«Wir sind stille Schaffer im Hintergrund»
16.10.2020 Baselbiet, Kirche, RümlingenSigristen und Sigristinnen tragen das Gemeindeleben mit
Am kommenden Sonntag feiert die Sektion Baselland des Schweizerischen Sigristenverbandes an ihrer Herbstversammlung in Rümlingen ihr hundertjähriges Bestehen. Priska Dürr aus Arisdorf, Präsidentin der Sektion und Sigristin der ...
Sigristen und Sigristinnen tragen das Gemeindeleben mit
Am kommenden Sonntag feiert die Sektion Baselland des Schweizerischen Sigristenverbandes an ihrer Herbstversammlung in Rümlingen ihr hundertjähriges Bestehen. Priska Dürr aus Arisdorf, Präsidentin der Sektion und Sigristin der Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen, gibt einen Einblick in die Aufgaben des Berufs.
Peter Stauffer
Frau Dürr, Sigristin oder Sigrist: Ist das überhaupt ein Beruf?
Ich rede meistens von meinem Job oder Amt als Sigristin. Früher wurden die Arbeitsverträge (und Lohnauszahlungen) ausschliesslich mit Männern abgeschlossen – aber die Arbeiten erledigten die Frauen. Heute sind es in kleineren Kirchgemeinden wohl in der Mehrzahl Frauen oder Rentner.
Was sind die Voraussetzungen, um solch ein Amt auszufüllen? Gibt es eine Lehre?
Es gibt keine EFZ- oder EBA-Lehre. Der Schweizerische Sigristenverband bietet jedoch eine Grundschulung an. Die Voraussetzung ist, dass man eine 3- oder 4-jährige Lehre – möglichst in handwerklicher Richtung – absolviert hat.
Was ist die grösste Herausforderung im Sigristenleben?
Sigristen sind meist stille Schaffer im Hintergrund. Oft besteht allerdings die Erwartung, dass wir immer da und erreichbar sein sollen. Da eine gesunde Balance zu finden, ist eine grosse Herausforderung.
Wie hat sich die Aufgabe in den vergangenen Jahren gewandelt?
Die Kirche ist allgemein im Wandel. Pfarrpersonen, Sozialdiakone – aber auch viele Freiwillige – haben immer wieder neue Ideen, wie die Kirche attraktiver wird. Wir müssen dann von der Infrastruktur her unterstützend mitwirken.
Wo liegt der Unterschied zwischen Sigrist und Hauswart?
Wir sind sozusagen eine Art kirchlicher Hauswart. Neben klassischer Hauswartung begleiten wir aber auch alle kirchlichen Anlässe, Gottesdienste und Kasualien (geistliche Amtshandlungen). Je nach Kirchgemeinde gibt es noch weitere Aufgaben. Mit Leuten zu tun zu haben ist auf jeden Fall sehr vielfältig.
Was macht eine Sigristin oder ein Sigrist eigentlich alles?
Der Schweizerische Sigristen-Verband hat ein Leitbild erstellt. Jede Kirchgemeinde hat ihre eigenen Pflichtenhefte für die Sigristen. Reinigung und Unterhalt der Immobilien, Vor- und Nachbereitung diverser Gottesdienste und Anlässe, Vermietungen, Betreuung der Besucher und vieles mehr gehören dazu.
Welchen Einfluss und welche Auswirkungen hat die Coronazeit auf den Beruf?
Obwohl es weniger Anlässe gibt, sind die Umsetzung von Schutzkonzepten und Hygienemassnahmen enorm zeitintensiv. Wir versuchen, einen Beitrag zum Gesundbleiben zu leisten. Trotzdem soll das Miteinander nicht unnötig stark darunter leiden. Das ist manchmal ein riesiger Spagat.
Was bewegt die Sigristen und Sigristinnen sonst aktuell?
Der Besucher- und Mitgliederschwund in den Kirchen gibt uns sehr zu denken. Den Menschen ist nicht bewusst, wie viel die Kirche zu bieten hat. Es geht nicht nur um den Glauben. Was viele von uns suchen, sind Gemeinsamkeit, Verständnis, Gespräche, Lachen oder Weinen oder auch «nur» Unterhaltung … all das kann man in der Kirche finden. Ich freue mich über jeden Anlass, bei dem die unterschiedlichsten Leute kommen. Es geht nicht darum, ob jemand Akademiker oder Handwerker ist, man darf einfach nur da sein.
Gibt es genügend Nachwuchs für die Posten als Sigristin oder Sigrist?
Die Stellen können meist besetzt werden. Man muss sich einfach bewusst sein, dass es viel Herzblut braucht für diesen Job. Mit dem Nachwuchs im Verband sieht es allerdings anders aus. Es ist nicht leicht, neue Mitglieder zum Beitritt zu motivieren, wenn die Kirchgemeinde nicht dahinter steht. Unsere Sektion organsiert meist gemütliches Beisammensein, bei dem es vor allem um den Austausch geht. Bei der Arbeit ist man ja meist Einzelkämpfer. Im Austausch merkt man, dass es andern ähnlich geht wie einem selbst.
Wieviele Mitglieder hat die Sektion?
Zur Zeit sind es im Baselbiet 65 Mitglieder, ungefähr gleich viele Frauen wie Männer. Der Vorstand hingegen besteht praktisch nur aus Frauen.
Ist der Verband konfessionell neutral?
Unser Verband ist für Sigristen der evangelisch-reformierten Kirchgemeinden unseres Kantons. Welcher Konfession – und ob überhaupt – ein Sigrist angehört, fragen wir aber nicht.
Wie steht es mit dem Zeitaufwand?
Grössere Kirchgemeinden haben meist ein oder zwei vollamtliche Sigristen. Sonst sind es eher kleinere Pensen. Die Kirchgemeinde Binningen-Bottmingen hat mit ihren circa 5500 Mitgliedern für die Pfarrpersonen 400 und für das Sigristenamt 250 Stellenprozente.
Wie sind Sie zu diesem Amt gekommen?
Ich habe vor rund zwanzig Jahren angefangen in der Sonntagsschule mitzuwirken. So kam ich der Kirche wieder etwas näher. Später wurde ich nebenamtliche Sigristin. Als ich nach meiner Familienzeit wieder in meinem erlernten technischen Beruf – Maschinentechnikerin – zu arbeiten begann, war die Arbeit in der Kirche ein willkommener Ausgleich. Vor acht Jahren habe ich dann in ein Vollamt gewechselt.
Gibt es an der Herbstversammlung ein brisantes Thema?
Der Verband hat im Gegensatz zu früher nicht mehr vor allem gewerkschaftliche Aufgaben. Deshalb wird der kommende Anlass eher von gemütlicher und festlicher Art sein. Wir freuen uns sehr, dass wir etliche Ehrengäste begrüssen dürfen.