicht zu. Dabei schaut er immer wieder auf und guckt, ob keine Gefahr droht oder ein anderer Häher sein Versteck ausspioniert. Ich habe schon gesehen, wie er eine Eichel in Anwesenheit von «Zaungästen» angeblich in den Boden steckt und dann weiterfliegt und sie an einem anderen Ort vergräbt. Kluger Krähenvogel.
Weil der Eichelhäher mit seiner Sammelund Lagertätigkeit zur Verbreitung der Eichen massgeblich beiträgt, wird er seit dem 17. Jahrhundert auch «Gärtner des Waldes» genannt. Zu Recht, wie Erfahrungen aus Norddeutschland und Österreich zeigen. Dort werden in Gebieten, wo Eichen nicht so häufig sind, gezielt Eicheln-Depots ausgelegt. Nach kurzer Zeit kapieren das die Eichelhäher und pflanzen diese in der näheren Umgebung. Schön einzeln und an geeigneten Standorten – pro Herbst und Vogel bis zu 5000 Stück (oder etwa 40 Kilogramm Eicheln). Und da der Eichelhäher nie alle Eicheln im Winter wieder findet, keimen diese im Frühling.
Glück für den Forstbetrieb, da die Eichenvermehrung im Zusammenhang mit der Klimaveränderung angestrebt wird. Pech für den Eichelhäher, denken wir. Nein, gar nicht. Denn der Eichelhäher ist wirklich ein Gärtner: Er erkennt im Frühsommer die Eichenkeimlinge und gräbt gezielt nach den im Boden bleibenden und noch immer energiereichen Keimblättern und frisst diese selber oder verfüttert sie an seine bald flüggen Jungen. Die junge Eiche überlebt diesen «Raub» meistens.
Wieso werden dann immer noch Eichelhäher geschossen – 2019/20 etwa 40 im Baselbiet? Das müsste man die Schützen fragen. Ja, der Eichelhäher verfüttert seinen Jungen manchmal auch Eier oder Nestlinge von Kleinvogelarten. Und ja, die Eichelhäher picken bei Futtermangel auch manchmal Maiskolben an, die in Waldnähe wachsen. Und die Eichelhäher sind auch die Wachhunde des Waldes, weil sie anderen Waldbewohnern mitteilen, wenn vermeintliche oder echte Gefahr droht. Gründe genug für einen Abschuss?
Wie auch immer: In diesem Jahr gibt es so viele Eicheln, dass die Eichelhäher Nachtschichten einlegen müssten, um alle zu verteilen. So bleiben noch viele dieser Energiespender zur Mast der Wildschweine übrig. Was hingegen nicht ganz unproblematisch ist …!
Daniel Zwygart ist Biologe. Er unterrichtete während vieler Jahre am Gymnasium Liestal. Das Bild stammt von Beni Herzog.